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Tempelhofer FeldEntscheid schützt nicht vor Bänken

Die Initiative wirbt mit „100% Tempelhofer Feld“, doch auch Gastronomie, Sportanlagen und Bäume werden erlaubt sein. Eine Umfrage sieht die Initiative vorn.

Tilmann Heuser vom BUND zeigt, was er für eine Bank hält Bild: dpa

BERLIN taz | Freitagmorgens halb zehn auf dem Tempelhofer Feld: Bei strahlendem Sonnenschein drehen vereinzelte Jogger und Radfahrer ihre Runden, es ist unwirklich ruhig. Am Eingang Columbiadamm knallt dagegen ein Sektkorken. Der Piraten-Abgeordnete Simon Kowalewski will anstoßen mit den anderen Befürwortern der Initiative 100 % Tempelhofer Feld, die auf Einladung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (Bund) zu einer Radtour über den ehemaligen Flughafen zusammengekommen sind.

Die gelöste Stimmung ist den Ergebnissen einer am Donnerstagabend veröffentlichten Infratest-Umfrage geschuldet. Demnach sprechen sich 54 Prozent der Berliner gegen eine Randbebauung aus, fünf Prozent mehr als bei der letzten Infratest-Erhebung ein Jahr zuvor. Die Pläne des Senats unterstützen dagegen laut der Umfrage lediglich noch 39 Prozent.

Die Umweltschützer und anwesenden Vertreter der drei Oppositionsparteien wollen an diesem Vormittag vor allem einer verbreiteten Annahme entgegenwirken. „Dass bei unserem Sieg keine Veränderungen auf dem Feld mehr möglich seien, trifft nicht zu“, sagt etwa Tilmann Heuser, Geschäftsführer des Berliner Bund. Der Gesetzentwurf der Freiflächen-Befürworter sehe zwar vor, auf dem zentralen Wiesenmeer keine dauerhaften baulichen Veränderungen zuzulassen. 200 Hektar sollen so geschützt werden. Doch am Rande der Wiesen sei eine Park-Infrastruktur möglich. Auf rund 100 Hektar könnten Gastronomie, Sportanlagen, Toiletten und Baumbepflanzung entstehen.

Vor allem die SPD argumentiert, ein Erfolg der Initiative würde „Stillstand“ für das Feld bedeuten. Dass dieser Eindruck falsch sei, versuchten Heuser und seine Mitstreiter auch mit dem Verweis auf kleinste Details darzulegen, etwa darauf, dass die Aufstellung mobiler Bänke oder Fußballtore auch auf den Wiesen möglich sein wird.

taz-Diskussion

"Wohnen oder Leben? Die Zukunft des Tempelhofer Feldes": Darüber diskutieren am kommenden Mittwoch, 21. Mai im taz-Café Michael Müller (SPD), Senator für Stadtentwicklung, Daniel Wesener, Vorsitzender der Berliner Grünen, Michael Schneidewind, Vorstand der Initiative 100 % Tempelhof, und Ingo Malter, Geschäftsführer Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land. Rudi-Dutschke-Str. 23, Beginn 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Betroffene ohne Wahl

Für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der am Freitag in der taz erklärt hatte, dass der Volksentscheid nicht seine persönliche Zukunft betreffe, scheint die Situation dennoch heikel. Nicht nur, dass laut der Infratest-Umfrage 71 Prozent der Berliner mit seiner Arbeit unzufrieden sind, auch in Sachen Volksentscheid steht nur die Hälfte der SPD-Wähler hinter den Plänen der Partei. Auf dem SPD-Landesparteitag an diesem Samstag will Wowereit den Antrag zum Thema Tempelhof selbst einbringen.

Unterdessen kritisiert das Bündnis „Wahlrecht für alle“, dass fast eine halbe Million Berliner ohne deutschen Pass von der Abstimmung ausgeschlossen sind. Zu dem Bündnis gehören neben zahlreichen Migranten-Vereinen auch die Gewerkschaften Ver.di und IG Metall sowie der Verein Mehr Demokratie und der Humanistische Verband.

Allein in den angrenzenden Bezirken Tempelhof, Kreuzberg und Neukölln seien 160.000 Menschen betroffen. Beispielsweise hätten viele der Bewohner des Schillerkiezes Angst vor dem Aufwertungsdruck, der durch die geplanten Baumaßnahmen entlang der Oderstraße entstünde, und würden liebend gern zur Wahl gehen, sagte Bündnisvertreterin Bahar Sanli. Auf die Problematik aufmerksam machen will das Bündnis am 24. Mai, unter anderem mit einer einer Demonstration über das Feld und mit einem Wahllokal, das niemanden ausschließt.

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6 Kommentare

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  • Ach, so. Viel Erfolg für die Bürgerinitiative im taz-Café am 21. Mai 2014.

     

    Meinen Standpunkt habe ich gepostet. Das genügt. Muß mich ja nicht wiederholen und andere eventuell nerven.

     

    Ich habe eine Karte und gehe ins Gorki-Theater zum Thema "Vierte Gewalt".

  • Warum habe ich dann doch meine Meinung und mein Abstimmungsverhalten geändert?

     

    Weil ich mich gut an die großen Berliner Bauskandale erinnere und die (Geld)Macht der potentiellen Investoren.

     

    Weil ich in History und Future blicke und erinnere.

     

    Weil ich den wunderschönen "Central Park" in Manhattan kenne, an dem rund herum sehr hochpreisige Wohnungen und Luxuswohnungen letztendlich gebaut wurden. Sehr schön, aber! Nichts für die "Lower Class" und "Middle Class", eben letzendlich für die "Upper Class", denen ich das natürlich gönne und nicht neidisch bin. Siehe auch Wohnung von John Lennon und Yoko Ono im "Dakota House" in der Park Avenue.

     

    Weil der einzigartige "Zentralflughafen Tempelhof" zum Europa-Kulturerbe erklärt und von der EU und dem Bund gepflegt, gefördert und finanziert werden sollte, nicht mehr vom Berliner Senat.

     

    Weil das "Berliner Schloß" viel, viel teurer ist und absehbar sein wird.

  • Unabhängig von der pfiffigen Demo am 23. Mai 2014 auf dem Feld, kann Infratest ja noch einmal eine Umfrage starten unter all den Berlinern, die kein Abstimmungsrecht wg. ihrer unterschiedlichen Wurzeln haben. Dafür ist noch eine Woche Zeit.

     

    Vergleichbar mit Abstimmungen bei "Ossis" und "Wessis".

     

    Diese Berliner mit unterschiedlichen, ausländischen Wurzeln sind natürlich auch a l l e Berliner!

  • Mich hat eine ältere Kiez-Bewohnerin mit türkischen Wurzeln gefragt, die mit mir grübelnd vor einem Plakat "100 % Tempelhofer Feld" stand, wie ich denn abstimmen werde. Ich antwortete, daß ich mir inzwischen die wesentlichen Aussagen in der Wahl-Broschüre genau durchgelesen hätte und meine Meinung jetzt geändert hätte. Ich stimme jetzt mit "Ja!" für "100 % Tempelhofer Feld", nämlich die Bürgerinitiave. Sie nickte freundlich und ich auch. Zu einer weiteren Diskussion hatten wir keine Zeit.

     

    Keine Ahnung, ob sie das Abstimmrecht hat oder nicht.

     

    Damit kommt noch eine Stimme zu den 54 % der Infratest-Umfrage hinzu. Meine.

  • Es ist ja richtig, dass der Entscheid nicht vor Bänken schützt. Die dürfen im Gesetzesentwurf von 100% Tempelhof im äußeren Wiesenring aufgestellt werden, also z.b. an der lauten Autobahn, genauso wie dort dann kuschelige Schattenplätze entstehen dürfen...

    Aber dort wo Herr Häuser auf Ihrem Foto sitzt, im zentralen Wiesenbereich, also auf einer Fläche so groß wie der Große Tiergarten, ist nicht eine einzige Bank erlaubt und auch kein einziger Baum! Übrigens auch keine Fußballtore... Kein Kinderspielplatz

    Gegen eine Bebauung zu sein ist das eine, aber angesichts der demographischen Entwicklung und des Klimawandels so ein rigides Gesetz zu entwerfen?

    Feldlerche und Windsportler über alles?

    .. übrigens stimmt man auch darüber ab, ob der Friedhof am Columbiadamm erweitert werden darf. Das ist aber der einzige innerstädtische Friedhof, auf dem muslimische Bestattungen möglich sind - und der hat noch Platz bis ca. Ende des Jahres.

    Aber das macht ja nichts, in Gatow ist schließlich noch genug Platz......

    • @Gritt Körner:

      Das worauf Tilman Heuser da sitzt ist eine mobile Bank. Und mit dem muslimischen Friedhof stimmt so nicht. Es hat einen Konsens gegeben mit der türkischen Gemeinde einen der vielen aufgegebenen evangelischen Friedhöfe an der Hermannstr. zu übernehmen. Eine Woche später ist der Senat da zwischen gegrätscht und hat darauf bestanden, dass die Fläche (jetzt Base- und Softball) am Columbia Damm Muslimischer Friedhof werden soll. Beim Tempelhofer Feld geht es anscheinend um ganz andere Dinge als die der sozialen, kulturellen und ökologischen Vernunft. Schon eher: das Tempelhofer Feld als Selbstbedienungsladen von potenten Finanzgruppen. Da kommt die reichste Gemeinde Europas dem Pleite-Senat gerade recht und viele Stimmen gegen den Volksentscheid bringt das auch..Das die Muslime damit zum Spielball von Machtgruppen werden ist ihnen anscheinend nicht bewusst. Dem Senat schon. Denn der ist auf Krawall gebürstet, um die Bevölkerung vom Feld aussperren zu können – dem Marktwert und Anlagedruck zu Liebe...Ob die Rechnung aufgeht wird sich am 25. Mai zeigen.