Studie zum Klimakiller Kohle: Licht am Ende des Schornsteins
Weltweit verliert der Ausbau der Kohleverstromung laut einer Greenpeace-Studie an Schwung. Klimaziele erfordern aber eine Vollbremsung.
Der weltweite Boom des größten Klimakillers geht möglicherweise langsam zu Ende. „Verschiedene Faktoren beenden das Zeitalter der Kohle-Expansion und signalisieren den Beginn eines globalen Auslaufens der Kraftwerks-Flotte.“ Das ist das Fazit des aktuellen Berichts „Boom and Bust“, mit dem die Umweltverbände Sierra Club und Greenpeace sowie der Wissenschaftlerverbund „Coalswarm“ den Energiemarkt analysieren. Allerdings warnen sie auch, dass nur eine radikale Trendumkehr bei der Kohle die weltweiten Klimaziele erreichbar machen könnte.
Wie schon in den Vorjahren haben die Experten die Daten zur weltweiten Kohleindustrie zusammengetragen. Wie bereits 2016 sehen sie auch für 2017 eine drastische Verlangsamung beim Ausbau der Kohle: Um noch einmal fast 30 Prozent gingen die Fertigstellungen und der Baubeginn von Kraftwerken zurück; 22 Prozent weniger Anlagen wurden geplant oder genehmigt. Insgesamt wurden in den letzten drei Jahren so viele Kohlekraftwerke abgeschaltet wie nie zuvor – 522 Anlagen mit einer Gesamtleistung von fast 100 Gigawatt (GW).
Für diesen Trend sehen die Forscher viele Gründe: Erneuerbare Energien werden schneller als gedacht billiger, die Luft in Großstädten ist ein Problem für die Politik; Banken und private Firmen steigen aus der Finanzierung von Kohle aus. Allein in China liegen demnach Kohlekapazitäten von fast 450 GW auf Eis, in Indien scheut privates Kapital Investitionen in die Kohle.
„Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird die Gesamtkapazität der Kohle weltweit ab 2022 abnehmen“, heißt es in dem Bericht. 2017 wurden insgesamt 25 GW an Leistung stillgelegt – allerdings immer noch 60 GW neu ans Netz gebracht. Die meisten alten Kraftwerke stehen demnach in der EU und in den USA – die sich trotz aller Rhetorik der dortigen Bundesregierung „aus der Kohle wegbewegt“. Allein seit 2010 wurde praktisch jedes zweite US-Kohlekraftwerk vom Netz genommen.
Länder wie Türkei und China bereiten Sorge
Jan Steckel vom „Mercator Institut Globale Gemeingüter und Klimawandel“ warnt allerdings vor Euphorie. Niemand wisse, ob abgeschaltete Kraftwerke etwa in China nicht im nächsten Aufschwung wieder Strom lieferten. „Mir machen zudem Länder wie die Türkei, Vietnam, Ägypten oder Bangladesch Sorge, die die Stromnachfrage der Zukunft darstellen und derzeit ihre Kohlepläne massiv ausweiten.“ Wolle die Welt den Klimawandel bei 2 Grad stoppen, dürften nur noch etwa 720 Milliarden Tonnen CO2 in die Umwelt gelangen, egal ob aus Strom, Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft. Aber allein die heutigen Kohlemeiler und die bereits gebauten und geplanten würden fast die Hälfte dieses Budgets nur für den Strom aus Kohle aufbrauchen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung