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Tech-Milliardäre in den USAWie koloniale Kompanien

Gastkommentar von Joël Glasman

Die US-Technologiekonzerne erinnern an das Zeitalter des Imperialismus. Es geht nicht nur um Profite, sondern um Infrastruktur, Mobilität und Politik.

Big Tech Player wie Elon Musk übernehmen die Kontrolle Foto: Lisi Niesner/reuters

U nternehmer wie Elon Musk, Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Sundar Pichai oder Peter Thiel verkörpern die neue Macht der Big Tech. Sie üben eine wirtschaftliche und politische Dominanz aus, die weit über die üblichen Industriekapitäne hinausgeht. „Plattformkapitalisten“, „Techmogule“ oder „Broligarchen“ werden sie bisweilen genannt.

Immer mehr Autoren setzen auf einen uralten Begriff: koloniale Kompanien. Unternehmen wie Tesla, Meta, Amazon, Alphabet oder Paypal ähneln immer mehr den großen kolonialen Konzessionsgesellschaften, die zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert die Geschichte des europäischen Imperialismus geprägt haben.

Bild: privat
Joël Glasman

ist Historiker und Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Bayreuth.

Wie die Niederländische Westindien-Kompanie in der Karibik, die Britische Ostindien-Kompanie in Indien oder belgische Konzessionsgesellschaften in Afrika, verhalten sie sich nicht wie gewöhnliche Privatunternehmen, sondern eher wie Staaten. Sie üben die Kontrolle über immer größere Bevölkerungsgruppen aus, prägen deren Bewegungen, Kommunikation und Alltag. Sie teilen rassistische Weltvorstellungen und streben nach absoluter Macht.

Wie Kolonialgouverneure herrschen Big-Tech-Führungskräfte über ihre Unternehmen. Musk und seine Freunde machen keinen Hehl daraus, dass sie sich nicht als gewöhnliche Industrielle verstehen. Gewiss, Unternehmen sind selten rein demokratische Instanzen, aber es gibt Checks and Balances. In den meisten Großunternehmen ist die Macht zwischen Aktionären und Vorstand aufgeteilt. Nicht so bei Meta. Die Aktionärsstruktur räumt dem Gründer und CEO der Firma eine Mehrheit der Stimmen ein.

Gewerkschaften unerwünscht

In den meisten Großunternehmen wird den Gewerkschaften eine gewisse Legitimität eingeräumt. Nicht so bei Amazon. 30 Jahre lang hat sich Bezos strikt gegen die Gründung von Gewerkschaften in Amazon-Lagerhallen positioniert. In den meisten Unternehmen pflegt man – zumindest pro forma – eine demokratische Sprache. Man nennt sich „Präsident“, „Geschäftsführer“ oder „Vorstandsvorsitzender“. Nicht so bei Musk, der sich ganz ohne Ironie als „Technoking of Tesla“ bezeichnen läßt.

Sein Finanzchef trägt den Titel „Master of Coin“. Wenn Sie das an den Schatzmeister des Königs in Game of Thrones erinnert, ist es kein Zufall. Dabei übernehmen diese Privatunternehmen zunehmend staatliche Aufgaben. Es geht lange nicht mehr um Wirtschaft und Profit. Es geht um Infrastruktur, Mobilität und Politik. Durch die Satelliten von StarLink kann Musk entscheiden, ob riesige Territorien in Konfliktgebieten Zugang zum Internet bekommen oder nicht.

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Es geht dabei nicht nur um das Schicksal von einzelnen Personen, sondern um die Funktionsfähigkeit von Schulen, Krankenhäusern und Armeen. Die Daten, die von Alphabet oder Amazon verwendet werden, sind für soziale Dienstleistungen und wirtschaftliche Aktivitäten von strategischer Relevanz. Zuckerberg gibt selbst zu: „In vielerlei Hinsicht gleicht Facebook eher einer Regierung als einem traditionellen Unternehmen.“

Ein Handvoll großer Datenunternehmen konzentriert einen so großen Teil des Internetverkehrs auf sich, dass sie Wahlen und politische Debatten beeinflussen. Fairen und freien Wettbewerb gibt es in der digitalen Welt nicht. Durch Netzwerkeffekte und geschlossene Standards haben einige wenige Digitalkonzerne den freien Wettbewerb im Internet abgeschafft. Dies erinnert an die Zeit, als eine Handvoll kolonialer Unternehmen ein Quasi-Monopol auf die überseeische Kommunikation hatten.

Das Recht der Stärkeren

Früher musste man Handelsrouten und Häfen kontrollieren, heute reicht ein Monopol über Datenflüsse und Server. Monopolmissbrauch ist wieder eine erfolgreiche Strategie. Sogar souveräne Rechte wie das Recht zur Münzprägung werden zunehmend angefochten. Cryptocurrency wie Dogecoin wird aufgewertet – just wie die Britische Indien-Kompanie, die im 17. Jahrhundert das Recht erhielt, im Namen des britischen Königs Münzen zu prägen.

Auch die physische Kontrolle über Territorialgebiete ist nicht mehr ausgeschlossen. In Mountain View, Willow Village or Snailbrook entstehen kleine Städtchen mit Büroräumen und Wohnhäusern, Restaurants, Kaffees, Kinos, Krankenhäusern und Tennisplätzen – alles unter Überwachung des Unternehmens und der Privatsicherheitskräfte.

Wie die alten Kolonialgesellschaften setzen auch die digitalen Konzerne auf Propaganda. Für Inhalte wird keine Verantwortung übernommen – selbst für strafbare Aussagen. Ein koloniales Weltbild wird fortgeschrieben. Die Daten, mit denen KI-Modelle trainiert werden, stammen überproportional oft aus dem Globalen Norden und verzerren damit den Blick auf den Globalen Süden. Zudem ist allgemein bekannt, dass Gesichtserkennungsalgorithmen Schwierigkeiten haben, nicht-weiße Menschen zu identifizieren.

KI-basierte Sprachmodelle sind für die meisten afrikanischen Sprachen blind. Mehr noch: Kolonialismus wird gepriesen. Musk verharmloste das britische Empire auf X. Thiel bezeichnete das Apartheidregime, in dem er aufgewachsen ist, als „ökonomisch sinnvoll“. Immer wieder setzen die Techbros auf das Recht des Stärkeren und auf angeblich „natürliche“ Hierarchien. Der Begriff der kolonialen Kompanien deckt sicherlich nicht alle Aspekte der Big-Tech-Unternehmen ab.

Staatliche Regulierung jetzt

Aber diese Metapher kann vielleicht den Weg aufzeichnen, wohin die Reise gehen könnte. Für die Kolonialgesellschaften begann die Geschichte mit Expansion und Gewalt. Sie endete mit Widerstand und schließlich mit der Übernahme durch den Staat. Nach dem Aufstand gegen die Britische Ostindien-Kompanie 1857 wurde die Kolonialgesellschaft aufgelöst. Nach den Gewalt­exzessen der Handelskompanien im Kongo übernahm 1908 der belgische Staat die Verantwortung.

Interner Widerstand und internationaler Druck führten schließlich zur nächsten Phase: der staatlichen Regulierung. Diesmal sollte es schneller gehen. Am besten noch, bevor sich ein neuer Kolonialismus etabliert.

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6 Kommentare

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  • Ich arbeitete mal in einem internationalen Konzern, in dem es hieß, die Konzernoberen, also die allerobersten Bereichsvorstände würden intern nur noch "Die Götter" genannt. Britenpremier Gordon Brown zwangsfusionierte dann den Finanzkonzern mit einem anderen, und statt Götterhimmel war wieder ernüchternd irdische Neoliberalität, sprich Arbeitsplatzabbau, also waschecht Labour-Politik in Blair-Tradition. Es war politisches Kalkül, in Zeiten der Bankenkrise, da konnte ein schwacher Politiker so vortäuschen, eine weitere Bank zu retten, um den starken Mann zu markieren wie es der deutsche Vizeregierungschef Steinbrück seinerzeit im Dutzend billiger praktizierte, aber "großzügig" mit zig "Rettungsmilliarden" aus Steuergroschen statt britisch geizig mittels Bankenzwangsfusion und hinterher gerufen "seht zu wie ihr miteinander klar kommt". Mindestens eine der Banken in dem Konzern hatte übrigens schon seit Jahrhunderten das Privileg, britische Banknoten zu drucken. Diese Fusion war wahrscheinlich der größte Nonsense, aber zeigt, dass Politik auch Blütenträume in Götterhimmel entschwebter Konzerne zerschlagen kann, wenn nur ein Machtwort fakten-unbasiert im Geist der Zeit gesprochen wird.

  • Herr Glasman sollte wissen, dass sich Staaten, ihre int’l Organisationen und int’l operierende Unternehmen trotz des offiziellen Ende des Kolonialismus weltweit weiterhin mit imperialer Attitüde an den Ressourcen der Welt bedienen. Sie nutzen Schwächen ihrer Opfer und rechtliche Grauzonen ohne Zögern aus, um sich Zugriff auf Land, billige Arbeitskräfte und andere Ressourcen zu sichern. Dabei arbeiten private Investoren und staatliche Institutionen oft Hand in Hand, verkaufen das Ganze dann teilweise noch als Entwicklungshilfe, Einkommen schaffende Maßnahme oder Klimaschutz. Zahlreiche Übergriffe sind dokumentiert, die Vorgehensweisen mehrfach beschrieben und theoretisch aufgearbeitet worden. Das passiert nicht nur in sogenannten Failed States oder Entwicklungsländern, es passiert sogar Mitten in Deutschland.

  • Vieles an den Digitalkonzernen ist problematisch.

    Und der Vergleich mit Kolonialgesellschaften ist eine Überlegung wert - insbesondere wegen ihrer großen Macht.



    Ich muss allerdings zugeben, dass mich die Argumentation nicht überzeugt hat. Einerseits gibt und gab es auch andere sehr mächtige Unternehmen: Rüstungskonzerne, Fluggesellschaften, Bergbauunternehmen, Banken - auch von diesen sind manche Länder abhängig. Digitalkonzerne ist kulturell anders. Was macht sie den Kolonialgesellschaften ähnlicher als die anderen?



    Andererseits haben Kolonialgesellschaften in ihren Einflussgebieten tatsächlich staatliche Aufgaben wahrgenommen (nur lückenhaft und schlechter). Wenn auch die Ukraine von Starlink abhängig ist, regiert Starlink nicht die Vorgänge in der Ukraine.



    Wie auch immer man sie einordnen will: Wenn man dem Modell "Big Data" etwas entgegensetzen will, braucht es ernstzunehmende Konkurrenten, die es anders machen.



    Sonst verharren wir in Rückzugsgefechten.

  • Nuja, würden die Tech-Konzerne relevante Mengen Steuern zahlen, wären die Bosse vielleicht ein bisschen weniger großko****. Allerdings finden sich dieser Tage ja immer Länder wie Irland ....

  • Wenn die Telekom die Datenübertragung kappt, wenn SAP alle Buchhaltungssysteme stillegt per Mausklick, wenn Krupp vor 120 Jahren beschlossen hätte keinen Stahl mehr auszuliefern.....usw.



    Die Argumentation überzeugt mich nicht!



    Da muss schon mehr Butter bei die Fische, als dass die Geld verdienen wollen plus Angstschürung durch den Autor.

  • Hm. Und „die Moral von der Geschicht‘“ soll sein, dass „es heute schneller gehen [sollte]“ mit der Regulierung der Kolonialgesellschaften? Ist das nun frommes Wunschdenken oder die Forderung eines Papiertigers? Was berechtigt uns zur Hoffnung, dass dieses Mal alles ganz anders wird? Habe ich etwa einen ganz neuen Schritt in der Evolutionsgeschichte der Menschheit verpasst?

    Der Imperialismus war nie weg. Er hat sich nur eine Zeitlang maskiert. Und zwar aus (kriegs-)taktischen Gründen. Weg war er schon deswegen nie, weil er von einer bestimmten, nun ja, „Klasse“ von Menschen gemacht wird. Einer „Klasse“, die es immer geben wird. In ihr treffen bestimmte Anlagen auf Umstände, die sie fördern, und andere auf‘s Gegenteil. Das Ergebnis ist immer ähnlich.

    Irgendwann in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich meiner Erinnerung nach in genau dieser „Klasse“ die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich die Idee des Sozialismus am einfachsten besiegen und das eigene Hoheitsgebiet am leichtesten ausdehnen lässt, wenn sich „der Osten“ selber zerlegt - und dabei nicht gestört wird vom Westen. Das war‘s dann auch schon mit der Überlegenheit. Aber wer hat das schon kapiert? Und was hat’s geholfen?