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Tempo-30 als LärmschutzHamburg dreht leiser

Die Einrichtung von Tempo-30-Zonen sollen den innerstädtischen Lärm in Hamburg verringern. Beim Fluglärm kommen SPD und Grüne nicht auf einen Nenner.

Soll bald häufiger an Hamburgs Straßen stehen: nächtliches Tempo-30-Gebot Foto: dpa/Axel Heimken

Hamburg taz | Es soll nun in großen Schritten weitergehen mit der Lärmreduzierung in Hamburg: Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) stellte am Dienstag die Fortschreibung des städtischen Lärmaktionsplans vor. Vor allem durch die Einführung von weiteren nächtlichen Tempo-30-Zonen auf Hamburgs Straßen sollen lärmgeplagte An­woh­ne­r:in­nen entlastet werden. „Dass wir in der Stadt Lärmprobleme haben, kann niemand überhören“, sagte Kerstan.

Auf 41, teils mehrspurigen und vielbefahrenen Strecken soll künftig die erlaubte Geschwindigkeit in der Nacht reduziert werden. Denn als gesundheitsgefährdend gilt, wo nachts Lärm von mehr als 55 Dezibel herrscht. Durch Tempo-30-Zonen könne dem entgegengewirkt werden. Und die Zahl der Betroffenen durch den Lärm des Straßenverkehrs ist hoch: Tagsüber sind den Berechnungen der Umweltbehörde zufolge 184.000 Ham­bur­ge­r:in­nen Lärm von über 65 Dezibel ausgesetzt, nachts sogar 215.000 von mehr als 55 Dezibel.

Damit sind rund 80.000 Ham­bur­ge­r:in­nen mehr von Lärm betroffen als bislang gedacht: Erstmals hat Hamburg nun ein EU-weit genutztes Erhebungsverfahren angewandt, das Lärmbelästigung großzügiger erfasst als das zuvor genutzte Verfahren.

Mit der Einrichtung der Tempo-30-Zonen soll noch dieses Jahr begonnen werden. Für die Jahre ab 2026 hat die Umweltbehörde einige Dutzend weiterer Straßen in den Blick genommen.

Zoff um nächtlichen Fluglärm

Keine Lösung konnte Kerstan beim nächtlichen Lärm durch Flugzeuge auf dem Hamburger Flughafen vermelden: Im März setzte die Stadt eine Verspätungsregelung aus, nach der Airlines eine zusätzliche Verwaltungsgebühr zahlen mussten, wenn sie wegen einer Verspätung erst nach 23 Uhr starteten oder landeten. In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht war zuvor deutlich geworden, dass es für diese Regelung keine Rechtsgrundlage gibt.

Mit der für den Flughafen zuständigen, SPD-geführten Wirtschaftsbehörde konnte sich Kerstan seither nicht auf eine rechtssichere Folgeregelung einigen. „Angesichts des anstehenden Wahlkampfs wird es in dieser Legislaturperiode nichts mehr“, sagte Kerstan. Ein grundsätzliches Verbot von Starts und Landungen nach 23 Uhr, wie es Kerstan fordert, werde dann wohl ein Fall für die Koalitionsverhandlungen nach der Bürgerschaftswahl im kommenden März.

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6 Kommentare

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  • Wer Stille möchte, sollte nicht in einer Großstadt wohnen.

    • @Regenschauer:

      Ach ja, und wer in der Großstadt wohnt, muss nach 23 h noch Fluglärm ertragen…



      Interessante Einstellung, aber die passt ja in unsere heutige egoistische Zeit.

    • @Regenschauer:

      Vielen Dank für die Empathie und freundliche Anteilnahme.

      Millionen von Menschen die gerne in der Stadt wohnen werden es Ihnen danken.

  • Und ein Tipp an die Redaktion. Der Lärmatlas ist nicht richtig verlinkt! Siehe verlinkter Begriff "Umweltbehörde".

    www.geoportal-hamb...strasse/index.html

  • Schade, dass die taz nicht die Kritik einer Umweltorganisation einholte. Denn laut Lärmatlas ist das Ganze eine einzige Farce.



    Das belegt z. B. die große Ausfallstraße, die vom Hamburger Damtorbahnhof über Grindelallee, Grindelberg, Hoheluftchausee zum Hamburger Norden (Flughafen, Autobahn) führt. Hier gibt es einzelne schwer vom Lärm betroffene Bereiche (rot markiert), an denen für Tausende von Bürgern kein Lärmschutz durch Tempo 30 vorgesehen ist, obwohl in diese Ausfallstraße Straßen münden, die regelrechte Lärmgroßflüsse sind. Besonders an Kreuzungen gibt es keinen Schutz für Anwohner.

    Fazit: Hamburg bleibt auch unter den Grünen LKW- und Autostadt und keine Stadt der Menschen, weil der handzahme Umweltsenator vor der SPD einknickt.



    Hauptsache die Lobby fühlt sich wohl, weshalb auch der Flughafen solange wie möglich offen bleiben soll.



    Dass die Koalition sich nicht einmal auf ein Nachtflugverbot einigen kann, zeigt, dass SPD und CDU in der Verkehrspolitik, die in hohen Maß auch Klimaschutzpolitik ist, austauschbar sind. Wie in der Ampel kann es nur heißen: raus aus dieser nutzlosen Koalition oder Volt und neue Parteien zeigen den Grünen, was politischer Schneid ist.

  • Die Pläne zur nächtlichen Verkehrsberuhigung gehen ja im Prinzip in die richtige Richtung.

    Nur werden sie wenig bringen, wenn auf einer der Hauptstrassen auch nur ein einziger Autoposer mit "abgesägtem Auspuff", eine einzige Harley mit geöffneten Klappen mal eben Vollgas gibt..

    Unsrere Wahrnehmung funktioniert nunmal so, daß wir uns an eine Dauergeräuschkulisse gewöhnen..von einem Extremereignis in Sachen Lärm aber sofort in einen Stressmodus kommen.

    Wieviel bringt es also, wenn sich 10.000 Fahrer an das Limit halten..aber ein einziger "Krawall Pilot" mal eben 10.000 Leute aus dem Schlaf reißt.?

    Mindestens genau so wichtig wie diese Lärmschutzpläne, wäre also eine effektive Kontrolle der absichtsvollen Lärmverursacher..z.B. durch *Lärmblitzer* oder sonstige Maßnahmen.

    Aber leider ist in dieser Hinsicht von politischer Seite noch kein ausreichendes Bewusstsein erkennbar...