Tempo 30 in der Stadt: Blitzerstreit um Bologna
Italien verzeichnet mehr Verkehrstote als Deutschland. Eine Stadt will mit einem Tempolimit für mehr Sicherheit sorgen. Rechtspopulisten protestieren.
Monatelang hatte Bürgermeister Matteo Lepore von der gemäßigt linken Partito Democratico die Bürger*innen Bolognas auf die Verkehrswende eingestimmt. Eingeführt wurde die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 Prozent der innerstädtischen Straßen schon im Juli letzten Jahres. So richtig ernst ist es aber erst seit dem 16. Januar. Denn nun werden bei Überschreitung des 30-Stundenkilometer-Limits Geldbußen erhoben.
Lepore verweist immer wieder auf die Verkehrstoten. Deren Zahl lag in der Stadt mit ihren 380.000 Einwohnern im Jahr 2022 bei 23, für 2023 bezifferte der Bürgermeister sie auf 30, 12 von ihnen waren Fußgänger*innen. Zum Vergleich: Im nur unwesentlich kleineren deutschen Bochum starben im Jahr 2022 nur 6 Menschen bei Verkehrsunfällen.
Das Problem trifft nicht nur die Hauptstadt der Region Emilia-Romagna, sondern alle italienischen Großstädte. Nicht umsonst kam Italien, bei 59 Millionen Einwohner*innen, im Jahr 2022 auf 3.159 Verkehrstote, während Deutschland (mit 84 Millionen Einwohner*innen) vergleichsweise wenige 2.782 Verkehrsopfer zählte. Vor allem der städtische Raum ist in Italien für Fußgänger*innen und Zweiradfahrer*innen gefährlich.
Bologna hat Rechnung ohne Salvini gemacht
Damit will Lepore sich nicht abfinden. Doch er hatte die Rechnung ohne die Rechtsparteien gemacht, ohne die Lega unter Matteo Salvini und die Partei der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Fratelli d’Italia (FdI). Im Stadtrat des traditionell linken Bologna drücken sie die Oppositionsbänke, zugleich aber stellen sie die nationale Regierung in Rom.
Vor Ort mobilisierte die Rechte vergangene Woche umgehend gegen die Stadtregierung und rief am Freitagabend zu einer Kundgebung vor dem Rathaus auf. Rund 500 Menschen kamen, ausgestattet mit den Fahnen der Lega, der FdI und der Berlusconi-Partei Forza Italia. Zahlreiche Protestierer*innen packten noch eine Schippe drauf und trugen Masken des gerade neu gewählten argentinischen Präsidenten und Hardcore-Rechtspopulisten Javier Gerardo Milei. Zugleich hat die Meloni-Partei FdI begonnen, Unterschriften für ein städtisches Referendum gegen das Tempolimit zu sammeln.
Über diesen vergleichsweise kleinen lokalen Protest allerdings muss sich Bürgermeister Lepore weniger Sorgen machen als über die Breitseite, die am Samstag aus Rom kam. Lega-Chef Salvini, der der Meloni-Regierung als Verkehrsminister angehört, postete zunächst einen Video-Clip, in dem er über Lepore herzog.
Der habe als Begründung für das Tempo-30-Limit genannt, die Menschen in der Stadt sollten endlich wieder Gelegenheit haben, „die Vögelchen singen zu hören“, ätzte Salvini. Damit verbreitete er eine unter den Gegner*innen der Maßnahme beliebte Fake News, denn Lepore hatte immer wieder als Grund für seinen Tempo-30-Vorstoß genannt, er wolle „null Verkehrstote“ in der Stadt.
Salvini will feste Radarfallen verbieten
Gleichzeitig verkündete Salvini, er habe Lepore ins Ministerium „einbestellt“, da mit der neuen Geschwindigkeitsbegrenzung „die Probleme für die Bürger größer sein könnten als der Ertrag für die Verkehrssicherheit“. Deshalb will Salvini jetzt als Verkehrsminister eine Verordnung auf den Weg bringen, die den Kommunen enge Grenzen bei der Einrichtung neuer Tempo-30-Zonen zieht. Zudem soll den Gemeinden verboten werden, in Tempo-30-Zonen feste Radarfallen zu installieren.
Solche Radarfallen gibt es in Bologna gar nicht, bisher wurde nur mobil geblitzt, in bescheidenem Umfang. So wurden am zweiten Tag nach Einführung des Limits in der ganzen Stadt gerade einmal zwei Geldbußen fällig. Doch wenn es nach Salvini geht, könnte auch damit bald wieder Schluss sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei