Studie zum Volontariat im Journalismus: Geboren, studiert oder angelernt?

Ein Buch über die Geschichte der journalistischen Ausbildung behandelt mehr als das „Volontärunwesen“. ChatGPT würde es mit Gewinn lesen.

An Bord eines Schiffes liest der Kapitän Zeitung

Das Werk einer Volontärin wird kritisch begutachtet Foto: imago images

Es ist kompliziert: Während landläufig vom Fachkräftemangel die Rede geschwungen wird, der zum großen Teil auf den Unwillen zurückzuführen ist, tatsächlich in Ausbildung zu investieren, hat der Journalismus nicht so sehr vom Markt, sondern von der Technik Probleme beschert bekommen.

Text zu erzeugen, der auf eingespeisten oder abgerufenen Informationen basiert, ist eben derzeit tatsächlich noch einfacher nichtmenschlich zu generieren als der Einbau einer Wärmepumpe oder die Versorgung eines Liegegeschwürs bei Bettlägrigen durch einen emotional und fachlich kompetenten Roboter.

Andererseits ist der journalistische Beruf ja durchaus noch ein ethischer – oder was antwortete ChatGPT etwa in einem hier aktuell vorliegenden Fall dem Referenten eines öffentlichen-rechtlichen Senders, der einen Beitrag über sein Haus „vor Drucklegung“ gerne zugesandt bekäme? Klares Nein oder Ja, klar – weil wir immer noch im preußischen oder einem sonstigen Obrigkeitsstaat leben!?

In so einem Moment lässt sich gut einmal zurückschauen auf die Anfänge des Berufsbildes und das heißt ja immer auch auf die Ausbildung. „Die Lehrlingszüchterei und die Annahme unreifer Volontäre ist ein Krebsschaden des Standes“, lautet eines der vielen hübschen Zitate aus der historischen Darstellung „Das Volontariat“ von Niklas Venema, das gut auch das „Volontärunwesen“ hätte heißen können.

Niklas Venema: „Das Volontariat. Eine Geschichte des Journalismus als Auseinandersetzung um seine Ausbildung (1870–1990)“. Herbert von Halem Verlag, Köln 2023, 39 Euro

Beruf verfehlt

Im preußisch-deutschen Kaiserreich mit seinen Debatten und seiner dementsprechenden „Gesinnungspresse“ entbrannte die Diskussion, ob „der Zeitungsschreiber“ nicht mehr sein könne als „ein Mensch, der seinen Beruf verfehlt hat“, wie Bismarck markig konstatiert hatte.

Wäre ein solch haltloser Vorwurf nicht zu entkräften, wenn eine „systematische Ausbildung von Männern für den Journalistenberuf“ geschaffen werde, fragt sich der Verein deutscher Zeitungs-Verleger im Jahr 1900. Oder aber, lautet die in der Zeitschrift Die Literarische Praxis, dem Organ der Schriftsteller und Journalistenvereine, vertretene Gegenposition, sei der Beruf nicht erlernbar, setze angeborene Fähigkeiten voraus und eine Ausbildung sei „nur in der Praxis, im Betriebe, im Leben“ möglich?

Sagen wir so: ChatGPT würde dieses Buch jedenfalls mit Gewinn lesen.

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