Terroranschlag in New York: Täter radikalisierte sich in den USA
Der Mann, der mit einem Truck acht Menschen tötete, hatte eine Green Card und lebte seit Jahren in den USA. US-Präsident Trump will Visaregeln verschärfen.
Ob Sayfullo Habibullaevic Saipov seine Route so wählte, dass er die symbolträchtigen Wolkenkratzer im Blick hatte? Solche Fragen versuchen die Ermittler noch zu klären. Nach ersten Erkenntnissen habe der aus Usbekistan stammende 29-Jährige den Anschlag, bei dem er mit einem Kleintransporter acht Menschen tötete, mehrere Wochen lang geplant, sagte Polizeisprecher John Miller am Mittwoch. Dabei habe er im Namen der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) gehandelt. Es scheine so, als habe der Mann die Anleitungen der Terrormiliz „fast auf den Punkt genau befolgt“.
Sechs der Opfer des Attentats starben noch am Tatort, zwei Menschen erlagen im Krankenhaus ihren Verletzungen. Mindestens elf Menschen wurden verletzt. Auch ein deutsches Todesopfer gebe es, hatte der Chef der New Yorker Feuerwehr, Daniel Nigro, am Mittwoch zuerst noch mitgeteilt. Später hieß es, es war eine Verwechselung: Bei der Toten handelte es sich um eine Belgierin. Bei den weiteren Todesopfern handelt es sich laut Nigro um fünf Argentinier und zwei US-Amerikaner.
Der Attentäter Saipov liegt derzeit verletzt in einem New Yorker Krankenhaus. Am Dienstagabend wurde er operiert. Während er vom Tatort zu fliehen versuchte, mit zwei Waffenattrappen fuchtelnd, hatte ihn der Polizist Ryan Nash in den Bauch geschossen.
Begonnen hatte der Anschlag am Dienstag um 15.05 Uhr, als Saipov seinen Pick-up vom West Side Highway, im Südwesten Manhattans, auf einen parallel dazu verlaufenden Rad- und Fußgängerweg lenkte. Den Truck hatte der 29-Jährige auf einem Baumarkt der Kette Home Depot gemietet, es ist die preiswerteste Art, in Amerika an einen Lieferwagen zu kommen.
Die Schule war gerade aus
Auf einer Strecke von eineinhalb Kilometern überfuhr oder rammte Saipov Radfahrer, Jogger, Spaziergänger. Auf der Höhe der Chambers Street, fünf Straßenblocks vom World Trade Center entfernt, stieß sein Lieferwagen mit einem Schulbus zusammen. In der Stuyvesant High School, die direkt an dem Radweg liegt, war der Unterricht gerade zu Ende gegangen, Schüler machten sich auf den Heimweg. Als der Fahrer aus seinem zerbeulten Pick-up sprang, soll er „Allahu akbar“ gerufen haben – so zumindest glauben es Umstehende gehört zu haben.
Der 14-jährige Sirus Minovi hielt die chaotische Szene zunächst für einen Scherz. „Wir hörten Leute schreien: ‚Waffe!‘, ‚Schütze!‘, ‚Lauft weg!‘. Wir dachten, es sei ein Halloween-Gag“, schilderte er in der New York Times.
Saipov, sagte Andrew Cuomo, der Gouverneur des Bundesstaats New York, am Mittwoch, sei erst in den USA radikalisiert worden. In der Nähe des gemieteten Pick-up-Trucks sei eine Notiz gefunden worden, die auch eine Referenz zur Terrormiliz IS enthalte.
Sicherheitscheck bei Uber bestanden
2010 war der 29-Jährige aus Taschkent übergesiedelt – als Gewinner einer Lotterie, die Green Cards verlost. Diese Dokumente garantieren einen unbefristeten Aufenthalt in den USA. Des Englischen kaum mächtig, fing Saipov bei einer Spedition in Ohio an. Später verschlug es ihn nach Florida, schließlich zog er nach Paterson, in eine Satellitenstadt am Rande New Yorks. Zuletzt fuhr er für Uber, den Fahrdienstvermittler. Einen Sicherheitscheck habe er problemlos bestanden, lässt das Unternehmen wissen.
Gouverneur Cuomo sowie New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio rieten nach dem Anschlag zur Gelassenheit und nahmen demonstrativ an einem Halloween-Umzug teil. US-Präsident Donald Trump hingegen reagierte mit der Forderung nach einer restriktiveren Einwanderungspolitik. Die Greencard-Lotterie müsse abgeschafft werden, „wir müssen VIEL härter (und schlauer) werden“, schrieb er in einem Tweet. Er wolle stattdessen ein System, das auf den beruflichen Fähigkeiten der Bewerber basiere. „Wir müssen diesen Wahnsinn stoppen“, so Trump.
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