piwik no script img

Talentförderung im FußballHauptsache, es ändert sich nichts

Das DFB-Nachwuchskonzept von morgen ist Schuld an heute. Es wird attackiert, ohne Ahnung, ohne Selbstkritik, aber laut polternd.

Macht Spaß, darf also nicht sein: neue Konzepte im Nachwuchsfußball Foto: dpa/michael

Unfassbar und für mich nicht nachvollziehbar“. So hat sich Hans-Joachim „Aki“ Watzke zur Reform des Kinderfußballs geäußert. Watzke ist Boss von Borussia Dortmund, Vizepräsident des DFB und Aufsichtsratschef der DFL.

Unfassbar und nicht nachvollziehbar ist aber vor allem, wie viele Menschen sich zu diesem Thema äußern, die das Konzept überhaupt nicht gelesen haben und im Nachwuchsfußball über null Erfahrung verfügen. Unfassbar und nicht nachvollziehbar ist des Weiteren, dass Watzke sich zur Reform erst geäußert hat, nachdem diese ausformuliert auf dem Tisch liegt. Schon das ist ein Hinweis darauf, wie sehr den Multi­funktionär Watzke dieses Thema bislang beschäftigt hat – nämlich überhaupt nicht.

Watzkes fachliche Inkompetenz schockiert, erklärt aber auch, warum der hiesige Fußball in Sachen Ausbildung anderen Ländern hinterherhinkt. So fällt Kritikern wie Watzke auch nicht auf, dass einige Elemente der Reform beim Ausland „abgekupfert“ wurden – unter anderem in England, das vor zehn Jahren (zumindest in Deutschland) noch als rückständig galt, uns seither aber überholt hat.

Watzke lamentiert, Kinder müssten auch einmal verlieren, „um auch mal zu gewinnen“. Richtig, aber mit dem Inhalt der Reform, die die DFB-Experten ausgearbeitet haben, hat dieser Satz nichts zu tun. Denn Siege und Niederlagen wird es im Kinderfußball auch in Zukunft geben – so wie im Kick auf der Straße.

Für die Kinder zählt die Tabelle nicht

Und was die Tabellen anbelangt: 1995 wurde eine von mir trainierte F-Jugend Kreismeister und Kreispokalsieger. Anschließend wurden im Kreis die Tabellen für die Altersklassen F- und E-Jugend abgeschafft, was die Leistungsbereitschaft und den Ehrgeiz der Kids nicht im Geringsten hemmte. Für sie zählte ohnehin nur das Spielergebnis – die Tabelle interessierte nur den Trainer (also mich …) und einige Eltern.

Trotz zweier Jahre ohne Tabelle: Drei von elf Spielern der „Dorftruppe“ spielten später in der U19-Bundesliga, einer von ihnen wurde mit der U17 und der U19 des BVB jeweils deutscher Vize­meister und U19-Nationalspieler, und 5 schafften es in den DFB-Stützpunkt.

Die nun vorgelegte und von Watzke und anderen so harsch kritisierte Reform bedeutet: mehr Ballkontakte, also bessere Technikschulung und mehr Zweikämpfe pro Spieler. Bei 3 gegen 3 auf kleinem Spielfeld kann sich kein Spieler verstecken, niemand kann sich auf den stärkeren Nebenmann verlassen.

Einer zukünftigen Reform die Schuld an heute geben

Es ist ständig Bewegung im Spiel, bei vier kleinen Toren auch viele Richtungswechsel, kein Spieler kann sich auch nur einen Moment ausruhen. Handlungsschnelligkeit und selbstständiges Handeln werden geschult, die Spielformen bedeuten physisch und mental „Stress“. Es fallen weniger „flüsternde Talente“ aus den Kadern. Und vielleicht macht das Gesamtpaket der Reform aus Titeltrainern, die mehr scouten als ausbilden, auch wieder echte Ausbilder.

Für den aktuellen Misserfolg kann nur verantwortlich zeichnen, wer in den letzten Jahren das Sagen hatte. Watzke ist einer von ihnen.

Aki Watzke macht noch Pläne einer künftigen Reform für den Misserfolg von heute verantwortlich. Aber für diesen Misserfolg kann nur verantwortlich zeichnen, wer in den letzten Jahren das Sagen hatte. Watzke ist einer von ihnen.

Wie viele Nationalspieler hat die Nachwuchsschmiede des BVB seit der WM 2014 den Bundestrainern geliefert? Mir fällt nur einer ein. Borussias größte Talente stammen aus den Akademien ausländischer Klubs und sind das Ergebnis dortigen Scoutings – nicht einer hauseigenen Ausbildung. Bellingham, Sancho, Dembélé wurden in England bzw. Frankreich ausgebildet. Im aktuellen Kader kommt Duranville aus der Akademie des RSC Anderlecht, Kamara aus der von Paris St.-Germain und Bynoe-Gittens von Manchester City.

Auch deshalb wirkt es etwas grotesk, wie sich Aki Watzke und Kollegen glauben äußern zu müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die sind vermutlich alle in den 1970ern hängengeblieben