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Tarifkonflikt zwischen Bahn und EVGUrabstimmung über Streiks

Die Gewerkschaft EVG will ihre Mitglieder über das weitere Vorgehen abstimmen lassen. Zuvor waren die Tarifverhandlungen mit der Bahn gescheitert.

Stehen die Züge bald wieder still? Bislang konnte keine Einigung zwischen der Deutschen Bahn und der EVG erzielt werden Foto: Peter Kneffel/dpa

Berlin rtr/dpa | Die Deutsche Bahn (DB) und die Eisenbahnergewerkschaft EVG haben sich im Tarifkonflikt nicht einigen können. „Die Zentrale Tarifkommission der EVG hat die Verhandlungen am Mittwochabend mit der Deutschen Bahn nach langer und sehr intensiver Diskussion für gescheitert erklärt,“ teilte die EVG mit. Die Laufzeit des Tarifvertrags sei zu lang und die angebotene Lohnerhöhung zu niedrig und zu spät.

Nun drohen möglicherweise noch im Sommer unbefristete Streiks mit zahlreichen Zugausfällen. Der Bundesvorstand der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat am Donnerstag in Berlin beschlossen, die Mitglieder in einer Urabstimmung darüber entscheiden zu lassen. Den Fahrgästen der Deutschen Bahn und auch der Konkurrenzunternehmen könnten damit unruhige Wochen bevorstehen.

Vorwurf der Kompromissunfähigkeit

Die Gewerkschaft verhandelt für rund 230.000 Beschäftigte bei rund 50 Bahn- und Busunternehmen, darunter etwa 180.000 bei der Deutschen Bahn. Inzwischen hat die EVG Tarifabschlüsse mit mehreren privaten Konkurrenten des Staatskonzerns erzielt. Die Vereinbarungen etwa mit der Transdev-Gruppe beinhalten eine Lohnerhöhung von insgesamt 420 Euro sowie Inflationsausgleichsprämien von rund 1.000 Euro oder mehr, bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von 21 Monaten.

Die EVG hatte ursprünglich zwölf Prozent mehr Lohn gefordert, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr – bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Bahn hat – dem letzten veröffentlichten Stand zufolge – bis zu zwölf Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 24 Monaten angeboten. Für mittlere Einkommen wären dies zehn Prozent mehr, für höhere acht Prozent mehr. Dazu kämen 2.850 Euro Ausgleichsprämie für die Inflation noch in diesem Jahr.

Die Deutsche Bahn warf den Gremien der EVG vor, nicht kompromissbereit zu sein. „Die EVG wirft einen fast fertigen Abschluss weg und setzt kurz vor dem Ziel alles auf Null. Eine Einigung war zum Greifen nah, 140 Seiten Tariftext sind bereits fertig“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler. „Wir haben intensiv verhandelt, hart gerungen und viele Teileinigungen erzielt. Das ist jetzt alles wieder vom Tisch.“ Die Bahn forderte die EVG auf, schnell zu einer guten Lösung zu kommen. Die Bahn bleibe weiterhin gesprächs- und verhandlungsbereit.

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8 Kommentare

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  • Im Hinblick auf die untersten tariflichen Entgeltgruppen kann ich die EVG-Forderung sehr gut nachvollziehen, denn Vollzeitarbeit im Niedriglohnsektor lohnt sich trotz des erst im Oktober 2022 deutlich erhöhten gesetzlichen Mindestlohnes schon seit etlichen Jahren nicht mehr - weder im Hinblick auf die spätere gesetzliche Rente (die frühere "Rente nach Mindesteinkommen" ist ausgerechnet von einem ehemaligen SPD-Bundesarbeitsminister und IG-Metall-Gewerkschafter namens Walter Riester ersatzlos abgeschafft worden) noch im Verhältnis zu den Kombinationen "Teilzeit + 'Wohngeld Plus'" oder "Bürgergeld + Minijob", bei denen man insgesamt netto nur unwesentlich weniger zur Verfügung hat und obendrein auch noch Rechtsansprüche auf weitere ergänzende Sozialleistungen bestehen wie z. B. das "Bildungs- und Teilhabepaket" (für Bürgergeld- und Wohngeldbezieher gleichermaßen!), kommunaler Sozialpass und ÖPNV-Sozialticket (Ermäßigungsumfang und berechtigter Personenkreis sind von Kommune zu Kommune verschieden), Rundfunkbeitragsbefreiung und auf den Regelbedarf (Regelsatz) reduzierte Bemessungsgrenze für Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (beides nur für Bürgergeld-Bezieher).

    Ganz anders beurteile ich die gewerkschaftliche Forderung in Höhe von 12 % für die oberen tariflichen Entgeltgruppen, deren Arbeitnehmer trotz der aktuellen Inflation noch lange nicht am Existenzminimum nagen. In Zeiten wie den heutigen ist auch innerhalb der Arbeitnehmerschaft Solidarität stärker als je zuvor gefragt - denn sonst wird sich zukünftig niemand mehr finden, die/der den oberen Hierarchieebenen von unten zuarbeitet.

    Dass in einem Betrieb zwei Gewerkschaften miteinander konkurrieren (hier: EVG und GdL), gibt es anderswo auch - ohne dass es sich dort bisher derart hochgeschaukelt hat: "Marburger Bund" (Ärztegewerkschaft) und ver.di im Bereich der Krankenhäuser, ver.di und IG Metall bei IT-Unternehmen (Softwareentwicklung etc.). Etwas mehr Vernunft täten der EVG und der GdL gut!

  • Nicht mal mehr 50% der Arbeitnehmer fallen unter einen Tarifvertrag. Alle anderen müssen Ihre Gehaltserhöhung selber durchsetzen.

    Es wird Zeit für eine einfache und übergreifende gesetzliche Regelung.



    Koppeln wir die jährliche Gehaltserhöhung per



    Gesetz an die Inflationsrate. Das funktioniert unter anderem in Belgien sehr gut.

    Leider spricht aber ausgerechnet die SPD die sich eigentlich um Belange der Arbeiter kümmern sollte ständig von Tarifautonomie. Dabei schließt das eine das andere nicht aus.

    Einen Mindestlohn gibt es ja schließlich auch, den die Bahn übrigens teilweise immer noch unterläuft.

    Nur eines ist bei der Bahn sicher.



    Es kann noch so besch... sein, egal wie verspätet... oder wie kaputt das Netz.. oder jahrelanges aussitzen der Reparaturen... oder Zugunglück mit Todesfolge... die Manager bekommen Ihren oft fünfstelligen Bonus trotzdem.

    Nur beim Vorstand hat dieses Jahr der Aufsichtsrat die Notbremse gezogen und die geplanten Millionen blockiert.

    Gruß vom Mondlicht

    • @Moonlight:

      Wenn nur 50% der Arbeitnehmer tariflich gebunden sind, dann sollte alle Kritiker Gewerkschaften beitreten und somit die Prozentzahl erhöhen.



      Alles andere bringe nicht viel.

      • @Der Cleo Patra:

        Da hast Du mich falsch verstanden.

        Die Arbeitgeber sind nicht im Arbeitgeberverband und deshalb sind mehr als 50% aller Arbeitsverträge in Deutschland nicht tarifgebunden.

        Gewerkschaftsmitglied bin ich seit einer Ewigkeit. Das wir in der IGM organisiert sind ist aber ziemlich egal... Der Organisationsgrad der Arbeitnehmer spielt da nur eine untergeordnete Rolle.

        Nicht jeder Arbeitgeber lässt sich in den Arbeitgeberverband zwingen.

        Nach Outsourcing zu einem amerikanischen Konzern hatte sich das Thema Tarif bei uns erledigt.

  • Alternativen zum ÖPNV ? PPNV!



    Nachbars Tochter hat sich einen Dacia Spring (E-Auto) geleast, 128€/Monat inkl. Vollkasko und Versicherung. Jetzt braucht sie nicht mehr 2 mal umsteigen und 55 Minuten, sondern 30 Minuten trotz Berufsverkehr zur Uni und darf an Papas 15kWp Solardach samt Akku umsonst aufladen. ÖPNV ist auf dem Land leider immer noch unattraktiv und jeder Streik bedeutet oft nicht zur Arbeit/Uni zu kommen.



    Jetzt fährt sie statt ÖPNV PPNV (Persönlicher Personen Nahverkehr) und nimmt auch noch 2 Pendler vom Ort mit.

    • @Rudi Hamm:

      Ob auch wirklich alle Elektroautos mit Ökostrom aufgeladen werden?

      Oft genug wird noch immer Strom aus fossilen Energien verwendet - was die angestrebte Klimawende ad absurdum führt!

      • @Jessica:

        Stimmt! ein E-Auto mit Strommix ist keinen Dold besser als ein Benziner.

    • @Rudi Hamm:

      Auch ich bin ein großer Fan des PPNV. Mein Nissan Micra streikt nicht hat keine Störungen im Betriebsablauf und fährt genau dann wenn ich will. Ich bedauere jeden, der von diesem Saftladen abhängig ist.