Telefonnummern im Onlinehandel: Chatbot statt Warteschleife
Händler müssen im Netz keine Telefonnummer für den Kundenkontakt angeben. Aber: Mit seinem Urteil stellt das europäische Gericht andere Anforderungen.
Der neue Drucker ist so gut wie bestellt, da wäre nur noch eine kleine Frage an den Händler, und dann das: Es gibt keine Telefonnummer, um das Anliegen kurz zu klären. Nur ein Kontaktformular und ein Angebot zum Chat. Darf der das? Ja, hat am Mittwoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.
Demnach muss ein Händler zwar ein Kommunikationsmittel bereitstellen, über das potenzielle Kund:innen mit ihm „schnell in Kontakt treten und effizient kommunizieren“ können. Doch das könnte genauso gut ein Chat, ein Kontaktformular oder ein Rückrufservice sein statt einer Telefonnummer.
Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), und zwar gegen Amazon. Der Verband argumentierte: Händler seien dazu verpflichtet, vor Vertragsabschluss über die Kontaktmöglichkeiten zu informieren. Dazu gehöre nach deutschem Recht eine Telefonnummer, „gegebenenfalls“ auch eine Faxnummer und E-Mail-Adresse.
Eine Telefonnummer sei aber bei Amazon nur nach mehreren Klicks auf diverse Unterseiten zu finden. Das reicht doch nicht, fand der Verband und ging vor Gericht.
Die Kläger sprechen dennoch von einem Erfolg
Der Bundesgerichtshof (BGH) legte den Fall dem EuGH vor – und die Richter:innen gaben nun dem Onlinehändler recht. Ein Unternehmen müsse für die Kundenkommunikation nicht extra eine Kontaktmöglichkeit per Telefon, Fax oder E-Mail einrichten. Die EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher stehe einer entsprechenden nationalen Regelung in Deutschland entgegen.
Den Richter:innen ging es dabei um eine Abwägung: Verbraucherschutz auf der einen Seite, Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf der anderen. Eine Verpflichtung zum Einrichten eines speziellen Kontaktweges sei „unverhältnismäßig“. Der Fall ist damit noch nicht abschließend entschieden: Er geht nun zurück zum BGH, der dann prüfen muss, ob Amazon die Vorgaben des EuGH einhält.
„Der Griff zum Telefon ist eine sehr einfache, direkte Möglichkeit“, begründet Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim vzbv, warum der Verband eine Telefonnummer grundsätzlich wichtig findet. Auch wenn das Gericht der Argumentation der Verbraucherschützer nicht gefolgt ist – Dünkel bewertet es als Erfolg, dass die Richter:innen einen schnellen und effizienten Kommunikationsweg fordern. Das seien Vorgaben, auf die man sich gegebenenfalls in anderen Fällen berufen könne.
Wolfgang Wentzel vom Bundesverband Onlinehandel rechnet trotzdem nicht damit, dass nun reihenweise Anbieter die Telefonnummer von ihren Seiten löschen.
Denn auch wenn der EuGH eine spezielle Nummer zum Kundenkontakt nicht für notwendig hält – im Impressum und in der Widerrufsbelehrung müssten weiterhin Telefonnummern angegeben werden. „Und wenn das Impressum ordentlich ist, ist das ja für Kunden auch ein Qualitätskriterium.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann