Studie zu Vorurteilen bei Polizei: Cops im Visier der Polizei
Die Hamburger Akademie der Polizei will eine Studie zur Arbeitsbelastung starten, in der es auch um die Entstehung von Vorurteilen gehen soll.
Tatsächlich spricht die Initiative für sich. Es gehe darum, „Erkenntnisse zum Ausmaß von werte- und demokratiebezogenen Einstellungen sowie zu diesbezüglichen Schutz- und Risikofaktoren“ bei den MitarbeiterInnen zu erhalten, so fasst Polizeisprecher Holger Vehren die Ziele zusammen. Noch konkreter hatte es Thomas Model im Hamburger Abendblatt formuliert, als er von „Risikofaktoren“ für die „Entstehung von Vorurteilen und radikalen Einstellungen“ bei der Polizei sprach.
Partner für das Projekt sind bislang das Institut für Soziologie und Sozialwissenschaften der Uni Hamburg, das Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld sowie das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen. Noch sei das Projekt in einem „frühen Stadium“, so Vehren, deshalb lasse sich etwa die Frage, ob das Thema Racial Profiling eine Rolle spielen werde, nicht beantworten. Eben dies ist eine Forderung des Hamburger Linken-Abgeordneten Deniz Celik, der eine wissenschaftliche Studie dazu beantragt hat.
Nun begrüßt Celik zwar, dass sich die Polizei mit den Einstellungen ihrer MitarbeiterInnen befasst, fürchtet aber, „dass die Studie nicht auf diskriminierende Praktiken zielt“. Zudem sieht er die Gefahr, dass durch die freiwillige Teilnahme vor allem jene repräsentiert werden, deren Haltung nicht diskriminierend ist.
Dem widerspricht Anja Mensching, Professorin für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Organisationspädagogik an der Uni Kiel und Mitorganisatorin des Arbeitskreises Empirische Polizeiforschung. Dass die Teilnahme an solchen Studien auf freiwilliger Basis erfolge, sei „ethisches Grundprinzip der Forschung“.
Für sie ist die Idee einer Forschungskooperation zwischen der Hamburger Akademie der Polizei und der Universität Bielefeld sowie dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen „auf jeden Fall eine sehr gute Idee“. Denn bislang gebe es vor allem Studien, die sich aus psychologischer Sicht mit der individuellen Arbeitsbelastung von PolizistInnen befassten, aber kaum solche, die die Polizei als Organisation betrachteten. Damit hätte eine aktuelle Studie die Chance, etwa in den Blick zu nehmen, wie dort Vergemeinschaftung ablaufe oder wie mit widerstreitenden Positionen umgegangen werde. Von einer solchen Untersuchung könne die Polizei „unglaublich viel gewinnen“.
Den Widerstand gegen eine solche Selbsterforschung – bis hin zum Reizthema Racial Profiling – verortet Mensching weniger im Polizeiapparat selbst. Nach ihrer Erfahrung mit Führungskräften in der niedersächsischen Polizei anlässlich einer Studie zur Arbeitsbelastung gebe es dort „eine hohe Sensibilität für Ungleichbehandlung in den verschiedensten Formen“. Die Vorbehalte sieht Mensching vor allem auf der politischen Seite. Sie plädiert dafür, den Fokus für Diskriminierung aller Art zu öffnen – und tatsächlich mit einer offenen Fragestellung zu arbeiten.
Eben das klingt in den Stellungnahmen der Hamburger Innenbehörde und der Polizeigewerkschaft mit. Die Innenbehörde betonte, man unterstütze die Studie, weil sie sich „ja eben gerade nicht allein auf Rassismus oder Racial Profiling in der Polizei verengt“.
Ähnlich klingt es in einer Stellungsnahme der Hamburger Gewerkschaft der Polizei (GdP): „Die GdP unterstützt eine Belastungsstudie und lehnt eine Rassismus-Studie ab.“ Denn: „Wir wollen als Kolleginnen und Kollegen und als Gewerkschaft wissen, wie sich Denken und Handeln verändern, wenn Polizeibeschäftigte Tag und Nacht wiederkehrende Erfahrungen mit bestimmten Bevölkerungsgruppen, Kriminalitätsfeldern und auch mit Justizabläufen machen.“
Für einen solchen Zugang, der Rassismus in der Polizei nicht zur Ausgangsfrage macht, findet sich eine breitere Basis. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) kündigte an, eine von der GdP vorgeschlagene Studie zum Polizeialltag in der Innenministerkonferenz vorzutragen. Die Studie soll laut GdP Belastungen der Polizei untersuchen, aber auch herausfinden, warum sich „Vorurteile gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen“ bei einzelnen Beamten verfestigten und was man dagegen tun könne.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich