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Syriens internationales StandingJetzt muss Damaskus liefern

Serena Bilanceri
Kommentar von Serena Bilanceri

Nach den USA beendet auch die EU die Sanktionen gegen Syrien, und sogar an Israel scheint sich das Land zu nähern.

Signale aus der ganzen Welt: Straßenszene in Damaskus Foto: Omar Sanadiki/ap

G erade eine Woche ist es her, dass US-Präsident Donald Trump überraschend die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien ankündigte, da zieht die Europäische Union nach. Es ist eine historische Chance für den Wiederaufbau und die Stabilisierung des vom Bürgerkrieg gemarterten und wirtschaftlich angeschlagenen Landes. Die Sanktionen hemmten bislang Investi­tio­nen, Dienstleistungen und Handel. Teilweise fehlte es an Medikamenten und Treibstoff.

Finanzielle Transaktionen waren nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Nicht nur Mitglieder des alten Regimes litten darunter, sondern das gesamte Volk. Jetzt kann Syrien aufatmen. Bedingung ist allerdings, dass die Übergangsregierung die Versprechen ihres Präsidenten Ahmed al-Scharaa hält: ein neues Kapitel in Syriens Geschichte zu schreiben und ein friedliches, inklusives Land aufzubauen. Der Weg ist frei. Oder nahezu. Denn noch steht Syrien vor zahlreichen Herausforderungen – innen- wie außenpolitisch.

Und nicht über alle hat die Regierung die Kontrolle. Zum einen die Gewaltausbrüche, die das Land seit Monaten immer wieder plagen. Zi­vi­lis­t*in­nen sind dabei gestorben, in großer Zahl. Zuerst die Ala­wi­t*in­nen, dann die Drus*innen. Die Minderheiten fürchten sich, fühlen sich ungeschützt und ausgeliefert. Doch gegen eine extremistische Mentalität mancher Milizen kann auch eine Aufhebung der Sanktionen nur bedingt helfen.

Klar – Wohlstand vermindert das Risiko, dass junge Männer aus Mangel an Geld und Perspektiven in die Arme der Salafisten geraten. Doch Wohlstand kommt nicht über Nacht. Bewaffnete Angriffe schon. Der Wille muss da sein, die Minderheiten zu schützen. Und dann gibt es die Lage an der südlichen Grenze. Israel bombardierte in den vergangenen Monaten immer wieder Stellungen in Syrien. Jenseits der Pufferzone marschieren israelische Sol­da­t*in­nen ins syrische Gebiet.

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Die Be­woh­ne­r*in­nen wehren sich. Die Lage bleibt gefährlich und kann jederzeit eskalieren. Ein Hoffnungsschimmer ist die jüngste Annäherung zwischen Jerusalem und Damaskus. Die beiden Regierungen kommunizieren miteinander – zumindest über Dritte. So zeigt sich Syrien bereit, zahlreiche Dokumente des israelischen ­Spions Eli Cohen an Israel zurückzugeben. Es ist eine Geste der Öffnung – und nicht die erste von syrischer Seite. Jetzt kommt es darauf an, ob ­Israel die Gebietshoheit Syriens respektiert. Auch davon hängt die Stabilität des Landes ab. Und nicht nur von den Sanktionen.

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Serena Bilanceri
Autorin
Freie Auslandskorrespondentin für Jordanien und den Nahen Osten. Jahrgang 1983, lebt in Bremen und Amman. 2020 erhielt sie ein IJP-Stipendium. Seitdem berichtet sie u.a. über soziale Themen, Menschenrechte und Politik in Nahost. Geboren in Pisa, hat sie in Deutschland, Spanien, Großbritannien und Italien studiert.
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1 Kommentar

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  • Israel soll einfach das besetzte Gebiet am Golan zeitnah zurückgeben. Gegenseitige symmetrische Sicherheitsgarantien, dass eben beide nicht angreifen, können das ergänzen.

    Nebenpunkt: bitte kein Seltsamdeutsch wie "sogar an Israel scheint sich das Land zu nähern" in der taz oben. Wo ist eure Qualitätskontrolle?