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Studien zu Extremwetter und WaldbrändenDie Klimakrise tötet – auch in L. A.

Eine Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Klimaerhitzung die Feuer in Los Angeles um 35 Prozent wahrscheinlicher gemacht hat.

Buschfeuer wüten in Los Angeles: Der Klimawandel hat die Katastrophe wahrscheinlicher gemacht Foto: Jae C. Hong/ap

Berlin taz | Die Erderhitzung wird ohne wirksamen Klimaschutz in Europa in den kommenden 75 Jahren zusätzlich 2,3 Millionen Menschen töten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Fachblatt Nature Medicine erschien. Demnach wird die Zahl der Kältetoten zwar abnehmen, die der Hitzetoten aber überproportional ansteigen. Ein Team der London School of Hygiene and Tropical Medicine hatte anhand von Klimasimulationen die Todesraten in 854 Städten aus 30 Ländern bei weiter steigenden Temperaturen untersucht.

Vor allem im Mittelmeer-Raum werde Hitze lebensgefährlich, erklärt Pierre ­Masselot, Hauptautor der Studie: „Dort könnten die Temperaturen schlimmstenfalls um durchschnittlich 5 Grad bis Ende unseres Jahrhunderts steigen.“ Unter den untersuchten Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern würde die Zahl der Hitzetoten vor allem in Barcelona, Madrid und Valencia sehr stark ansteigen. Aber auch Griechenland, der Balkan, Ungarn, Tschechien und Süddeutschland sind Hotspots.

Aktuell sterben in Europa mehr Menschen an Kälte als an Hitze. Doch wenn die Klima­er­wär­mung auf 2 Grad begrenzt werden könnte, würden die Toten wegen Hitze die Mehrheit übernehmen. Steigende Temperaturen schädigen indirekt die Gesundheit, indem sie Stress verursachen, das Kreislaufsystem schwächen, Organe versagen lassen – und direkt: Ab 42 Grad Celsius Körpertemperatur gerinnt das menschliche Eiweiß, der Tod ist unausweichlich. Die bislang in Deutschland gemessene Höchsttemperatur liegt bei 41,2 Grad, gemessen im Jahr 2019. Besonders gefährdet sind Kranke, Alte, Säuglinge und Kleinkinder.

Bei der Hitzewelle 2023 in Kalifornien kletterte das Thermometer sogar auf 51 Grad, nicht einmal in der Nacht kühlte sich die Luft auf jene Temperatur ab, die ein gesunder Mensch als Körpertemperatur besitzt: 37 Grad. Auf dem Höhepunkt der Welle waren 110 Millionen US-Amerikaner betroffen, ein Drittel der Bevölkerung.

Die Brände ereigneten sich mitten in der Regenzeit

Park Williams, Geografie-Professor

Welchen Einfluss die Klimaerhitzung auf die Waldbrände in Kalifornien ausübte, das hat jetzt eine Gruppe von Wissenschaftlern untersucht. „Buschfeuer hat es schon immer gegeben in Südkalifornien“, urteilt Park Williams, Geografie-Professor an der University of California und einer der Autoren. „Allerdings ereigneten sich diese Brände mitten in der eigentlichen Regenzeit.“ 10.000 Häuser wurden vernichtet, 29 Menschen kamen in den Flammen um, in Eaton, südlich von Los Angeles, brennen immer noch 57 Quadratkilometer. Aktuell stellt sich für viele die Frage: Zurückkehren und wiederaufbauen oder besser nicht?

35 Prozent wahrscheinlicher

Wer der sogenannten Attributionsforschung folgt, lässt das besser bleiben: Die Studie ergab, dass der Klimawandel solch heiße, trockene und windige Bedingungen, die die Brände derart zerstörerisch anfachten, etwa 35 Prozent wahrscheinlicher macht. Steigt die Durchschnittstemperatur in den nächsten 75 Jahren auf 2,6 Grad global – angesichts der aktuellen Klimaziele der Staaten eine realistische Annahme –, wird das Risiko für solch brandgefährliche Bedingungen auf 70 Prozent steigen. Zudem stellten die Forscher fest, dass die Waldbrandsaison in Los Angeles länger und gefährlicher wird: Bereits heute dauert die Feuergefahr im Durchschnitt etwa 23 Tage länger als im vorindustriellen Klima. Park Williams rät deshalb, nicht wieder so aufzubauen, wie es war: „Es ist nur eine Frage von Jahren, bis diese verbrannten Gebiete wieder bewachsen sind und nach Dürre hohes Potenzial für schnell ausbreitendes Feuer bieten.“

Friederike Otto, Professorin am Londoner Imperial College und Mitbegründerin der World Weather Attribution, konnte sich einen Seitenhieb auf die Politik des neuen US-Präsidenten bei der Präsentation der Studie nicht verkneifen: „Von heftigen Hurrikanen im Osten bis zu albtraumartigen Waldbränden im Westen: Die Klimaerhitzung zerstört Leben und Lebensgrundlagen in den USA. Die Staats- und Regierungschefs haben auch 2025 die gleichen Alternativen: Fossile Rohstoffe weiter zu verbrennen und immer unsichere Wetterbedingungen zu schaffen oder auf erneuerbare Energien umzusteigen.“

Trump hatte das Katastrophengebiet am vergangenen Samstag besucht – und Bedingungen dafür formuliert, dass Hilfen aus Washington fließen. Schätzungen zufolge haben die Feuer bislang Schäden in Höhe von über 250 Milliarden US-Dollar verursacht.

Aber nicht nur das: Die Brände setzten auch große Mengen Kohlendioxid frei und tragen so selbst zum Anheizen des Treibhauses bei. Zuletzt hatte es sehr viel gebrannt, was nicht ohne Folgen blieb: Noch nie ist die Konzentration der Treib­hausgase binnen einem Jahr in der Atmosphäre so stark angestiegen wie 2024. Nach Angaben des britischen Wetterdienstes kamen 3,58 ppm – „Teile CO2-Äquivalent pro Million Teilchen Atmosphäre “ – hinzu, die Konzentration liegt somit bei 424 ppm. Vorindustriell waren es 280 ppm, als 1992 die Klimarahmenkonvention – Grundlage des internationalen Klimaschutzes – beschlossen wurde, waren es 354 ppm. Eine Konzentration von 450 ppm gilt als die Schwelle, an der das 2-Grad-Ziel gerissen wird.

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4 Kommentare

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  • "Unter den untersuchten Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern würde die Zahl der Hitzetoten vor allem in Barcelona, Madrid und Valencia sehr stark ansteigen. Aber auch Griechenland, der Balkan, Ungarn, Tschechien und Süddeutschland sind Hotspots."



    Das dürfte sich auch auf Immobilienwerte auswirken. Versicherungen werden die Klimasituation ebenso beobachten wie GesundheitspolitikerInnen.



    Wahrscheinlich trifft es Global Player wie die "Münchener Rück" nicht wirklich unvorbereitet.



    Bei br.de



    "Wenn die Munich Re ihren jährlichen Naturkatastrophenbericht veröffentlicht, äußert sich der Rückversicherer für gewöhnlich eher zurückhaltend. Doch für 2024 haben auch die Münchner Forscherinnen und Forscher drastische Worte gewählt - der Bericht ist dieses Mal mit: "Der Klimawandel zeigt Krallen" überschrieben."

  • Nicht die Klimakrise tötet Menschen in LA, sondern Brandstifter. In Griechenland wurden im letzten Jahr 270 Brandstifter festgenommen. Abgebrannter Wald darf da zu Baugrundstücken umgewandelt werden.

    Und im MDR TV meinte ein Brandmeister der Feuerwehr und proffessioneller Waldbrandbeobachter "Es gibt drei Brandursachen . Männer, Frauen und Kinder".

    Die Höchstemperatur in Los Angeles war im Dezember 19 Grad. Nachts 9 Grad. Da brennen keine Wälder von selbst.

    www.wetter.com/rei...les-US5368361.html

    • @Martin Sauer:

      Mag sein, dass jedes Feuer einen Menschen zur Ursache hat, ob nun beabsichtigt oder nicht. Ob aus einem einzelnen Feuer ein unkontrollierbarer Großbrand wird, oder das Feuer verhungert und von alleine ausgeht, hat aber mit zufälligen äußeren Faktoren wie Regen und Wind zu tun.

      Ändern sich die Wahrscheinlichkeiten dafür, ändert sich die Häufigkeit der gefährlichen Großbrände.

    • @Martin Sauer:

      Bei spektrum.de erst unlängst zur Frage der Waldbrandgefahr bei niedriger Temperatur oder im Herbst/Winter



      "Als besonders zerstörerisch haben sich allerdings immer wieder Brände erwiesen, die im Herbst und frühen Winter auftraten, wenn die Santa-Ana-Windsaison einsetzt. Diese trockenen Winde entstehen, wenn die Luft von den Bergen im Landesinneren in Richtung der südkalifornischen Küste strömt.



      Im Normalfall erhöhen sie trotzdem das Feuerrisiko nicht, da es in dem US-Bundesstaat von Oktober bis Dezember typischerweise mehr regnet. Nicht so dieses Mal, wie die Schnellanalyse der Wissenschaftler-Initiative World Weather Attribution (WWA) am Imperial College London herausarbeitet: So habe es in der Region seit Mai 2024 keine signifikanten Regenfälle gegeben."



      Die Wissenschaft erklärt unspektakulär u. ohne Spekulationen die signifikanten Ursachen. Die entsprechenden Versicherungen werden das sicherlich zusätzlich bestätigen.



      Brandstiftung dürfte vielleicht ein weiterer Faktor sein.



      Bei planet-wissen.de



      "Die Aboriginals taten das, was sich in den 1970er-Jahren als "Feuermanagement" durchsetzte. Bis dahin galten Waldbrände generell als schädlich und vor allem die US-Amerikaner taten..."