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Studierende in Geldnot wegen CoronaKredite sind keine Lösung

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Wie sollen Studierende die staatlichen Notdarlehen je wieder abstottern? Vor diesem Dilemma stehen auch Solo-Selbstständige und Unternehmen.

Mit ihren meist schlecht bezahlten Nebenjobs können die Studenten weder sparen noch Kredite bedienen Foto: Blickwinkel/imago images

E s sind zwei Nachrichten, die zunächst eher unverbunden wirken: Die Stimmung in der Industrie ist noch immer gedrückt, wie das ifo-Institut am Montag meldete. Derweil protestierten Studierende in verschiedenen Universitätsstädten, weil die staatlichen Notkredite von 650 Euro im Monat zu niedrig und zu bürokratisch seien.

Beide Nachrichten illustrieren, wie schwierig es wird, die Coronakrise zu überwinden. Das Konjunkturpaket der Regierung wird nicht reichen, obwohl es 130 Milliarden Euro umfasst.

Um bei den Studierenden anzufangen: Etwa 40 Prozent haben ihre Nebenjobs durch die Coronakrise verloren, wie Umfragen zeigen. Die Bundesregierung setzt darauf, dass sich die Studierenden im Notfall verschulden. Da sind nicht nur die 650 Euro pro Monat vom Staat – zudem sind die Hausbesitzer verpflichtet, Mieten zu stunden, wenn das Geld knapp wird. Theoretisch müssten die Studierenden also über die Runden kommen. Doch die Studierenden rechnen anders. Sie fragen sich, völlig zu Recht, wie sie diese Schulden abstottern sollen, wenn die Corona­krise vorbei ist. Denn die Nebenjobs sind meist dürftig bezahlt, ein Schuldendienst ist damit nicht möglich.

Vor diesem Dilemma stehen nicht nur die Studierenden – sondern auch viele Unternehmen. Sie müssen jetzt Notkredite aufnehmen, um die Corona­krise zu überstehen, und werden ewig brauchen, um diese Darlehen zurückzuzahlen. Die neueste ifo-Umfrage zeigt dies bestens. Die Firmen waren im Mai zwar nicht mehr ganz so schlechter Stimmung wie im April, erwarten aber immer noch massive Produktionsrückgänge.

Dieser Pessimismus ist berechtigt. Denn es reicht nicht, dass die Coronabeschränkungen langsam aufgehoben werden. Die Firmen benötigen auch kaufwillige Kunden. Doch wenn Unternehmen, Studierende und Soloselbstständige damit beschäftigt sind, staatliche Notkredite zurückzuzahlen, dann fehlt ein großer Teil der Nachfrage. Das nächste Konjunkturpaket wird sich daher auch mit der Frage befassen müssen, wen der Staat entschuldet.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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9 Kommentare

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  • Was soll dieser Artikel? Sind Informationen und Blickwinkel absichtlich weggelassen worden?



    Wie jemand anderes bereits schrieb: Für die meisten Studierenden gibt es eine Zeit nach dem Studienabschluss. Die studieren auch in Orchideenfächern nicht alle bis zum Renteneintritt.



    Und Falschinformationen zum Trotz verdienen studierte zum überwiegenden Teil besser als Nichtstudierte. Selbst wenn man das deutsche Mittel von ca. 3200 Euro monatlich zugrunde legt, sollte am Monatsende genug übrig bleiben, um einen zinslosen Kredit zurückzuzahlen. Und zwar vor Renteneintritt.

    Vereinfacht könnte man auch sagen, dass alles über der Pfändungsfreigrenze in die Kreditrückzahlung fließen kann.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Wir alle nehmen im Augenblick Kredite auf. Und zahlen nicht einmal Zinsen dafür.



    Und wozu gibt es Eltern?



    Die bekommen doch Kindergeld für die Studenten. 650€ + Kindergeld sollte doch reichen.

  • Die Frage ist nicht nur darauf zu begrenzen, wen der Staat im nächsten Rettungspaket entschuldet (bitte nicht mehr Konjunkturpaket nennen), sondern wem die Rettungsgelder dann zufließen.

    Z.B. die gestundeten Mieten. Diese Forderungen lösen sich durch Stundung nicht auf. Oder die ausgesetzten Tilgungsraten (bei fortlaufender Verzinsung) für laufende Kredite, von denen etliche platzen werden.

