Studie zu rechten Netzwerken: Feinderklärungen in den Medien
Der Publizist Wolfgang Storz hat Medien rechter Gruppen untersucht. Er befürchtet die Demontage der demokratischen Öffentlichkeit.
Der mediale Betrieb wird geprägt von begrifflichen Unschärfen. Von zentraler Bedeutung für kommunikative Wirrnisse sind Begriffe wie „Populismus“ und „Querfront“. Der Publizist, langjährige Redakteur und Kommunikationsberater Wolfgang Storz hat für die Otto-Brenner-Stiftung eine Kurzstudie erstellt, die auf diesem Feld für etwas mehr Klarheit sorgt: „‘Querfront’. Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks“.
Die empirische Grundlage für die von dem Autor als „Recherche-Studie“ verstandene Arbeit bildet ein rundum rechtslastiges Netzwerk, das sich selbst ebenso jenseits des Links-rechts-Schemas ansiedelt wie jenseits aller Institutionen (Parteien, Verbände, Interessengruppen) und medialen Einrichtungen. Die politischen Akteure verstehen sich als Sprachrohr des „Volkes“ bzw. als Antwort auf „die“ Politik, „die“ Parteien, „die“ Presse und „die“ Medien, mit denen man nichts mehr zu tun haben wolle.
Insofern sind die Selbstdarstellungen des Netzwerks um die Politakteure Ken Jebsen und Jürgen Elsässer mit ihren Aktionen („Montagsmahnwache“), ihrem Monatsmagazin Compact, ihren Interviews und Filmen auf dem Portal KenFM.de im Netz sowie ihrem Verlag (Kopp Fachbuchversand) vor allem politische Selbstausgrenzungen bzw. identitär grundierte Feinderklärungen.
Das Monatsmagazin Compact hat eine Auflage von 30.000 Exemplaren. Die Filme, Interviews und Talkshows von Jebsen zählen 100.000 bis 150.000 Zugriffe pro Monat, und der Kopp-Verlag und Fachbuchversand kommt mit 60 Mitarbeitern auf einen Jahresumsatz von 5 bis 10 Millionen Euro. Die Bestseller des Verschwörungstheoretikers Udo Ulfkotte im Kopp-Verlag (“Gekaufte Journalisten“ und „Mekka Deutschland. Die stille Islamisierung“) verkauften sich 150.000 mal. Experten halten die Zahlen für realistisch.
Die Selbstausgrenzung des Netzwerks aus dem medialen Betrieb dient der Identitätsstiftung für das Zielpublikum sowie dessen Mobilisierung für Aktionen, aber auch der Aufmerksamkeitssteigerung. Damit ist jedoch die (noch) geringe, aber wachsende Gefahr solcher Netzwerke nur oberflächlich beschrieben. Wolfgang Storz befürchtet nichts weniger als eine Demontage von qualifizierter Öffentlichkeit und Demokratie als kontraproduktive Nebenwirkung von Netzwerken, die sich der technologischen Entwicklung bemächtigen und medienpolitisch agil unterwegs sind.
In dem Maße, wie sich durch die mediale Dynamik Information gleichsam totalisiert und potenziell jeder und jede zum medialen Informationskanal werden kann, verschwindet die Öffentlichkeit, weil jeder seinen diffusen Meinungskosmos als Öffentlichkeit präsentiert oder schlicht auf jene vertraut, die ihn umwerben. Kontroverse Debatten und Quellenüberprüfungen sind in solchen Pseudoöffentlichkeiten nicht mehr vorgesehen.
Die Gefahr der Demokratie
Deutlich wird deren Gefahr in Storz’ inhaltlicher Analyse des politischen Konzepts der „Querfront“ des rechten Netzwerks. Es versteht sich als jenseits von links und rechts, wirbt für die aktuelle Politik des Kremls und für die AfD, agitiert gegen die EU, Israel und die Westorientierung der BRD und warnt vor dem „moralisch-kulturellen Zerfall“ der Demokratie infolge der Zuwanderung von Muslimen und des Sexualunterrichts in den Schulen und infolge des Abbaus nationaler Souveränität.
Solche wirrköpfigen Mixturen aus ideologischen Schlagwörtern gelten als Markenzeichen von „Populismus“, weil unterschiedliche Perspektiven, Motive, Interessen und Werte aus dem politischen Diskurs ausgeblendet und durch begriffliche Fanalparolen ersetzt werden, die als Feinderklärungen fungieren.
Bei allen Verdiensten von Storz’ sorgfältiger Studie zeigen sich auch ihre Grenzen. Einmal beruht die Studie auf einer schmalen empirischen Basis, die weiterreichende Schlüsse nicht zulässt. Vor allem aber bleibt der theoretische Rahmen unklar, was sich an der tastenden Terminologie erweist. Als Ziel des rechten Netzwerks identifiziert Storz „die autoritäre nichtliberale Volks-Demokratie“.
Was soll – ins Deutsche übersetzt – „Volks-Volksherrschaft“ bedeuten? Die Verdopplung des Begriffs „Volk“ verweist auf die gleiche theoretische Untiefe wie die Übersetzung von „Populismus“ mit „Volkstümlichkeit“. Zu analysieren wäre doch, ob es neben dem rechten Populismus einen linken gibt und worin sich diese unterscheiden. Zumindest wird aus Storz’ Analyse klar, dass auf dem Boden des rechten Netzwerks sicher keine Demokratie entsteht, auch keine „Volks-Demokratie“, bestenfalls ein Willkürregime mit demokratischer Fassade.
Leser*innenkommentare
Albrecht Pohlmann
Die Herren Storz und Walther machen es sich zu einfach: Neben genuin rechten Themen ("Flüchtlingsgefahr!" - "Islamisierung!" - "Genderwahn!") greifen die genannten Publizisten und Medien auch Themen auf, welche von den etablierten Medien (auch der TAZ) weitgehend tabuisiert worden sind bzw. nur oberflächlich, verschleiernd oder einseitig betrachtet werden: Finanzoligarchie, transatlantische und sonstige Netzwerke der Macht, Medienmanipulation, verdeckte Kriegsführung, inszenierter Terror, false flag operations usw. usf. Mit diesen Themen setzen sich auch linke Publizisten (meist Blogger) auseinander, die nicht zu jener "Querfront" zu rechnen sind - allerdings auch nicht über ein solches Netzwerk verfügen. Diese Konstellation macht es jener "Querfront" leicht, Leute, die sich nicht mit den offiziellen Erklärungen für derartige Vorgänge zufrieden geben, als Konsumenten zu gewinnen. Der Erfolg der "Querfront" beruht demzufolge auf den eklatanten Defiziten der meisten Medien - und in diesen genannten Fällen eben auch der TAZ. Insofern umkreist solche Kritik an dieser Stelle stets auch einen blinden Fleck: immerhin war die TAZ mal als Organ der Gegenöffentlichkeit gegründet worden.
Jaheira Müller
Im Artikel steht, dass Ken Jebsen für den Kopp Verlag schreibt. Weil auf Wikipedia nichts darüber steht, habe ich es mit einer Google-Suche probiert. Der Kopp-Verlag schreibt über Ken Jebsen, umgekehrt habe ich jedoch nichts gefunden. "Für den Kopp-Verlag schreiben" ist eine heftige Anschuldigung, und ich habe den Eindruck, es stimmt nicht. Ich wünschte, es wären nur die Rechtsradikalen, die nicht recherchieren.
Warum muss man über Linke schreiben, wenn das Thema Rechte sind? Weil beides fast das Gleiche ist? Ich denke, dass Rechte mehr Gemeinsamkeiten mit dem Rohen Bürgertum haben als mit Linken.
Was sind "begriffliche Fanalparolen"? Ich habe einen großen Wortschatz und ein gutes Textverständnis, aber diesen Artikel finde ich schwer zu verstehen.
Hauke
@Jaheira Müller Wo im Artikel steht, dass Jebsen für den Kopp Verlag schreibt? Im dritten Absatz ist die Rede von einem "Netzwerk um die Politakteure" Jebsen und Elsässer.
24636 (Profil gelöscht)
Gast
@Jaheira Müller Das Fanal ist ein Signal an die eigene Gruppe, zur Sammlung z.B. Parolen sind hier eine Art der Rede, die Hetze, Aufwiegelung betreibt, in der Sache jedoch undifferenziert ist. Gemeint sind Wendungen wie "WIR sind das Volk", "Lügenpresse halt die Fresse" oder "Das Boot ist voll".
849 (Profil gelöscht)
Gast
Abgesehen davon, dass ein Fanal nichts Begriffliches ist, sondern etwas, das Aufmerksamkeit für eine sich abzeichnende neue Entwicklung erregen soll, mag der Autor zwar solche Phrasen wie Sie sie zitieren gemeint haben.
Dass diese aber als Vorzeichen für etwas Neues gesehen werden können, ist hingegen ausgeschlossen. Vielmehr verweisen sie auf psychische Regression (auch "Wir sind das Volk", die "Fanalparole" schlechthin des Herbsts 1989).
Insofern ist das Fanal an diesen Latrinenparolen allenfalls die Wendung nach rückwärts, weswegen sich der Autor auch für die merk-würdige Koppelung von Fanal und Parole (die begrifflich nicht stimmig ist) entschieden haben mag.
24636 (Profil gelöscht)
Gast
"bestenfalls ein Willkürregime mit demokratischer Fassade"
Darum auch die unkritische Auseinandersetzung mit Russland und Putins-Politiken. Dort irgendwo liegt das gewünschte System verschüttet. Gleichzeitig projiziert man genau das auf die hiesigen Verhältnisse, nicht um Differenzen auszumachen, sondern als Vorwurf. Alles sei gekauft und wie im Puppentheater gesteuert, jeder kritische Bericht wird als Indiz und nicht als Gegenbeleg zur eigenen Überzeugung interpretiert. Woran es dabei immer mangelt und sich diese vermeintlichen Kritiker offen über ihre Defizite aussprechen: Reflexivität und Ambiguitätstoleranz. Man macht sich eben keinen Begriff zur Kritik, sondern Kritik ist stets das, was sich eignet, um den Gegner sturmreif zu schießen. Letztlich wirft man mit Dreck und Abfall, weil einem das Leben darin unerträglich ist. Doch wie Bauman so schön feststellt: Wenn wir an einem heute keinen Mangel leiden, dann ist das der Müll.