Tatort „Abbruchkante“ rund um Köln: Dorf soll weg, Leiche taucht auf
Apokalyptisches spielt sich ab, im Dorf Alt-Bützenich, das einem Braunkohletagebau weichen soll. Ein Arzt wird ermordet – und dabei bleibt es nicht.
Das Ermittlungsgebiet für das Kölner Duo Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus Behrendt) hat wahrlich etwas Apokalyptisches. Sie werden in das fast vollkommen verlassene Dorf Alt-Bützenich, das einem Braunkohletagebau weichen soll, gerufen. Denn dort wurde der Arzt Dr. Christian Franzen (Leopold von Verschuer) in seinem leerstehenden Haus regelrecht hingerichtet. Die apokalyptische Gegend ist dabei nicht nur Szene für den Krimi, sondern auch Thema.
Während viele Bewohner des Dorfes die Chance nutzten und in den architektonischen Waschbetonalbtraum Neu-Bützenich umsiedelten, hielten einige wenige im alten Dorf die Stellung. Und lagen damit nicht ganz falsch, denn jetzt stellt sich heraus: Das alte Dorf soll doch nicht weggebaggert werden. Es stellt sich die Frage: Cui bono, wem nutzt es?
Wenig glücklich war die Übersiedlung etwa für das alte Ehepaar Peter und Inge Schnitzler (Peter Franke und Uta-Maria Schütze). Der inzwischen getötete Arzt Franzen riet ihnen aufgrund ihres Alters mehrfach dazu, ihr großes Haus mit Garten im alten Dorf aufzugeben, um im neuen Dorf barrierefrei und mit nahen Einkaufsmöglichkeiten zu leben. Das alte Haus würde er ihnen abnehmen und natürlich auch wiedergeben, sollte sich etwas an der Braunkohlebedarfssituation ändern.
Doch der Arzt neigte zu Demenz und kann oder will sich später nicht mehr an dieses Versprechen erinnern. Das Ehepaar sieht für sich keinen Ausweg mehr. In schönsten Sonntagskleidern trinken sie einen mit tödlichen Medikamenten versetzten Sekt. Doch ausgerechnet jetzt, kommt der Arzt einmal pünktlich und rettet zumindest Peter das Leben. Das weckt bei ihm und seinem Enkelsohn Yannik (Leonard Kunz) nicht gerade Sympathien für den Arzt.
„Abbruchkante“, So., 20.15 Uhr, ARD
Barrikaden zum Selbstschutz
Auch Franzens deutlich jüngere Frau Betje (Lou Strenger) leidet unter ihm – er ist ein Haustyrann aus dem Bilderbuch, lässt keine Möglichkeit aus, um seiner Frau zu sagen, wie wertlos sie doch ist. Um ihren Schmerz zu lindern, greift Betje nun immer öfter zu Alkohol und Diazepam. Und als wäre das noch nicht genug an Tatverdächtigen und Motiven, gibt es da noch die Familie Baumann: Konrad und Martina (Jörn Hentschel und Daniela Wutte) gehören auch zu den Widerständlern.
Ihre Tochter Sarah war im Wald, als die Polizei ein Camp von Umweltaktivisten räumen wollte. Leider fiel sie aus einem Baum, und da die Aktivisten Barrikaden zum Selbstschutz aufgebaut hatten, konnte kein Notarzt kommen, um sie zu retten. Wer hätte kommen können, war Doktor Franzen. Doch da ihm das Treiben der Umweltschützer zuwider war, hatte er keine Lust, einen Schritt in den Wald zu setzen.
Und so stehen Schenk und Ballauf in diesem durch den verlassenen Tagebau sehr eindrucksvoll in Szene gesetzten „Tatort“ vor der großen Aufgabe, in einem Haufen von Motiven das richtige zu finden und die verschworene Dorfgemeinschaft zu durchschauen.
Kritik an der streitbaren Klimapolitik und den rücksichtslosen Wirtschaftsinteressen einiger Menschen wird nicht direkt formuliert: Die brachialen Aufnahmen von Straßen, die im tagebaulichen Nichts enden, sprechen für sich und bedürfen keiner weiteren Erklärung. Und auch menschlich ist hier viel zu sehen. Was macht es mit Menschen, wenn ihr Zuhause wegen fossilen Brennstoffen weggenommen wird? Es sind große Fragen, die hier gestellt werden, und die von jedem Einheimischen anders beantwortet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut