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Terror in Burkina FasoEine ganze Serie von Angriffen

100 Menschen sterben bei einem Überfall auf eine Moschee in Burkina Faso. Die Armee spricht von „Tausenden“ abgewehrten Terroristen.

Miitärpatrouille bei Kriegseflüchtlingen in Dori im Norden von Burkina Faso Foto: Olympia de Maismont/afp

Berlin taz | Burkina Faso hat in den vergangenen Tagen offenbar eine der schwersten Angriffswellen seit Beginn des Krieges islamistischer Rebellengruppen vor über acht Jahren erlebt. „Tausende Terroristen“, vermeldete am Montagmorgen die amtliche Nachrichtenagentur AIB unter Berufung auf Sicherheitskreise, hätten am Vortag „in einer perfekten Synchronisation“ eine Reihe von Stützpunkten der Armee und der Selbstverteidigungsmiliz VDP (Freiwillige zur Verteidigung des Vaterlandes) in unterschiedlichen Landesteilen angegriffen.

Dazu kamen Überfälle auf eine Moschee in Natiaboani im Bezirk Fada N’Gourma im Osten des Landes und auf eine katholische Kirche in Essakane im nördlichen Bezirk Dori. In der Kirche starben nach Angaben der Diözese Dori 15 Menschen, der Angriff sei während der Sonntagsmesse erfolgt, heißt es. Die Zahl der Toten in der Moschee von Natiaboani liegt in unterschiedlichen Berichten zwischen mehreren Dutzend und 100.

In Natiaboani will die Armee am frühen Sonntagmorgen außerdem mit Raketenangriffen einen Überfall von rund 1.000 Bewaffneten auf Motorrädern abgewehrt haben. Angriffe in ähnlicher Größenordnung auf Armeebasen gab es demnach nahezu zeitgleich in Kourpellé außerhalb der Stadt Koungoussi im Norden des Landes, historisch ein Schwerpunkt der Betreuung von Kriegsflüchtlingen durch deutsche Hilfswerke; in Toéssin im Nachbarbezirk Ouahigouya sowie in Tankoualou im Osten des Landes.

Überall will das Militär nach eigenen Angaben kilometerlange Kolonnen fliehender Terroristen auf Motorrädern aus der Luft bombardiert haben. Außerdem wurde bereits am Freitag eine VDP-Basis im Ort Pensa angegriffen.

„Der Sieg ist total“

„Der Sieg ist total und die Rückeroberung dauert an“, vermeldet AIB ohne Scheu vor Widersprüchen. Angaben über Opferzahlen gibt es nicht, aber wenn wirklich an jedem Angriff eine vierstellige Zahl von Angreifern beteiligt war und größtenteils vernichtet wurde, gehen sie in die Tausende. Dazu kommt der hohe Blutzoll insbesondere des Überfalls auf die Moschee von Natiaboani.

Zu den Angriffen von Natioboani, Kourpellé und Touéssin bekannte sich die islamistische Terrorgruppe JNIM (Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime), ursprünglich in Mali entstanden und mittlerweile auch in weiten Gebieten von Burkina Faso aktiv. JNIM rivalisiert in den Staaten der Sahelzone mit dem „Islamischen Staat in der Großen Sahara“. Oft sollen größere Massaker Gebietsansprüche innerhalb dieser Rivalität untermauern.

Größere Massaker haben in Burkina Faso auch immer wieder weitreichende politische Folgen; so sind die beiden Militärputsche des Jahres 2022 auf Terrorangriffe mit besonders vielen getöteten Soldaten zurückzuführen.

Die amtierende Militärregierung von Präsident Ibrahim Traoré, der sich auch deutlich Russland zugewandt hat, setzt auf die Massenrekrutierung von Zivilisten in den kollektiv als VDP bekannten paramilitärischen Einheiten. Kurz nach seinem Putsch Ende September 2022 verkündete Traoré die Rekrutierung von 50.000 neuen VDP-Milizionären.

Sie fühlen sich oft benachteiligt, weil sie schlechter ausgerüstet und bezahlt werden als die Armee, aber in den Dörfern an vorderster Front gegen bewaffnete Islamisten stehen, während die regulären Soldaten kaserniert bleiben.

Das Jahr 2023 war für Burkina Faso das bisher blutigste, mit rund 1.700 bestätigten bewaffneten Angriffen und 8000 Toten nach Angaben der Konfliktbeobachtungsstelle ACLED und 700.000 neuen Binnenflüchtlingen, deren Gesamtzahl jetzt nach UN-Angaben bei 2,1 Millionen liegt. 2024 ist auf dem besten Weg zu einem neuen Rekordjahr.

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