„The House of One“ in Berlin: Drei Religionen bauen gemeinsam
Am Petriplatz in Berlin-Mitte soll ein gemeinsames Bethaus für Christen, Juden und Muslime entstehen - ein Experiment mit ungewissem Ausgang.
BERLIN taz | Und siehe, aus dem Volk Gottes wurde eine Crowd, und die Crowd baute ein Haus. Das Haus des Einen. Crowdmäßiger ausgedrückt: The House of One.
Wenn das jetzt unklar war, hier die Auflösung: Seit diesem Dienstag betreibt das interreligiöse Projekt "The House of One" ein Crowdfunding, um den Bau eines Multifunktionsgebäudes auf dem Petriplatz in Mitte zu ermöglichen. Darin, in ausgeklügelter räumlicher Verteilung: eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche, aber auch ein zentraler Veranstaltungsraum, in dem sich die Vertreter der drei monotheistischen Religionen sowie andere interessierte Berliner begegnen sollen.
Mit einer sehr professionell gestalteten Website (house-of-one.org) wirbt der Ende 2011 gegründete Verein "Bet- und Lehrhaus Petriplatz Berlin e. V." um die Spendenbereitschaft der Berliner. Da es sich bei dem bereits vorliegenden Entwurf für das "House of One" um ein Gebäude aus Ziegelmauerwerk handelt, kann man - symbolisch, versteht sich - einen oder mehrere Steine im Wert von 10 Euro kaufen. Insgesamt müssen 43,5 Millionen Euro zusammenkommen.
Experiment am historischen Ort
Nach außen hin hat das Projekt vor allem drei Gesichter: Gregor Hohberg, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien, Tovia Ben-Chorin, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, und Kadir Sanci - der Imam vertritt den muslimischen Verein "Forum für Interkulturellen Dialog" (FID). Den Anstoß gegeben haben die Kirchengemeinde und der Kirchenkreis Stadtmitte - sie wollten den historischen Petriplatz zwischen Auswärtigem Amt und Fischerinsel für das interreligiöse Experiment nutzen. An dem Ort, der als Berlins Keimzelle im Jahr 1237 gilt, sollen Christen, Muslime und Juden den respektvollen Gedankenaustausch einüben und gleichzeitig - säuberlich getrennt - die eigenen Kulte zelebrieren. Auch ein Zugang zu archäologischen Funden, den Grundmauern der mittelalterlichen Petrikirche sowie der Lateinschule Berlins, ist vorgesehen.
"Wir hoffen, einen großen Teil des Geldes bis Anfang 2016 einsammeln zu können", erklärt Gregor Hohberg den ambitionierten Plan. Die Planungen der Architekten seien bereits jetzt so weit fortgeschritten, dass dann mit dem Bau begonnen werden könne. Das selbst gesteckte Ziel ist freilich hoch, und von den Institutionen, die hinter den Beteiligten stehen, wird es keine finanzielle Förderung geben.
Im Gegensatz zu dem kleinen Verein FID und der Jüdischen Gemeinde, die seit Jahren mit Finanzproblemen kämpft, wäre die evangelische Landeskirche (EKBO) zu einer monetären Unterstützung sicherlich in der Lage. Allerdings, erklärt Hohberg, sei das gar nicht gewollt: "Wir sind eine Basisbewegung, bei der von Anfang an alles paritätisch gelaufen ist. Und wir wollen, dass das so bleibt." Keine Gruppe solle finanzielles Übergewicht gewinnen und mehr Einfluss haben als die anderen.
Für den Fall, dass den Spendern die Puste schon früher ausgeht, hat der Verein bereits einen Plan B: Schon mit 10 Millionen Euro würde er nach eigenen Angaben einen ersten Bauabschnitt realisieren - ein Basisgebäude, das für bestimmte Zwecke bereits nutzbar wäre. Dann könnte in Ruhe weitergesammelt werden. Kommt allerdings noch weniger als dieser Betrag zusammen, sieht die Satzung vor, die Mittel für Projekte aufzuwenden, "die zum gegenseitigen Verständnis der Religionen beitragen".
Welche Rolle spielt Gülen?
Das gegenseitige Verständnis ist der Dreh- und Angelpunkt, wahrscheinlich aber auch die Achillesferse des "House of One". Schon das Standing der Beteiligten ist sehr unterschiedlich: Mit der EKBO, die den Plan nach anfänglicher Skepsis unterstützt und auch bewirbt, hat das Projekt rund 1,3 Millionen protestantische Christen im Rücken. Auch die Berliner Katholiken, von denen vorerst niemand im Boot sitzt, begrüßen nach Angaben des Erzbistums-Sprechers die Idee ausdrücklich.
Dagegen repräsentiert das FID ein sehr überschaubares Segment der zerklüfteten muslimischen Community: sunnitisch und türkischsprachig, sind seine Mitglieder zudem der Bewegung des im US-Exil lebenden türkischen Predigers und Islamgelehrten Fethullah Gülen zuzurechen. Gülen, dessen Anhänger ein internationales Netzwerk an Bildungseinrichtungen aufgebaut haben, firmiert als Ehrenvorsitzender des Vereins.
Die Idealisierung, die seine Anhänger Gülen entgegenbringen, hat bisweilen Züge von Heiligenverehrung. Und auch wenn er sich heute den friedlichen Dialog zwischen den Kulturen auf die Fahnen geschrieben hat, kursieren Texte aus den neunziger Jahren im Internet, in denen er antijüdische Töne anschlägt. Vielleicht erklärt das unter anderem die Zurückhaltung, mit der offenbar ein Teil der Jüdischen Gemeinde dem Religionen-Bündnis gegenübersteht. Auf ihrer Website gibt die Gemeinde bislang keinen Hinweis auf das Projekt.
"Es gab von unserer Seite durchaus Überlegungen, wie wir mit dem Verhältnis des FID zu Gülen umgehen", sagt Maya Zehden, neben Rabbiner Ben-Chorin die zweite jüdische Vertreterin im Vorstand des Bethaus-Vereins. Es gebe aber wenige muslimische Gruppen, die für eine Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde offen seien, und man habe entschieden, die Zusammenarbeit nicht von der Figur des Ehrenvorsitzenden abhängig zu machen. "Es geht um die Zukunft und um den Dialog - und den führen wir mit den Personen, die am Projekt beteiligt sind."
Über Gülens Verhältnis zum Judentum sagt Ercan Karakoyun, langjähriger Geschäftsführer des FID und seit kurzem Vorsitzender der Gülen-nahen Stiftung Dialog und Bildung, der Prediger habe seine frühere Meinung längst revidiert, auch durch viele Kontakte mit jüdischen Vertretern seit den neunziger Jahren. "Sein Bild des Westens, Israels und der USA war das Mainstream-Bild in der Türkei der neunziger Jahre, das durch die kemalistischen Regimes vermittelt wurde", so Karakoyun. Gülen habe heute eine andere Sichtweise, predige diese und setze sich aktiv für die Rechte von Juden und anderen Minderheiten ein.
Im vergangenen Jahr kam es in der Türkei zu einem erbitterten Konflikt zwischen der Gülen-Bewegung und der ebenfalls religiösen Erdogan-Regierung, dessen Partei AKP lange mit dem Prediger an einem Strang gezogen hatte. Pfarrer Hohberg sagt, man habe das natürlich mit Bedauern verfolgt. Davon abgesehen sei das Verhältnis des Berliner FID zur Gülen-Bewegung sowie deren Inhalte eingehend überprüft worden - "dabei war auch unserem muslimischen Partner Klarheit sehr wichtig". Hohbergs Fazit: "Wir konnten nichts finden, was gegen das FID spricht."
Nicht alles ist vereinbar
Aber was spricht überhaupt für ein gemeinsames Haus? Hartmut Zinser, Religionswissenschaftler an der Freien Universität, ist ein wenig skeptisch: Früher schon habe die Eröffnung gemeinsamer Gebetsräume für großes Interesse gesorgt, ihre praktische Bedeutung sei aber marginal geblieben. Letztlich komme es sehr auf die beteiligten Persönlichkeiten und ihr Engagement für die Sache an. Dass es ganz ohne Konflikte abgehen kann, bezweifelt Zinser: "Religionen geben Antworten auf die Frage 'Wie soll ich leben?', und diese Antworten fallen unterschiedlich aus. Im Einzelfall kann man sie nicht vereinbaren." Andererseits könnten die drei Gruppen sich im Alltag relativ leicht aus dem Weg gehen, da ihre regulären Zeremonien auf verschiedene Wochentage fallen.
An Themen dürfte es Gottes Crowd also nicht mangeln. Die Frage ist eher: Redet sie wirklich miteinander?
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