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Tarifstreit im ZeitungsgewerbeDer Countdown zum Streik

In der Tageszeitungsbranche läuft die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik. Die Tarifverhandlungen mit den Verlegern stocken.

Zahlreiche Warnstreiks seit Anfang des Jahres sorgten für dünne Lokalzeitungen Foto: dpa

München taz | Die Reaktion der Gewerkschaft Verdi kam rasch: „Einigungsbemühungen sind an der absolut respektlosen Haltung der Verleger gescheitert“, verkündete der Verhandlungsführer Matthias von Fintel im Konflikt über einen neuen Gehaltstarif für die 13.000 JournalistInnen von Tageszeitungen. Nach einem Angebot der Verleger, das Verdi und der Deutsche Journalistenverband (DJV) unzumutbar fanden, gehen die Journalisten nun in die Offensive: Die Urabstimmung für einen unbefristeten Streik läuft, ab dem 19. Juni könnte er beginnen.

Schon seit Jahren beklagen Journalisten Einkommensrückgänge, die Zeitungsverleger verweisen auf die insgesamt schwierige Lage der Branche. Zeitungsauflagen sinken beständig, der Anzeigenmarkt bricht ein. Dennoch erwirtschaften sehr viele Verlage Gewinn. „Wir sollen weiterhin nicht den Inflationsausgleich bekommen“, klagt Franz Kotteder, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, gegenüber der taz.

Das Angebot der Verleger sah zwar eine Gehaltssteigerung für Volontäre von 4,7 Prozent sowie Einmalzahlungen über 32 Monate hinweg vor. Redakteuren hingegen wurden nur 3,9 Prozent für diesen Zeitraum geboten – das macht knapp 1,5 Prozent jährlich -, sowie eine Einmalzahlung. Die Inflation liegt 2018 bisher aber darüber, bei 1,7 Prozent.

Gewerkschaften wollen 4,5 Prozent mehr im Jahr

Seit Jahresbeginn hat es sechs zähe und ergebnislose Verhandlungsrunden gegeben. Zahlreiche mehrtägige Warnstreiks im Bundesgebiet, die Hälfte davon in Bayern, sorgten für dünne Zeitungen. Vor allem Lokalteile konnten teilweise überhaupt nicht erscheinen. Ursprünglich verlangten die Journalisten 4,5 Prozent Lohnzuwachs für ein Jahr. Dem Vernehmen nach hätten sie sich auf eine Halbierung der Forderung eingelassen. Gewerkschafter verweisen auf schnelle Verhandlungen und ordentliche Lohnabschlüsse in anderen Branchen in diesem Jahr, etwa bei Metall, Bau und im öffentlichen Dienst.

Die Verleger hingegen erklären, sie seien mit ihrem Angebot „bis an die Grenze des Vertretbaren“ gegangen. „Doch lassen sich wirtschaftliche Realitäten auch durch Streiks nicht außer Kraft setzen“, sagt Anja Pasquay, Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Auch müsse der Verband alle Mitgliedsunternehmen berücksichtigen, egal ob sie in darbenden oder boomenden Gegenden angesiedelt sind. Immer wieder steigen Verlage aus der Tarifbindung aus – sie können dann direkt und mit weitaus größerer Macht mit ihren Beschäftigten über Löhne verhandeln.

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3 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Und wie sieht's bei der taz aus?

  • „Gewerkschaften wollen 4,5 Prozent mehr im Jahr“

     

    Der Beitrag liest sich so, als ob die TAZ als interessierte Zuschauerin daneben steht und berichtet und ansonsten mit dem Sachverhalt selbst rein gar nichts zu tun hat.

     

    Wie wär’s, wenn die TAZ mit gutem Beispiel vorangeht und ihren Journalist*innen ohne viel Federlesen die erwähnten 4,5% zusagt und so die Position der Kolleginnen und Kollegen bundesweit stärkt?

     

    Oder wird es vielleicht Ausflüchte der Art geben, dass sie Tätigkeit bei der TAZ doch wohl eher als „Ehrenamt“ zu verstehen sei?

  • Werden Lohnforderungen an die Inflationsrate knüpft (und sei es nur als Argument) ist das natürlich der erste und ein schwerwiegender Fehler!

     

    Was für Zusatznutzen (oder was auch immer an Vorteilen) bringe ich in die Firma ein um davon x % als Gehalterhöhung zu bekommen. .. ist die Argumentationsgrundlage für jede Gehaltsforderung.

    Wenn ich natürlich derzeit Journalist bei einem Zeitungsverlag bin scheint das schwer.

    Einziger "Trost": Es geht vielen ähnlich: Einzelhandel wird auch gekillt vom INternetversand, Banken schrumpfen wegen online-Banking... usw.

    Nicht zu beneiden die Verhandlungsführer. Ein Streik wird die Entwicklung eher beschleunigen oder Streikbrecher arbeiten freiberuflich für weniger Geld.