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Studie zur KlimakriseNoch 3 Jahre bis zu 1,5 Grad

Ein Report zeigt, dass die globale Durchschnittstemperatur bald das Pariser Klimaziel dauerhaft überschreiten wird. Folgen zeigen sich schon jetzt.

Die steigenden Temperaturen machen auch der Gewässerqualität zu schaffen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Berlin taz | Die Messreihe auf dem Mouna Loa begann 1958. Die Lage des Laboratoriums auf dem 4.170 Meter hohen Vulkan auf Hawaii ist ideal für atmosphärische Untersuchungen: Die nächsten Industrieschlote sind tausende Kilometer weit weg. Damals maßen die Wissenschaftler 15 Teile Kohlendioxid pro Million Teile Luft. 1970 waren es 324 „parts per million“, abgekürzt ppm. Jahr für Jahr stieg die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, aktuell liegt sie bei 429,93 ppm. Im vergangenen Jahr war es 1,6 Grad zu warm.

Ein neuer Bericht kommt nun zu dem Schluss, dass die Konzentration bereits in drei Jahren so hoch sein wird, dass die globale Oberflächentemperatur um 1,5 Grad durchschnittlich über das Niveau der vorindustriellen Zeit steigt. Der Report „Indicators of Global Climate Change“ wurde von einem internationalen Forscherteam erstellt und enthält eine Sammlung der wichtigsten Daten und Kennzahlen zur globalen Erwärmung. „Wir orientieren uns dabei so eng wie möglich an den Methoden des Sechsten Sachstandsberichts (AR6) des IPCC“, schreiben die Autoren.

Ursprünglich hatten sich die Staaten der Klimarahmenkonferenz 2015 mit dem Paris-Protokoll verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, „den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“. Im Vertrag steht auch die Begründung für genau diese Temperaturschwelle. Es wurde erkannt, heißt es im Artikel 2, „dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde.“

Diese gehen von sogenannten Kipppunkten aus: zentrale Teile des Klimasystems, darunter etwa die Eisschilde von Grönland und der Antarktis, die atlantische Ozeanzirkulation oder der Amazonas-Regenwald.

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„Diese können höchst nichtlinear reagieren“, erklärt die Klimaforscherin Ricarda Winkelmann. „Wenn diese Systeme sich erst einmal in einem kritischen Zustand befinden, also nahe ihres Kipppunktes, reicht eine kleine Störung, wie zum Beispiel eine kleine Änderung in der Temperatur, aus, um weitreichende, teils unumkehrbare Folgen auszulösen“, so die Professorin für Klimasystemanalyse an der Universität Potsdam.

Das Eis schmilzt

Illustrieren lässt sich das gut mit einem Pullover: Jeder, der in den Bergen wandern geht, packt ihn sich ein, weil er weiß, dass es auf dem Gipfel kühler ist als im Tal. Der grönländische Eispanzer – flächenmäßig viermal so groß wie die Bundesrepublik – ist bis zu 3.300 Meter hoch. Taut das Eis, fällt seine Oberkante nach unten in immer wärmere Schichten. Der Tauprozess läuft bereits, in den vergangenen vier Jahrzehnten gingen mehr als 5.000 Quadratkilometer Eismasse verloren. Das ist doppelt so viel, wie das Saarland Fläche besitzt. Taut der grönländische Eisschild komplett ab, steigt der Meeresspiegel um sieben Meter. Emden liegt einen Meter hoch.

Die Erde erwärmt sich nicht gleichmäßig, an den Polen verläuft der Temperaturanstieg deutlich schneller als am Äquator, „die Arktis erwärmt sich viermal schneller als der Rest des Planeten“, sagt Julienne Stroeve, Professorin am National Snow and Ice Data Center in den USA. In diesem Februar lag die Temperatur am Nordpol mitten im arktischen Winter über dem Gefrierpunkt.

Das hat auch Auswirkungen auf unser Alltagsleben, wie eine weitere soeben erschienene Studie zeigt: Unsichtbare Staus am Himmel sind in den letzten Jahren dreimal häufiger geworden. Es geht um Starkwinde in der Stratosphäre, den „Jetstream“ beispielsweise, der wegen der Erdrotation von West nach Ost mit Geschwindigkeiten von teils mehr als 500 Stundenkilometern in ziemlich gleichmäßigen Wellen um den Globus mäandert. Angetrieben wird er von den Temperatur- und Druckunterschieden zwischen Tropen und Polen, seine Wellenbewegung bringt nach einem Tiefdruckgebiet ein Hoch und dann wieder ein Tief und so weiter.

Jetstream verliert an Kraft

Wenn die Temperatur an den Polen aber immer wärmer wird, verliert der Jetstream seine Kraft. Wetterextreme sind die Folge, der Extremsommer 2018, die extreme Hitze in Deutschland im Juli 2019 mit Temperaturen von über 40 Grad, das Ahrtalhochwasser 2021, aber auch der ungewöhnlich kalte Winter 2009/10.

Ein Team um Xueke Li und den renommierten Klimaforscher Michael Mann von der University of Pennsylvania haben nun globale Wetterdaten aus der Zeit von 1950 bis heute mithilfe neuer Analysemethoden ausgewertet. Zusätzlich untersuchten sie, wie oft die atmosphärischen Winde blockiert wurden. Ergebnis: Extremwetter haben sich in den letzten 70 Jahren von durchschnittlich einmal pro Jahr auf dreimal erhöht.

Aktuell tagt die Klimadiplomatie in Bonn, um den Fahrplan für ihre Verhandlungen in diesem Jahr festzulegen. Beobachter sprechen von zähen Gesprächen. Durchschnittlich messen sie auf dem Mouna Loa, dass pro Jahr 2 ppm Treibhausgase hinzukommen: Erreicht die Konzentration 450 ppm, wird auch das 2-Grad-Ziel gerissen. Schreibt sich die aktuelle Entwicklung so fort, wäre das 2035.

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