TXL-Tour mit der Linken: Fahren, wo andere fliegen
Die Linken-Politiker Lompscher. Wolf und Schubert haben zu einer Busfahrt über das Tegeler Flugfeld eingeladen, um dessen Potenzial zu verdeutlichen.
Die Freifläche des Flughafens Tegel ist gewaltig. So gewaltig, dass selbst eine Stadtentwicklungssenatorin mal die Orientierung verlieren kann. „Wenn ich mich nicht täusche, sind wir jetzt im Westen des Geländes angelangt“, sagt Katrin Lompscher ins Bus-Mikrofon und wird von der kleinen Ausflugsgesellschaft lautstark korrigiert – man ist nämlich in der östlichsten Ecke angekommen. „Das kommt daher, dass die Sonne heute nicht scheint“, kontert die Linkenpolitikerin.
Zusammen mit zwei GenossInnen aus dem Abgeordnetenhaus – der Linken-Landeschefin Katina Schubert und dem Fraktionvorsitzenden Udo Wolf – hat Lompscher die Presse und einige Contra-Tegel-Aktivisten zur Rundfahrt über das Gelände eingeladen, um im Vorfeld des TXL-Volksentscheids noch einmal das städtebauliche Potenzial des Areals zu verdeutlichen. Wobei es dann doch keine richtige Runde wird: Trotz vorheriger kompletter Check-in-Prozedur für alle Insassen und trotz prominenter Besetzung darf der Bus nicht das Regierungsterminal am nördlichen Rand passieren.
Trotzdem kann man bei einem Halt in besagter Ostspitze erahnen, wie viel Platz es hier für die geplante künftige Wohnungsbebauung gibt. Das „Schumacher Quartier“ soll einmal aus 5.000 Wohneinheiten für rund 10.000 Menschen bestehen, errichtet werden die Gebäude nach bisherigem Planungsstand zu einer Hälfte von landeseigenen Wohungsbaugesellschaften und zur anderen von Genossenschaften, privaten Baugruppen oder dem Studierendenwerk. Weil die angrenzenden ehemaligen Allierten-Quartiere Cité Pasteur und Cité Guynemer nachverdichtet werden sollen, ist sogar von 9.000 neuen Wohnungen die Rede.
Wann das bezahlbare Wohnen auf dem heutigen Flugfeld Realität sein soll? „Die Jahreszahl müssen Sie sich wegdenken“, sagt die Senatorin, als sie ein paar bunte Grafiken der Entwicklungsgesellschaft Tegel Projekt GmbH herumzeigt. Sie hält die „2018“ – oder ist es eine „2017“? – dann auch schnell mit dem Daumen zu, es werden ja Foto und Filmaufnahmen gemacht. In jedem Fall, so Lompscher, soll es zügig vorangehen, wenn der BER erst einmal in Betrieb gegangen ist: „Unsere Leute in der Verwaltung sitzen auf Kohlen.“ Die Stadtplaner hätten dann auch ein deutlich höheres Budget zur Verfügung als die 15 bis 20 Millionen Euro, mit denen die Tegel Projekt heute ihren planerischen Job tun kann.
Wenn es so kommt, wie Lompscher, Schubert und Wolf es sich erhoffen, wird in nur rund fünf Jahren außer dem Schumacher Quartier auch das Gerüst der „Urban Tech Republic“ rund um das heutige Haupt-Terminal A stehen. Im Terminal selbst, dem berühmten Hexagon mit den kurzen Wegen, wird die im Wedding beheimatete Beuth Hochschule für Technik ihren zweiten Standort einrichten, drumherum sollen sich Forschungsinstitute, Start-ups und innovative Industrien ansiedeln. Ist all das einmal komplett, bleibt die Hälfte des heutigen Flughafens, rund 245 Hektar, weiterhin frei – ein „Landschaftsraum“, der sich im Norden zum Jungfernheide-Forst mit dem Flughafensee öffnet. Auch der südlich anschließende Park Jungfernheide könnte wieder eine prominentere Rolle im Stadtleben spielen.
Lärm weg, Lärm da
Wenn TXL dicht macht, schießen in den heute verlärmten Kiezen die Mieten in die Höhe, prophezeien die FDP und andere Tegel-Retter gerne und gerieren sich damit als Anwälte der kleinen Leute. Katina Schubert, deren Wahlkreis im Märkischen Viertel liegt, muss deshalb heute auch noch eine gute Nachricht loswerden: Das Bezirksamt Reinickendorf prüfe bereits Milieuschutz für die Kieze in der Einflugschneise – „auch weil die Linke in der BVV das immer wieder einfordert“. Diese „gute Nachricht, die mich auch überrascht hat“ (Lompscher) passt allerdings dazu, dass Bezirksbürgermeister Frank Balzer als einer von ganz wenigen in der Berliner CDU an deren Erkenntnis festhält, dass ein „Weiter so“ für Tegel vollkommen äußerst unvernünftig wäre.
Für die Menschen im künftigen Schumacher Quartier hingegen könnte sich ein – nicht nur – akustisches Problem auftun: Zwar soll der Autobahnzubringer vom Kurt-Schumacher-Damm zur A 111 in Richtung Hamburg zur gewöhnlichen Stadtstraße zurückgebaut werden. Allerdings fungiert dieser meist ziemlich leere Zubringer mit unschöner Regelmäßigkeit als Überlaufventil für den Flughafentunnel: Wenn der Stau auf der Stadtautobahn im Berufsverkehr bis in den Tunnel reicht, muss dieser aus Sicherheitsgründen vorübergehend geschlossen werden – das ist allgemeine Vorschrift. Dann aber wird die Blechlawine über den Zubringer umgeleitet – und würde sich später in das ruhige Schumacher Quartier ergießen.
Katrin Lompscher, darauf angesprochen, wiegelt ab. Sie kenne das Problem, sagt sie zur taz, aber sie sei sicher, dass man das in den Griff bekommen werde: „Wenn unsere Politik erfolgreich ist, wird es dann ja auch weniger Staus geben.“
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