Teilgeräumtes Berliner Hausprojekt: Mitte-Apartment mit Außenklo
Nach der Räumung von zwei Zimmern wehren sich die Bewohner gegen den Hauseigentümer. Sie wollen klagen – und keine neuen Mieter.

Zwei Tage nach den Ereignissen, denen am Montagabend eine Spontandemonstration mit 500 Teilnehmern folgte, sitzen fünf der verbliebenen Bewohner auf Bierbänken vor dem sanierungsbedürftigen, mit Parolen und Bannern geschmückten Haus in schicker Mitte-Umgebung. Sie haben den Schock noch nicht verarbeitet, sind übermüdet. Weder sie, noch ihr Anwalt hatten im Vorfeld einen Hinweis auf die bevorstehende Räumung des Privat- und eines Gemeinschaftsraumes erhalten.
Nun erklären sie den Hintergrund des ersten Polizeieinsatzes in der 26-jährigen Geschichte des Projektes. Willi, ein schlanker Mann mit orangefarbenen Haaren, sagt, die Mietverträge für die betroffenen Räume hätten bis vor drei Jahren bei zwei ehemaligen Bewohnern gelegen. „Die haben sich vom Eigentümer de facto herauskaufen lassen, um sich aus der Verantwortung zu ziehen.“ Erklärend fügt Willi hinzu: „Deren Lebenskonzepte haben sich geändert.“ Einer sei jetzt Unternehmer und habe ein Haus am Stadtrand.
Nun wollen die etwa 15 Bewohner klagen, denn die Hausbesitzer, zwei Berliner Unternehmer, haben all die Jahre die Mietzahlungen entgegengenommen, auch für den laufenden Monat. „Wir sind der Meinung, dass es dadurch Nachfolgemietverträge gibt“, so Willi.
Die Eigentümer hatten dagegen anscheinend schon am Dienstag versucht, Nachmieter in die Zimmer zu setzen. Zwei Stunden nach der Räumung seien „zwei Leute, die das Mitte-Apartment besichtigen wollten“ vor dem Haus aufgetaucht, sagt Willi. Bei dem Apartment handelt es sich allerdings um eine große WG, ohne abgeschlossene Wohnungen, mit Gemeinschaftsküche und Außenklos im Treppenhaus.
Vorerst habe Hausbesitzer Bernd-Ullrich Lippert angekündigt, auf weitere Wohnungsbesichtigungen zu verzichten, „er ist aber der Meinung, dass wir uns mit der Zeit schon beruhigen und damit abfinden werden“, so Willi. Für die Bewohner ist das keine Option. Sie wollen weiter selbstbestimmt leben, sich der Entwicklung des Viertels widersetzen. „Linie, Linie, Anarchie / Nicht noch eine Galerie“, skandierten sie auf der Demo am Dienstag.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!