Super Tuesday in den USA: Chancenlos gegen Trump
Trump wurde gewählt, weil Clinton fürs Establishment stand – genau wie Biden. Sanders verspricht „Revolution“ – das Letzte, was viele Wähler wollen.
E in 77-jähriger weißer Mann oder ein 78-jähriger weißer Mann werden im November in den USA versuchen, statt eines dann 74-jährigen weißen Mannes ins Weiße Haus einzuziehen. Das ist das Ergebnis des „Super Tuesday“, an dem in 14 US-Bundesstaaten gleichzeitig die Vorwahlen der Demokrat*innen stattfanden.
Aus dem einst diversesten Kandidat*innenfeld der US-Geschichte von rund zwei Dutzend Anwärter*innen auf die demokratische Nominierung sind de facto nur Bernie Sanders und Joe Biden übriggeblieben. Und das wichtigste Argument, das eine Mehrheit der Wähler*innen den Demoskopen bei den Nachwahlbefragungen diktierte: Wir wollen jemanden haben, der Donald Trump im November schlagen kann. Das war weit wichtiger als die inhaltliche Übereinstimmung mit den Positionen des Kandidaten.
Es fällt nicht schwer, das vernünftig zu finden, einerseits. Wenn dabei dann aber letztlich ein Kandidat Joe Biden herauskommt, bedeutet das auch: Nicht einmal die Demokrat*innen selbst glauben daran, dass der noch nach den letzten Kongresswahlen im November 2018 konstatierte Linksruck gesellschaftlich mehrheitsfähig wäre. Gegen den Hasardeur Trump wollen sie auf „sicher“ spielen.
Damit stellt sich ein Dilemma: Jemand wie Trump konnte nur deswegen gewählt werden, weil das demokratische Establishment, angeführt von Kandidatin Hillary Clinton, für ein angestaubtes „weiter so“ stand. Nichts anderes aber ist Joe Biden: langjähriger Senator, Ex-Vizepräsident, Irakkriegsbefürworter. Besser als Trump ist er ganz sicher, wie eigentlich jeder. Aber Aufbruch, Vision, Enthusiasmus? Fehlanzeige. Der soll Trump schlagen?
2016 hätte Sanders Trump geschlagen
Fast die Hälfte der Wähler*innen, so die Nachwahlumfragen, haben sich erst in den letzten zwei bis drei Tagen entschieden. Das kann bedeuten: Diese Leute suchten nach dem wichtigsten Anti-Sanders-Kandidaten, um ihre Stimme nicht zu verschenken, glaubten nicht an Bloomberg, sahen Biden in South Carolina gewinnen, Pete Buttigieg und Amy Klobuchar zu seinen Gunsten ausscheiden, weitere demokratische Schwergewichte für Biden sprechen und hatten daher ihren Platz gefunden.
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Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Obwohl – oder weil? – Biden seit über drei Jahrzehnten ein wichtiger Name der US-Politik ist, bringt ihm nur das unmittelbare Momentum Stimmenzuwächse – und letztlich die Angst vor weiteren vier Jahren Trump.
Womöglich liegt genau da das eigentliche Problem: Noch 2016 hätte Sanders – wenigstens den Umfragen zufolge – Trump deutlich geschlagen. Wer dringend Veränderung wollte, fand den Willen dazu bei Sanders und bei Trump, nicht aber bei Clinton.
Seither hat Trump einerseits ein grandioses Zerstörungswerk angerichtet, was bei einer großen Anzahl demokratischer Anhänger*innen offensichtlich die Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen wie vorher weckt. Dafür steht Biden. Keine große Sache, aber nicht so ein peinliches Chaos. Sanders verspricht eine „Revolution“ – das ist das Letzte, was diese Wähler*innen wollen. Konservatismus soll Trump schlagen.
Auf der anderen Seite aber hat Trump seine Basis deutlich ausgebaut: Nicht nur die republikanischen Führungskräfte stehen fest hinter ihm, auch in der Anhänger*innenschaft kommt er auf Popularitätswerte wie nie zuvor. Dass von diesen Wähler*innen jemand zu den Demokrat*innen zurückwechselt, ist unwahrscheinlich. Nicht mehr zu Sanders, aber erst recht nicht zu Biden.
Wenn sich die Demokrat*innen jetzt noch in einem womöglich monatelangen Vorwahlkampf gegenseitig zerfleischen, haben sie eigentlich keine Chance.
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