TIkTok-Verbot in den USA: Influencer gegen Montana
Montana verbietet TikTok. Influencer*innen haben jetzt dagegen geklagt. Sie sehen sich in ihrem Lebensunterhalt bedroht – und in der Redefreiheit.
In der Klage, die ohne öffentliche Bekanntmachung bei einem Bundesgericht eingereicht wurde, argumentieren sie, dass das Gesetz gegen die verfassungsmäßigen Rechte der Redefreiheit verstoße. Montana habe keine Befugnis, über Angelegenheiten der nationalen Sicherheit zu entscheiden.
Eine Sprecherin des Justizministeriums von Montana sagte, man habe mit einer rechtlichen Anfechtung gerechnet und sei umfassend darauf vorbereitet, das Gesetz vor Gericht zu verteidigen.
Das Verbot soll am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Begründet wurde es unter anderem mit der Sorge, dass die Videoplattform im Besitz der chinesischen Firma ByteDance dafür missbraucht werden könnte, der chinesischen Regierung Zugriff auf Daten amerikanischer Bürger zu geben. Außerdem könne Desinformation im Interesse Pekings verbreitet und damit die öffentliche Meinung beeinflusst werden. Aus diesen Gründen ist es Mitarbeitenden der US-Regierung auch untersagt, die App auf Diensthandys zu nutzen. Ähnliche Regelungen werden auch für die EU diskutiert.
Sorge um Bürger*innenrechte
In den USA laufen schon seit Monaten Untersuchungen, die zu einem landesweiten Verbot von Tiktok führen könnten, falls es keinen Eigentümerwechsel geben sollte. Montana ging nun US-weit als erster Staat den Verbotsweg. Das Vorgehen der Behörden dort gilt deshalb auch als Test für ein mögliches Verbot in den gesamten USA. Technisch dürfte sich solch eine Blockade jedoch leicht umgehen lassen.
„Um die persönlichen und privaten Daten der Menschen in Montana vor der Kommunistischen Partei Chinas zu schützen, habe ich Tiktok in Montana verboten“, twitterte der Republikaner Gianforte nach der Unterzeichnung des Gesetzes. Das Abgeordnetenhaus des Bundesstaates hatte es im April verabschiedet.
In der Klageschrift gegen das Gesetz werden andere Schwerpunkte als die Kommunistische Partei Chinas gesetzt. Dort heißt es: „Montana kann seinen Einwohner*innen genauso wenig verbieten, Tiktok zu nutzen und dort Beiträge zu veröffentlichen, wie es das Wall Street Journal verbieten kann wegen seines Eigentümers oder des Gedankenguts, das es veröffentlicht.“
Der Bundesstaat überschreite seine Befugnis, wenn er unter Verweis auf die nationale Sicherheit oder aus außenpolitischen Gründen ein solches Verbot erlasse. Montana dürfe auch nicht eine ganze Plattform verbieten, nur weil der Bundesstaat einige der dort getätigten Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit geschützt seien, als gefährlich wahrnehme.
Die Kläger*innen sind allesamt Einwohner*innen Montanas und nutzen die App für unterschiedliche Zwecke. Unter anderem machen sie auf ihre eigenen unternehmerischen Tätigkeiten aufmerksam, halten Kontakt zu Militärveteran*innen, zeigen das Farm-Leben oder berichten von Outdoor-Abenteuern. Einige von ihnen erwirtschaften so ein nennenswertes Einkommen, wie es in der Klage heißt.
Auch TiktTok selbst kritisierte das Verbot in einer ersten Reaktion als Verstoß gegen das Recht auf Redefreiheit. Man werde daran arbeiten, die Rechte der Nutzer zu schützen. Zur Klage selbst äußerte sich TikTok bisher nicht.
Schwerwiegender als die Reaktion des Unternehmens: Die Menschenrechtsorganisation ACLU, die den Fokus ihrer Arbeit auf Bürger*innenrechte legt, warnte, das Gesetz lege die Grundlage für eine übermäßige staatliche Kontrolle über das Internet.
Was das Gesetz verbietet
Das neue Gesetz verbietet es in Montana, die App herunterzuladen. Jede Einrichtung – etwa ein App-Store oder TikTok selbst – die in dem US-Staat Menschen die Möglichkeit bietet, dagegen zu verstoßen oder anderweitig Zugang zu der Plattform zu bekommen, kann mit einer Strafe von täglich 10.000 Dollar belegt werden. Die Strafen sollen allerdings nicht Nutzer*innen angelastet werden.
Weltweit hat Tiktok mehr als eine Milliarde Nutzer*innen und ist die erfolgreichste Online-Plattform in westlichen Ländern, die nicht aus den USA stammt. Die Firma betont, man sehe sich nicht als Tochter eines chinesischen Konzerns. Bytedance sei zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren, der Firmensitz liege auf den Caymaninseln in der Karibik.
Kritiker*innen kontern, dass die chinesischen Gründer bei einem Anteil von 20 Prozent die Kontrolle dank höherer Stimmrechte hielten und Bytedance eine große Zentrale in Peking habe.
Wegen der großen Sicherheitsbedenken musste Tiktok-Chef Shou Zi Chew Ende März im US-Kongress Rede und Antwort stehen. Dabei stieß er bei republikanischen wie auch demokratischen Abgeordneten auf Misstrauen und Ablehnung.
Tiktok betont, man habe nie Daten-Anfragen von chinesischen Behörden bekommen und würde solchen Aufforderungen auch nicht nachkommen. Das Unternehmen versucht, Washington mit dem Argument einer abgesicherten Datenspeicherung in den USA zu überzeugen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten