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TTIP-Gegner ziehen vor EuGHFür das Recht auf Bürgerbegehren

Die EU-Kommission stoppte ein europaweites Begehren gegen das Freihandelsabkommen. Dagegen klagen die Aktivisten nun – und sammeln Unterschriften.

Freihandelsabkommen als Trojanisches Pferd: TTIP-Gegner in Berlin Bild: dpa

BERLIN/BRÜSSEL epd/dpa | Kritiker des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP) wollen nach der Ablehnung ihres Bürgerbegehrens vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Die Zurückweisung sei „unbegründet und eindeutig politisch motiviert“, unterstrichen die Organisatoren der Kampagne „Stop TTIP“ am Freitag in Berlin. Die EU-Kommission in Brüssel hatte in der vergangenen Woche beschlossen, die Initiative nicht zur Registrierung zuzulassen. Die Freihandels-Kritiker haben somit kein grünes Licht, mit der Sammlung der erforderlichen eine Million Unterschriften zu beginnen.

An das Ergebnis eines Bürgerbegehrens ist die EU-Kommission zwar nicht rechtlich gebunden – sie muss sich jedoch mit den Forderungen befassen und zumindest ausführlich dazu Stellung nehmen. Die TTIP-Gegner kritisieren, dass die Verhandlungen zwischen EU und USA weitgehend im Geheimen ablaufen. Sie befürchten eine Aushöhlung von Umwelt- und Verbraucherstandards und eine Stärkung von Großkonzernen. Die EU-Kommission hatte ihr Nein unter anderem damit begründet, dass über eine Bürgerinitiative nur die Erarbeitung von Gesetzen gefordert werden könne, nicht aber der Verzicht auf ein geplantes Gesetz.

Für „Stop TTIP“ haben sich mehr als 240 Organisationen aus mehr als 20 Ländern zusammengeschlossen, darunter der Deutsche Kulturrat, der Naturschutzbund Deutschland und „Brot für die Welt“. Das Bündnis kündigte am Freitag an, trotz der Brüsseler Ablehnung informell mit der Unterschriftensammlung zu beginnen.

Unterdessen wies die EU-Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly in Brüssel darauf hin, dass sie eine eigene öffentliche Befragung zum Thema Transparenz in den TTIP-Verhandlungen gestartet habe. Über die Webseite ombudsman.europa.eu könnten sich die Bürger daran beteiligen, erläuterte O'Reilly. Es gehe dabei nicht um Inhalte, sondern um den Ablauf der Verhandlungen.

Merkel

Angesichts des großen Widerstands in der SPD hat sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch einmal für das umstrittene Handelsabkommen stark gemacht. „Ich kann nur sagen, auch angesichts der großen Arbeitslosigkeit in Europa, ein Freihandel zwischen den beiden großen Wirtschaftsräumen der Welt ist von unschätzbarem Wert“, betonte Merkel am Freitag bei einer Veranstaltung des Handwerks in Berlin.

Die Vorteile des TTIP-Abkommens würden die vermeintlichen Nachteile weit übersteigen: „All das, was da an Horror- und Schreckensszenarien ausgebreitet werden, wird es nicht geben.“ Die Regierung werde darauf achten, dass rote Linien bei Verbraucher- und Umweltschutz nicht überschritten würden. „Weder wird das Chlorhühnchen Einzug halten, noch werden gentechnisch veränderte Lebensmittel in Zukunft in die EU importiert werden können“, sagte Merkel.

Die Kanzlerin lobte ausdrücklich ihren Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der wegen der massiven Kritik an TTIP einen Beirat einberufen hat. Der SPD-Chef ist in den eigenen Reihen stark unter Druck geraten, weil er die Handelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) befürwortet, obwohl sie Schutzklauseln für Konzerne enthalten sollen. Die SPD will am Samstag auf einem Parteikonvent in Berlin ihre Position klären.

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10 Kommentare

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  • Klar nehme ich - zusätzlich! - mein Beteiligungsrecht bei ombudsman.europa.eu wahr. Es heißt, daß Prioritäten genannt werden sollen. Die nenne ich:

     

    Tarifautonomie;

    EU-Betriebsverfassungsgesetz (Vorbild das BVG in Deutschland);

    "Gleicher Lohn/Gehalt/Einkommen für gleiche Arbeit/Qualifikation von Frauen und Männern";

    Deutscher Sicherheits- und Arbeitsschutz in Unternehmen, Betrieben und Konzerne für Menschen, Maschinen und Produkte;

    "Humanisierung der Arbeit";

    Mindestlohn von 8,50 Euro/10,50 Euro in den USA anstelle von nur 5,50 Euro in den USA;

    Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle für 6 Wochen in den USA;

    Urlaubsgesetz mit Urlaubsgeld für mindestens 30 Werktage in den USA;

    35-Stunden-Woche in den USA;

    Friedliches Streikrecht mit Warnstreiks ohne Aussperrungsrecht durch Arbeitgeber in den USA

    .............

    Abschaffung der gravierenden Altersdiskriminierung von Jung und Alt in der EU!

    Ablehnung der "Agenda 2020", die für alle EU-Mitgliedsstaaten seitens der EU-Kommission geplant ist und peu á peu durchgesetzt werden soll. Blaupause für diese Agenda ist nämlich die verheerende "Agenda 2010" in der BRD.

  • Die EU-Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly möge bitte zur Kenntnis nehmen, dass es nicht um den Ablauf sondern um den Inhalt der Verhandlungen geht.

     

    Die aufgewachten Bürger sind an mehr als kosmetischen Vorgängen interessiert!

     

    Und das Chlorhühnchen oder -hähnchen dient nur als ein Beispiel. Es ist nicht mehr als eine Fußnote im Katalog dessen, was abgelehnt wird.

     

    Wir lassen uns nicht mehr für dumm verkaufen. Wer Wind sät wird Sturm ernten.

    • @noevil:

      Nein - in einer Demokratie geht es genauso viel um das wie einer Entscheidung. Selbst wenn eine Regelung inhaltlich gut wäre, wäre es schlecht, wenn sie über Geheimverhandlungen undemokratisch zu stande gekommen wäre.

      Das "was" ist natürlich genauso wichtig. Wenn das "was" aber nicht meiner Meinung entspricht - wohl aber der einer demokratischen Mehrheit, so kann ich dies viel besser akzeptieren, als wenn es nie eine Mehrheit dafür gegeben hat.

  • "Die EU-Kommission hatte ihr Nein unter anderem damit begründet, dass über eine Bürgerinitiative nur die Erarbeitung von Gesetzen gefordert werden könne, nicht aber der Verzicht auf ein geplantes Gesetz."

     

    Ach so ist das. Es wäre ja auch ein Unding, wenn die Wähler alles in der Politik beeinflussen könnten. Das soll bitte der Wirtschaft vorbehalten bleiben. Eine Scheiß..äh...Scheindemokratie.

     

    "Weder wird das Chlorhühnchen Einzug halten, noch werden gentechnisch veränderte Lebensmittel in Zukunft in die EU importiert werden können", sagte Merkel.

     

    Dank Investorenschutz und Aufweichung des Vorsorgeprinzips wird beides sehr wohl möglich sein. Ist nur eine Frage der Zeit, bis die Konzerne sich ihr "Recht" einklagen.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Es ist zutiefst erschreckend, wie hier die Basis der Demokratie zerstört wird. Das was im Laufe der Jahrhunderte an und für Menschenrechte errungen, erkämpft wurde, das alles wird dem Profit einiger weniger sang- und klanglos geopfert. Die politischen Parteien haben sich längst korrumpieren lassen, auf die kann man zur Rettung nicht zählen. Es ist mir unverständlich, dass kein lauter Aufschrei aus der Bevölkerung kommt.

  • „Ich kann nur sagen, auch angesichts der großen Arbeitslosigkeit in Europa, ein Freihandel zwischen den beiden großen Wirtschaftsräumen der Welt ist von unschätzbarem Wert“.... Blablabla... Ich seh sie so richtig vor mir, wie sie ihre Sonntagspredigt hält. Ob das was sie labert Hand und Fuß hat - sch...egal, Hauptsache der Bürger hälts Maul und wählt weiter CDU. Wenn mir nur mal jemand erklären könnte, wieso dieses Abkommen in den "beiden großen Wirtschaftsräumen" von so "unschätzbaren Wert" sein soll? Vielleicht weils hüben wie drüben noch einfacher wird, den Leuten weniger zu zahlen, Sozialstandards zu senken, Umweltschutz außer Kraft zu setzen (ist ja alles notwendig zwecks der guten interkontinentalen Zusammenarbeit). Und ganz nebenbei werden die Entwicklungsländer vollkommen ausgebootet. Die sind dann gänzlich auf unsere Wohltaten angewiesen, die Frau Merkel dann "großzügig" mal bewilligt, nachdem sie auch ganz lieb drum gebeten wurde.

    • @sema:

      In 10 Jahren kann man dann mit China diese Normen verhandeln im Rahmen eines Freihandelsabkommens? Denn dann ist China 1. Wirtschaftsmacht und die Chinesen sind für Ihre hohen Standards bekannt (schuften, schuften, schuften ...).

      • @Gabriel Renoir:

        Wie wärs mal mit globalen Abkommen, die auch Vorteile bieten für (bis jetzt) unterentwickelte Länder und helfen, die weltweiten Sozialstandards in diesen Ländern zu heben, statt sie in den entwickelten auszuhebeln? Ein solcher Ansatz sind z. B. Initiativen für fairen Handel und faire Arbeitsbedingungen und gegen Genmais und Saatgut-Patente. Vielleicht wäre es ja auch ein gangbarer Weg für Europa, sich dem rohstoffreichen Nachbarn Afrika anzunähern, dort gibt es ganz nebenbei ein großes Potential an zukünftigen Abnehmern, wenn die Entwicklung von demokratischen Strukturen auf intelligente Weise unterstützt wird.

      • @Gabriel Renoir:

        Was willste damit sagen, Gabi?

        Dass ein Abkommen mit den Amis besser ist als mit den Chinesen?

         

        Schon soviel ängstlich-fügsame Alternativlosigkeit akkumuliert?

        • @friedjoch:

          Die echten Argumente sind halt ausgegangen.