Teenie-T-Rex oder neue Dino-Art?: Roarrr!
Über keinen Dinosaurier gibt es so viele Studien wie über den Tyrannosaurus Rex. Doch in einigen Punkten sind sich Forscher*innen nicht einig.
Zugegeben, der Tyrannosaurus Rex war schon ein gefährlicher Raubsaurier. Aber rechtfertigt das wirklich so viel Aufmerksamkeit? Der vermeintliche König der schrecklichen Echsen lebte nur zwei Millionen Jahre lang, ehe ein gewaltiger Felsbrocken seine Herrschaft vor 66 Millionen Jahren beendete.
Vor ihm gab es bereits andere große Raubsaurier wie den Allosaurus, der vor 150 Millionen Jahren Jagd auf Stegosaurier und riesige Langhalssaurier machte. Mit einer Länge bis zu 9 Metern war er kaum kleiner als der Tyrannosaurus, trotzdem steht er vollends in seinem Schatten. Ähnlich geht es dem Giganotosaurus, der vor 100 Millionen Jahren in Argentinien auftauchte und eine Länge von 13 Metern erreichte, sowie dem in der Sahara entdeckten Spinosaurus mit seinem beeindruckenden Rückensegel.
Fragt man Kinder allerdings nach ihren Lieblingssauriern, landen diese Raubsaurier nur selten ganz vorne im Favoriten-Ranking. Auch unter Paläontolog:innen scheint es besonders viele T-Rex-Fans zu geben. „Zu keinem Dinosaurier gibt es mehr Studien und kein Saurier bekommt mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit“, sagt Martin Sander von der Uni Bonn. Deshalb komme auch kaum eine paläontologische Pressemeldung ohne T-Rex-Vergleich aus, egal ob es nun um versteinerte Muscheln oder neu entdeckte Pflanzenfresser gehe.
Wie ernährte er sich?
Etwa 40 Skelette des T-Rex wurden gefunden und auf alles Erdenkliche hin untersucht. So interessieren sich Forschende für seine kurzen Arme. Obwohl sie kräftig waren, ist man sich uneinig, ob sie beim Fressen oder Kämpfen eine Rolle spielten. Einige Paläontolog:innen glauben, dass die Arme im Laufe der Zeit kürzer wurden, um Verletzungen zu vermeiden. Wenn mehrere Raubsaurier gleichzeitig an einem erlegten Triceratops fraßen, könnten zu lange Arme schnell zwischen die Zähne der anderen geraten sein.
Auch die Ernährungsweise des Raubsauriers wird immer wieder diskutiert. Jagte der T-Rex seine Beute oder ernährte er sich hauptsächlich von Aas? Die Wahrheit liegt vermutlich dazwischen. Doch damit nicht genug: Sogar die Lippen des Raubsauriers wurden schon zum Forschungsobjekt. Anders als in Filmen zeigte der Fleischfresser sein Lächeln mit den bananengroßen Zähnen vermutlich nicht so offensiv. Stattdessen bedeckten schuppige Lippen sein scharfes Gebiss, und nur die Zahnspitzen schauten hervor, ähnlich wie beim heutigen Waran.
All diese Studien sorgen sicher für Schlagzeilen und werden bevorzugt in den renommierten Forschungsjournalen publiziert. So wurde 2020 eine Studie veröffentlicht, die alle gefundenen T-Rex-Skelette in drei neue Arten einteilte: den Tyrannosaurus rex, den größeren Tyrannosaurus imperator und die kleinere Art Tyrannosaurus regina. Diese Theorie stieß jedoch schnell auf großen Widerstand in der Fachwelt. Die Kritik: Die Unterschiede in Größe und Form der T-Rex-Knochen seien zu gering, um daraus neue Arten abzuleiten. Die Theorie der drei Arten wurde daher schnell verworfen.
Auf wissenschaftlich solideren Füßen steht eine andere Studie aus dem Januar 2024. Sie untersuchte 1942 gefundene, versteinerte Überreste, die bisher einem heranwachsenden T-Rex zugeschrieben wurden. Die Forscher Nicholas Longrich von der University of Bath und Evan Saitta von der University of Chicago kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesen Knochen um die Überreste eines kleineren, entfernten Verwandten handelt, des Nanotyrannus lancensis. Dieser war zwar mit fünf Metern deutlich kleiner als der T-Rex, dafür aber schneller und hatte längere Arme.
Neu ist diese Idee nicht: Der Nanotyrannus wurde bereits 1988 beschrieben. Die Studie liefert allerdings weitere Hinweise. Die Forscher untersuchten unter anderem die Wachstumsringe in den versteinerten Knochen. Dabei stellten sie fest, dass es sich um ein ausgewachsenes Tier handeln könnte und nicht um ein heranwachsendes Jungtier. Außerdem verglichen sie die Knochen und den Schädel mit denen eines jungen Tyrannosaurus, der noch unbeschrieben in einer Museumskiste lag. Dabei zeigten sich laut der Studienautoren deutliche Unterschiede. Longrich und Saitta sind daher überzeugt, dass vor 68 Millionen Jahren nicht nur der Tyrannosaurus durch Nordamerika streifte.
Oliver Rauhut, Paläontologe
Für Laien mag die Erkenntnis, dass es möglicherweise noch eine andere Art von Raubsauriern gab, nicht besonders spektakulär klingen. In der Paläontologie entfacht die Studie jedoch erneut eine alte Debatte. „Eine andere, gängige Theorie besagt, dass auch die heranwachsenden Tyrannosaurier eigene ökologische Nischen füllten. Für kleinere und größere Raubsaurierarten wäre dabei kein Platz mehr. Das ergibt durchaus Sinn, ist aber ziemlich ungewöhnlich für ein komplexes Ökosystem“, erklärt Sander. Die neue Studie hält der Paläontologe allerdings für stichhaltig. Nanotyrannus ist aus seiner Sicht eine eigene Art. Um die Diskussion aber endgültig zu klären, sind weitere Fossilienfunde sowohl von Nanotyrannus als auch von jungen Tyrannosauriern erforderlich.
Schwierige Artdefinition
Leider sind Jungtiere von Dinosauriern äußerst selten zu finden, da ihre Knochen weicher sind und schneller zerfallen. Die beiden Studienautoren betonen in ihrem Fazit, dass trotz intensiver Forschung und dem ikonischen Status des Tyrannosaurus Rex noch viele Fragen offen bleiben und wir nur sehr wenig über die wahre Artenvielfalt der Dinosaurier wissen.
„Wir müssen uns ständig die Frage stellen, ob versteinerte Knochen wirklich zu einer neuen Dinosaurierart gehören oder ob sie nur verschiedene Variationen oder Altersstufen zeigen“, sagt Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie. So gibt es regelmäßig Diskussionen darüber, ob bestimmte Dinosaurierarten tatsächlich eigenständige Arten sind.
Im Jahr 2010 wurde zum Beispiel der ebenfalls beliebte Triceratops zu einer jugendlichen Variante des Torosaurus gemacht. Eine Theorie, die inzwischen widerlegt wurde. Auch der Pachycephalosaurus, ein zweibeiniger Pflanzenfresser mit einer dicken Schädelplatte, hatte möglicherweise weniger Verwandte als bisher angenommen. US-Forscher erklärten 2009 seine Cousins Stygimoloch und Dracorex zu jungen Varianten des Pachycephalosaurus. Eine spannende Randnotiz in ihrer Studie: Ein Drittel aller benannten Dinosaurierarten könnten solche Fehlzuordnungen sein und in Wirklichkeit verschiedene Entwicklungsstadien bereits bekannter Arten darstellen.
„Wir stehen vor zwei großen Herausforderungen. Eine Artdefinition, die schon bei heute lebenden Tieren nicht eindeutig ist, und die Limitierung auf Knochen. So fällt eine genetische Unterscheidung im Falle von Dinosauriern genauso weg wie die Frage nach der Fähigkeit zur Fortpflanzung“, erklärt Rauhut. Unterschiede in Farben oder auffälligen Hautstrukturen sind nur bei wenigen Fossilien bekannt. Selbst Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Dinosauriern auszumachen, gelingt den Forschern äußerst selten. Und so haben die mit viel Ego und Ideologie geführten Diskussionen um Tyrannosaurus-Arten doch immerhin ein Gutes: Sie zeigen der Öffentlichkeit, wie limitiert unsere Vorstellung der wahren Artenvielfalt während der 165 Millionen Jahre währenden Herrschaft der Saurier wirklich ist.
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