Testpflicht für Einreisende aus China: Kein bisschen Panik in Italien
In Italien müssen Einreisende aus China einen Coronatest vorweisen – dennoc tickt das Land heute anders als 2020. Die EU berät am Mittwoch darüber.
Aufgeschreckt hatte die Regierung in Rom das Ergebnis der Tests, die die Regionalregierung der Lombardei am Vortag bei den Passagieren von zwei in Mailand-Malpensa eingetroffenen Flugzeugen aus China hatte durchführen lassen: Stolze 50 Prozent waren infiziert.
Italien als erstes Land in Europa bei entschlossenen Anticovidmaßnahmen – hatten wir das nicht schon einmal? Ende Januar 2020 traten in Rom die ersten beiden Covid-19-Fälle auf, bei einem älteren chinesischen Ehepaar, das auf Italienreise unterwegs war. Sofort reagierte die damalige Regierung unter dem Ministerpräsidenten Giuseppe Conte, getragen von einer Koalition aus den Fünf Sternen und der gemäßigt linken Partito Democratico. Alle Flugverbindungen von und nach China wurden umgehend eingestellt.
Erst recht aber nahm Italien die europäische Vorreiterrolle ein, als dann am 20. Februar 2020 die Pandemie in Norditalien ausbrach und schnell auch die ersten Toten zu beklagen waren. Europa rieb sich die Augen: Da wurde, fast von einem Tag auf den anderen, ein ganzes Land dicht gemacht. Am 10. März kam der landesweite Lockdown. Und was Italien erlebte, war nicht bloß – wie etwa in Deutschland – eine Kontaktbeschränkung, sondern eine echte Ausgangssperre.
Corona-Regeln unter der Postfaschistin Giorgia Meloni
Jetzt also, nach knapp drei Jahren, ein Déjà-vu? Nicht ganz. Abgesehen von den Pflichttests für aus China Einreisende nämlich geht die Rechtsregierung unter Giorgia Meloni exakt in die entgegengesetzte Richtung. Ausgerechnet zum 1. Januar hat sie so gut wie alle Coronamaßnahmen fast auf null gedreht. Das beginnt bei der Quarantäne für positiv Getestete. Die dauert nur noch fünf Tage, und wer wieder raus will, braucht dafür keinen Negativtest mehr; es reicht, dass er oder sie sich selbst für symptomfrei hält. Auch die Ärzt*innen, die sich der Impfpflicht widersetzt hatten und deshalb ohne Bezahlung vom Dienst suspendiert worden waren, dürfen jetzt wieder, auch ungeimpft, an ihre Arbeitsplätze zurück.
Angesichts der Lockerung der Covid-19-Beschränkungen in China haben einige Experten die Sorge geäußert, dass die Wahrscheinlichkeit einer Mutation des Virus höher wird. Insgesamt 9 Untervarianten von Omikron sind in China im Umlauf. Das Land hat einen Arbeitsplan zur Überwachung der neuen Coronavirusvariantenstämme: drei „Sentinel-Krankenhäuser“ übernehmen die Überwachung, Kontrolle und Behandlung von Epidemien und Infektionskrankheiten in jeder Provinz. Jedes Sentinel-Krankenhaus erfasst jede Woche 15 Proben in Ambulanzen und Notaufnahmen, 10 schwere Fälle und alle tödlichen Fälle für die Genomsequenzierung und –analyse. Peking rückte Anfang Dezember radikal von seiner strengen Null-Covid-Politik ab. Seither hat das Land die meisten Coronabeschränkungen aufgehoben und die Zahl der Corona-Infektionen steigt massiv. Das Ende der Quarantänepflicht für Rückkehrer aus dem Ausland löste einen Ansturm auf Flugtickets aus. (ots, afp)
Popularitätsverluste muss Meloni deshalb nicht befürchten. Denn anders als 2020 herrscht gegenwärtig kein bisschen Panik in Italien, daran haben auch die Meldungen aus China nichts geändert. Zwar sterben weiterhin rund 100 Menschen täglich an oder mit Corona, doch die Lage in den Krankenhäusern, auf den Normal- ebenso wie den Intensivstationen, ist völlig entspannt. Meloni hatte schon im Wahlkampf, im letzten September, immer wieder gegen die Vorgängerregierungen unter Conte und dann unter Mario Draghi polemisiert. Sie warf ihnen „chinesische Methoden“ vor und meinte damit die Lockdowns und Vorschriften wie die 3G-Regeln und Impfpflicht für Medizinisches- und Sicherheitspersonal und für über 50-Jährige sowie die umfassende Maskenpflicht.
Von ihrem weichen Kurs weicht Meloni auch jetzt nicht ab. Selbst die Pflichttests für aus China Einreisende sind eine halb gare Lösung: Wer immer nicht per Direktflug kommt, sondern in einem Drittland umgestiegen ist, wird gar nicht erfasst. Bestätigt fühlen darf sich die Regierungschefin auch von den ersten Sequenzierungen der Tests, die in den letzten Tagen durchgeführt wurden. Vorerst hat sich die Befürchtung nicht bestätigt, aus China könnten neue Varianten hereinschwappen. Durch die Bank wurden bloß die diversen Omikronvarianten festgestellt, die auch jetzt schon in Europa zirkulieren.
Weltweit haben in den letzten Tagen mehrere Länder neue Regeln für Einreisende eingeführt. Am Mittwoch wollen Vertreter der EU-Staaten über eine einheitliche Reaktion auf die Coronaviruswelle in China beraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl