Textilarbeiter:innen in Pakistan: Fortschritte in der Textilbranche
Globale Bekleidungsfirmen und ihre Zulieferer vereinbaren einen besseren Schutz der Beschäftigten in Pakistan. Doch ein Punkt fehlt.
Pakistan ist eines der wichtigen Produktionsländer, die den globalen Textilmarkt versorgen. Der sogenannte Pakistan Accord kommt nun gut zehn Jahre nach dem Brand der Zulieferfabrik Ali Enterprises in Karatschi, bei dem mehr als 250 Arbeiter:innen starben.
„Alle Unternehmen, die in Pakistan Textilien produzieren lassen, sollten diesem Abkommen zügig beitreten“, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Solche Verträge erhalten eine Bedeutung auch durch das deutsche Lieferkettengesetz, das ab 1. Januar 2023 gilt. Sind Unternehmen Mitglied etwa im Pakistan Accord, können sie damit ihre Bemühung um die Einhaltung des Gesetzes belegen.
Über 100 internationale Modemarken und über 500 Textilhersteller in Pakistan nähmen an dem rechtlich verbindlichen Abkommen teil, erklärte die Accord-Organisation mit Hauptsitz in den Niederlanden. Das Branchenblatt Textilwirtschaft schrieb, mit dabei seien unter anderem Aldi, Benetton, C&A, Carrefour, El Corte Ingles, H&M, Hugo Boss, Inditex, Lidl, Otto, Primark und Triumph. Etwa „25 bis 30 Prozent der gesamten Textilexporte Pakistans“ würden augenblicklich erfasst, berichtete Joris Oldenziel, der Direktor der Accord-Stiftung in Amsterdam.
Der Textildiscounter KiK, der wegen des Ali-Enterprises-Brands verklagt worden war, unterzeichnete in der vergangenen Woche zuerst. „Der Accord Pakistan sorgt dafür, dass wir bessere Standards in der Textilproduktion flächendeckend durchsetzen können“, sagte KiK-Chef Patrick Zahn. Die Regierung von Pakistan sowie die internationalen Gewerkschaftsverbände Uni Global und Industriall tragen die Vereinbarung mit. Auch Bürgerrechtsorganisationen wie die Kampagne für Saubere Kleidung unterstützten den Prozess.
Streitpunkt Einkaufspreise
Die unterzeichnenden Firmen wollen zum Beispiel dafür sorgen, dass die Fabrikgebäude nicht einstürzen. Schwere Maschinen müssen im Erdgeschoss und dürfen nicht in den oberen Stockwerken stehen. Die Elektroanlagen und Schaltkästen sind gegen Brände zu schützen. Feuerlöscher und -schläuche, Brandschutztüren und Alarmsysteme sollen die Sicherheit der Beschäftigten gewährleisten. Die internationalen Auftraggeber sollen ihre Einkaufspreise so gestalten, dass die Zulieferer sich den höheren Sicherheitsstandard auch leisten können. In den Verhandlungen waren entsprechende Bedenken der pakistanischen Firmen einer der schwierigen Punkte, die den Abschluss lange verzögerten.
Dass die Unternehmen die Vorgaben einhalten, soll die Accord-Organisation „glaubwürdig“ überprüfen. Bei „unabhängigen“ Inspektionsbesuchen werde der Zustand der Fabriken kontrolliert und Verbesserungen angeordnet. Weigern sich die Zulieferer mehrfach, diese umzusetzen, müssen sie damit rechnen, aus dem Programm verbannt zu werden. Die Auftraggeber müssen dann auch den Kauf dort einstellen.
Die Berichte über die Inspektionen sollen öffentlich sein. Ein Beschwerdemechanismus ermöglicht den Beschäftigten, vertrauliche Hinweise an den Accord zu schicken. Außerdem sollen die Verbesserungen in den Fabriken in Zusammenarbeit mit den Arbeiter:innen stattfinden.
Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung sagte, sie halte den Pakistan Accord für eine „gute Sache“. Allerdings bemängelte sie, dass unter anderem die Lohnfrage nicht einbezogen werde. Viele Beschäftigte in Pakistan erhalten Armutslöhne von beispielsweise 100 Euro pro Kopf und Monat für eine Vollzeittätigkeit. „Wir arbeiten daran, den Accord in Pakistan auf die Löhne und weitere Menschenrechte auszudehnen“, so Patrick Zahn. „Wenn das gelingt, wäre etwa auch Gewalt gegen Frauen erfasst.“ In den kommenden Jahren will man den Accord außerdem nach Indien exportieren.
In Bangladesch gibt es ihn bereits – eine Reaktion auf den Einsturz der Fabrik Rana Plaza 2013 mit mehr als 1.100 Toten. Trotzdem machen einige große Marken noch nicht mit. Deshalb droht die Kampagne dem Ikea-Konzern nun mit einer Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Argument: Ab Januar verstoße das Unternehmen gegen das Lieferkettengesetz, wenn es nicht am Bangladesch-Accord mitwirke. Das Unternehmen erklärte dagegen, sein eigener Menschenrechtsstandard sei gleichwertig.
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