Studie zu Vorstandsgehältern und Löhnen: Die Bosse verdienen immer mehr
Der Vorstand eines DAX-Konzerns verdient 71 Mal soviel wie ein Mitarbeiter – vor vier Jahren war der Faktor 57. Ein Grund ist gestiegene Transparenz.
Die Vorstände von Dax-Unternehmen verdienten im vergangenen Jahr im Schnitt 71 Mal so viel wie durchschnittlich bezahlte Beschäftigte in ihren Firmen, so das Ergebnis einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. 2014 war es demnach „nur“ das 57-fache, was Vorstandsmitglieder bekamen.
„Die Schere öffnet sich weiter“, erklärte Marion Weckes, Studienautorin am Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (IMU) der Hans-Böckler-Stiftung. Das Beratungsunternehmen hkp-Group hatte bereits darauf hingewiesen, dass die Gesamtvergütungen der Vorstandsvorsitzenden in Dax-Unternehmen im vergangenen Jahr auf im Schnitt 7,4 Millionen Euro gestiegen sind. Spitzenreiter ist SAP-Chef Bill McDermott mit einer Gesamtvergütung von 21,15 Millionen Euro. Aber auch Daimler-Chef Dieter Zetsche (13,04 Millionen) und BASF-Chef Kurt Bock (10,27 Millionen)verdienen recht ordentlich.
Die Vergütungsregelungen seien im Laufe der Jahre weiterentwickelt worden und nun auch transparenter, sagt Dominik Enste, Verhaltensökonom am arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), der taz. „Die Steigerungen sind zum einen auf wirtschaftliche Erfolge zurückzuführen, zum anderen spielt bei der Steigerung vermutlich auch eine Rolle, dass durch die höhere Transparenz der Topgehälter die DAX-Vorstände sich untereinander vergleichen und damit der gewünschte Effekt der besseren Kontrolle durch mehr Transparenz konterkariert wurde.“
Unbeabsichtigte Wirkung der Transparenz
Mit anderen Worten: Wenn ein Vorstandsmitglied eines Automobilkonzerns mit drei Millionen Euro Gesamtvergütung im Jahr durch die neuen Transparenzregeln erfährt, dass ein Kollege in einem gleichwertigen anderen Automobilunternehmen mit allen Boni und Sonderzahlungen auf vier Millionen Euro kommt, könnte er dem Aufsichtsrat gegenüber Steigerungen auch für sich selbst beanspruchen.
Die sogenannte Pay Ratio, also das Verhältnis von Vorstandsgehältern zu den Löhnen, aus Gerechtigkeitsgründen pauschal zu deckeln, hält Studienautorin Weckes für problematisch. Denn es werden immer die Gehälter aller Beschäftigten, auch derjenigen im Ausland, ermittelt. Ein Unternehmen wie Adidas mit vielen Belegschaften im Ausland weist daher in der Studie eine tiefere Kluft zwischen den Durchschnittsentgelten der Beschäftigten und der Vergütung für den Vorstand in Deutschland auf als ein Konzern mit Personal hauptsächlich in Deutschland.
Man müsse sich aber in jedem Unternehmen fragen, „ob die Vorstandsvergütung angemessen ist“, sagt Weckes. Auch hier sind die Erfolgsmaßstäbe problematisch: Ein Konzern kann tausende von Arbeitsplätzen abbauen, den Gewinn steigern und damit auch die Boni und Bezüge für die Vorstandsmitglieder. Die Belegschaft hat nichts davon, im Gegenteil.
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