    Vermieter/-AGs und Banken brauchen sich höchst wahrscheinlich keine Sorgen zu machen. Sie werden schneller wieder "systemrelevant" sein, als eine Krankenschwester ihren Mund-Nasenschutz aufsetzen kann.

    Im Gegensatz zu Wasser, fließt Geld immer nur nach oben. Es darf nicht einmal ein Wehr aufgebaut werden, um den Zufluss ein wenig zu bremsen.

  • Die ganze Gesellschaft, von der Politik bis zur Verwaltung und Privatleuten denkt nur noch in Schulden und Probleme mit Geld per Kredit zukacken. Somit ist derlei Vorschlag nur logisch.



    Dass man sich daran anpassen kann und einfach mitmachen ist bequem und oft opportun. Ich rate keinesfalls dazu.



    Lieber länger studieren und besser bezahlte Nebenjobs annehmen. Ich persönlich war damals auf dem Bau, Wachdienst, Druckerei. Hatte nach dem Studium mehr Geld als davor und habe dafür akzeptiert, dass ich körperlich "etwas gestresster" war.



    Kurzum: Das Gejammer verstehe ich nicht, man muss eben in die Gänge kommen und mal ein paar Euro Rücklage aufbauen.



    Nebeneffekt: Die klassischen unterbezahlten Jobs (Kellner, Marktregale bestücken, Baby aufpassen...) haben weniger Bewerber und dann werden die langfristig auch besser bezahlt werden.

  • Endlich: Nach Monaten, in denen in Deutschland berechtigterweise andere Themen und Gruppen im Vordergrund standen, geraten nun auch Studierende in den Blick. Und hier tun sich Abgründe auf. Dieselbe Dynamik, die im Schulbetrieb existiert und darüber bestimmt, wer einen guten Abschluss macht und wer nicht, wird hier fleißig fortgesetzt mit einer Bildungsministerin, die offenbar vollkommen überfordert nicht einmal weiß, wie man das Wort "sozial" buchstabiert.

    Anja Karliczeks Job ist es, ein ungerechtes Bildungssystem so zu lassen, wie es ist. Wer Studierenden Kredite und Nothilfen in einer Höhe anbietet, die vielerorts nicht einmal die Miete abdecken, der nimmt den Studienabbruch Tausender billigend in Kauf. In Deutschland beziehen nur 13 Prozent aller Studenten BaföG. Wer keine Eltern hat, die zuzahlen, der guckt oft in die Röhre. Die Reform und Erhöhung des BaföGs im letzten Jahr war ein absoluter Witz. Das deutsche Bildungssystem ist darauf ausgerichtet, dass nur eine bestimmte ökonomische Klasse letztlich auch den Abschluss schafft. Von Rassismus wollen wir hier gar nicht erst anfangen: Doktor*innen of Colour - vor allem in den Geisteswissenschaften - kann man in diesem Land an zwei Händen abzählen. Das war schon immer politisch gewollt und tritt nun während Corona offen zutage, weil eine Bildungsministerin zeigt, dass sie schlicht null Interesse hat auch nur so zu tun als wolle sie daran etwas ändern.

    Hinzu kommt, dass viele Hochschulen während der Corona - Krise vollkommen auf sich allein gestellt sind. Es gibt schlicht keine Pläne, die die Öffnung der Universitäten forciert geschweige denn darüber nachdenken, was mit benachteiligten Studierenden ist, die ebenfalls Probleme mit E - Learning haben. Nein, Anja Karliczek muss zurücktreten. Sie möchte offenbar keine Bildungsministerin für alle zu sein.

    • @David Kind:

      genau, ich bin ganz bei ihnen

  • Verstehe ich nicht, der Sinn von studieren ist doch später einen gut bezahlten Job machen zu können. Das gerade Corana ändert langfristig ja nichts daran. Und als Gutverdiener zahlt man dann sein Darlehen ab.

    • @lord lord:

      "...später einen gut bezahlten Job..."

      der war gut :-)

  • Kredite sind keine Lösung? Es hat niemand davon gesprochen, daß wir eine Lösung wollen. Wir sind ein paar Hanseln, die weltweit den Kapitalismus zum Blühen bringen, Leute mit Problemen interessieren nicht. Erst, wenn der Kapitalismus voll erfaßt das Schuldenuniversum füllt, wissen wir wohin sich Kapitalismus rentiert. Auch der Letzte, der im Anschluß das Licht ausmacht, hat es dann kapiert.