piwik no script img

Studie über Afrikas LandwirtschaftNicht unsere Fehler wiederholen

Mit Technologiesprüngen könnte die Selbstversorgung Afrikas verbessert werden. Auch der Nachhaltigkeit käme das zugute.

Obst- und Gemüsegarten in Kenia Foto: dpa/Grene Schait-Maleko

Berlin taz | Mit modernen Technologien und nachhaltigen Anbaumethoden soll sich Afrika wieder selbst mit Nahrungsmitteln versorgen können. Zu dieser Einschätzung gelangt eine jetzt vorgestellte Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Die Innovationen in der Landwirtschaft könnten zudem auch als Motor für eine breitere Wirtschaftsentwicklung werden, Arbeitsplätze schaffen und damit indirekt auch Fluchtursachen reduzieren.

Für diesen Sprung in eine neue Landwirtschaft, erklärt Autor und Institutsleiter Reiner Klingholz, „müssen die Bauern moderne Verfahren einsetzen, um bessere Erträge zu erzielen, und die dürfen nicht die Fehler wiederholen, die sich bei der Intensivierung der Agrarproduktion anderswo eingeschlichen habe“. Die industrielle Landwirtschaft, wie sie sich in Europa durchgesetzt hat, könne kein Vorbild sein.

Eine zentrale Rolle für die afrikanische Agrarwende könnten moderne Technologien spielen. So verfügt in den ländlichen Gebieten südlich der Sahara nur jeder vierte Bewohner über einen Stromanschluss. Dafür nutzen 420 Millionen Menschen, das sind 44 Prozent, den Mobilfunk. Für 2020 werden 535 Millionen Nutzer erwartet. Für Klingholz ist die Mobiltechnologie ein gelungenes Beispiel für das sogenannte Leap­frogging (Bocksprung), bei dem moderne Technologien übernommen werden, aber auf veraltete Zwischenschritte verzichtet wird: „Afrika konnte auf den aufwändigen Aufbau einer Festnetzinfrastruktur verzichten und hat gleich auf moderne Kommunikationsmittel gesetzt.“

So ist das Bezahlen per Handy weiter verbreitet als in Europa; der Aufbau eines flächendeckenden Bankensektors wurde übersprungen. Ähnliche Effekte sollen auch in der Landwirtschaft rea­lisiert werden.

In Nigeria hat der Bauernsohn und Elektroingenieur Ndubuisi Ekekwe eine Firma für datengetriebene landwirtschaftliche Produkte gegründet. Er produziert pilz-ähnliche Sensormodule, die in den Acker gesteckt werden und Feuchtigkeit, Temperatur, Säuregrad und Nährstoffgehalt messen. Die Daten werden an einen Cloud-Server geschickt, von wo sie der Bauer per App abrufen kann und den aktuellen Überblick über den Zustand seiner Felder hat.

Passgenaue Schädlingsbekämpfung

Daran orientiert sich passgenau Schädlingsbekämpfung oder Bewässerung. Die Technik kostet nicht viel, weshalb auch weniger kapitalstarke Bauern sie sich leisten können.

Koautorin Sabine Sütterlin führte bei der Vorstellung der Studie „Nahrung, Jobs und Nachhaltigkeit“ weitere Beispiele an, wie Pioniere an einer neuen Landwirtschaft in Afrika arbeiten. In Senegal etwa baut ein Veterinärmediziner eine Wertschöpfungskette für einheimische Milch auf. In der Elfenbeinküste veredelt eine Frauen-Kooperative Roh-Kakao zu feinster Schokolade. In Sambia setzt ein Projekt auf Fischzucht und Soja-Anbau, um die Landwirtschaft zu diversifizieren und attraktiver für junge Menschen zu machen. In Malawi lernen Maisbauern die Vorteile des Rotationsfeldbaus wieder zu schätzen.

Aber auch eine andere Entwicklungspolitik der reichen Staaten ist gefragt. „In die Landwirtschaft und den Aufbau von Wertschöpfungsketten in Subsahara-Afrika zu investieren, könnte auch eine Aufgabe der EU sein“, merkt Klingholz an. „Besser und langfristiger wirksam, als Milchüberschüsse zu exportieren, ist es allemal.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

30 Kommentare

 / 
  • Wir sollten aufhören, Afrika in der Entwicklung zu behindern. Altkleidersammlungen, Hühnchenreste (außer Hühnchenbrust), Landrabbing, Produktion für uns, u. a. machen die afrikanischen Märkte kaputt.

    Permakultur wird dort teilweise schon betrieben.

    afrika.arte.tv/blog/?p=2203

  • Wenn denn dann Europa noch seine Agrarueberschuesse nicht zu Dumpingpreisen (genau bis zum Zeitpunkt der Pleite des letzten lokalen Produzenten, danach wird's teurer) exportieren würde, die Fischgründe vor den Küsten in Ruhe lassen könnte... usw.

  • Afrika wird m. E. von der westl. Welt massiv behindert, eigene Strukturen und eine unabhängige Wirtschaft aufzubauen, durch Exporte von Waren und Gütern, die den afrikanischen Markt zerstören, abhängig macht von Importen aus den reichen Ländern



    Aufhören, Afrika zu stören, aufhören, zu versuchen, auch noch aus der Entwicklungshilfe massiv Kapital zu schlagen, DAS würde Afrika weiterbringen. Es muss in Strukturen investiert werden, die den "Abfall" der eigenen Erzeugnisse gegen Null reduziert (bessere Straßen, besser Kühlung der Produkte, etc.). Aber damit lässt sich kein Geld in die Taschen der westl. Unternehmen schaufeln…

    Die Menschen in Afrika wissen genau wie sich ernähren (können), wie sie Wohlstand aufbauen können – wenn sie dabei in Ruhe gelassen und nicht (wieder) abgezockt werden…

    afrika.arte.tv/blo...03&o=2247&oimage=/

    Und Permakultur wenden sie teilweise sowieso schon an:

    afrika.arte.tv/blo...%20Songhai-Zentrum

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Vom Technologiesprung profitieren vor allem jene, die ihn verkaufen.

    Afrika ist ein riesiger, noch zu backernder Markt. Weil aber die Afrikaner sich die vielen tollen Maschinchen aus europäischer Produktion nicht selber kaufen können und die europäischen Hersteller ihre Maschinchen nicht herschenken mögen, soll der Staat sie kaufen und dann den Afrikanern schenken. Nennt sich "Entwicklungshilfe" und entwickelt vor allem die Profite und Aktienkurse der Maschinchenbauer.

  • Man sollte beim Schreiben eines Artikels schon zur Kenntnis nehmen dass sich die Studie www.berlin-institu...ecurity_Online.pdf mit Ländern südlich der Sahara beschäftigt und nicht mit Afrika in toto.

  • Afrika ist Netto Importeur von Nahrungsmitteln. Mangels Statistiken liegen die Schätzungen zwischen 20 und 30% der benötigten Nahrungsmittel die Tendenz ist weiter steigend. Die Produktion von Nahrungsmitteln steigt aber die Nachfrage steigt schneller. Afrika tritt aber auch als Exporteur auf und somit ist Afrika, genau wie der Rest der Welt, mit seiner Landwirtschaft mitten im Weltmarkt.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Bernhard Hellweg:

      Jetzt müssten Sie die Analyse etwas weiter vorantreiben? Was wird eingeführt und was wird ausgeführt? Welches sind die Abnehmerländer? Aus welchen Ländern wird importiert? Warum ist das so? Und ist das für die Entwicklung der afrikanischen Landwirtschaft vorteilhaft?



      Nicht die massiven Aufkäufe von fruchtbaren Böden durch die Chinesen vergessen, die für die heimische Produktion verloren gehen.

      • @82236 (Profil gelöscht):

        von der Afrikanischen Landwirtschaft können wir eigentlich nicht reden, Afrika ist ein riesiger Kontinent. Es gibt Länder wie Ägypten Algerien, Tunesien, diese Länder exportieren Nahrungsgüter sie importieren aber viel viel mehr, hier reicht eigentlich der fruchtbare Boden für die vielen und immer mehr werdenden Menschen nicht aus. In einigen Ländern herrscht Krieg und Bürgerkrieg wie in Somalia Libyen Südsudan, hier ist die Landwirtschaft mehr oder weniger zusammengebrochen. In den meisten



        Ländern, vor allen Dingen Sub-Saharas, hält die Landwirtschaft mit der Bevölkerungsexplosion und damit mit der Nachfrage nicht Schritt. Andere Länder wie Angola und Mosambik sind aus früheren Konflikten noch vermint und in großen Teilen nicht Landwirtschaftlich nutzbar. Klar Afrika ist Exporteur, die Produkte sind im Groben: Kakao, Kaffee, Datteln, Obst und Gemüse, Blumen und und und.... Wir, die EU exportiert im Wesentlichen Getreide nach Afrika, wir konkurieren hier mit den Schwarzmeer-Anrainern und mit Nord und Süd-Amerika. Aus diesen genannten Gründen aber auch noch viel, viel mehr anderen Gründen, wie zum Beispiel die innerafrikanische Logistik, ist es Afrika nicht; und das sogar zunehmend nicht möglich sich selbst zu ernähren. Deshalb steht die afrikanische Landwirtschaft im Weltmarkt, klar könnte sie mittels Zölle gefördert werden, zum Einen wollen aber die Afrikanischen Regierungen, ihrer doch größtenteils landloser Bevölkerung, die Nahrungsmittel nicht teuer machen und wenn doch mit Importverboten und Zöllen gearbeitet wird, dann wird im großen Stiel geschmuggelt wie z. B. in Nigeria.

  • Als ich letztes Jahr in Abidjan / Elfenbeinküste war, gab es ein Mangel an Attiéké. Das ist ein Grundnahrungsmittel welches aus Maniok gewonnen wird. Die Ursache war, dass Vertreter der Agrarkonzerne viele Bauern davon überzeugten andere Produkte für den Weltmarkt zu produzieren. Der Preis für Attieké stieg darauf hin und wurde für viele Menschen zu teuer. Diese wichen auf importierte Lebensmittel aus, die durch westliche Agrarsubventionen billiger sind.



    Afrika hat kein Problem damit, seine Bevölkerung zu ernähren. Aber die Agrarkonzerne und von den Industrieländern subventionierten Lebensmittelimporte verhindern dies.

    • @Andreas J:

      Danke für das Beispiel.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Die Entwicklungshilfe hat seit jeher auf "Technologiesprünge" gesetzt. Elektrizität, dieselbetriebene Wasserpumpen, Flugplätze, Kunstdünger, Pestizide, moderne Werkstätten. Mit welchem Erfolg?

  • Gilt das für das heutige Afrika mit 1,3 Milliarden Menschen oder auch für das Afrika am Ende des Jahrhunderts mit bis zu 4,5 Milliarden Menschen?

    Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Landwirtschaft sich so verbessern lässt, dass Afrika eine Menschenmasse, die über der Hälfte der heutigen Erdbevölkerung entspricht, eigenständig wird ernähren können. Eine 1-Kind-Politik ist vermutlich das einzige, was diesen Kontinent überhaupt noch retten könnte.

    • @Thomas Friedrich:

      Nordafrika- allen voran Ägypten kann sich schon seit den 70ern nicht mehr selbst ernähren.

      Ägypten ist größter Nahrungsimporteur der Welt. Nr.2 ist Algerien, Nr 3. ist Marokko. Für arab. Halbinsel bis Horn von Afrika existieren keine Zahlen dazu. Größter Lieferant ist Russland, bis 2013 war es die Ukraine (Weizen).

        • @Artur Möff:

          Kein Bauer auf der Welt pflanzt an um das eigene Volk zu ernähren.

          Die dortigen Bauern verdienen nur mehr in Europa. Aber selbst wenn die Agrargüter im eigenen Lande blieben, wäre es noch zuwenig. (Drogen und Tomaten haben übrigens überraschend niedrigen Energiegehalt. Ernähren kann sich davon niemand).

      • @el presidente:

        Ich kann mir nicht vorstellen, dass das relativ kleine Algerien Importeur Nummer 2 ist. Und im Verhältnis zur inländischen Erzeugung oder zur Einwohnerzahl importieren sicherlich die Golf-Staaten mehr. China ist auch ein großer Importeuer von Lebenmitteln.

        • @meerwind7:

          Indonesien ist tatsächlich die Nr1 mittlerweile (wußte ich nicht).

          Zahlen der Golfstaaten sind alle falsch, weil sie auch Grosshändler sind, ausserdem brauchen sie das nicht um die Grundernährung sicherzustellen. Ägypter und Maghrebiner würden hungern, Golfstaatler nicht.

          Algerien war schon immer schweres Terrain (wg. Gebirge). Nur die Franzosen erwirtschafteten in Algerien Überschuss- allerdings ist die Bevölkerung seitdem explodiert.

          herd-und-hof.de/ha...eizenimporten.html

      • @el presidente:

        Nur komisch, dass es bei uns im Supermarkt Bohnen und Kartoffeln aus Ägypten gibt, aus Marokko kommt jede Menge Obst, Gemüse und nebenbei wohl diverse pflanzliche Erzeugnisse, die eigentlich nicht ganz legal sind. Ob da vielleicht einfach etwas schief läuft?

        www.umwelt-im-unte...-und-umweltfolgen/

  • Schön, schön. Dass sich Afrika selber versorgen könnte ist eigentlich keine Überraschung, dass es dabei von neuen, smarten Technologien profitieren könnte ist bestimmt richtig. Man müsste die Afrikaner nur lassen. Tun wir aber nicht. Wir wollen unseren Kaffee, Kakao, Baumwolle und so weiter und wir wollen selber die Gewinne damit machen. Für eine Selbstversorgung ist da einfach kein Platz. Aber Europa muss sich darüber eigentlich keine Gedanken mehr machen, Afrika wird von China aufgekauft und entwickelt werden, den Menschen wird es besser gehen als jetzt, aber schlechter als möglich und für uns wird so einiges teurer.

    • @Benedikt Bräutigam:

      China hat erkannt, dass Afrika der Kontinent der Zukunft sein wird. Europa schläft.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Ich stimme zu, bis auf die Annahme, dass es den Bewohnern des Kontinents mit China als größtem Investor besser gehen wird.



      Das Problem in den Entwicklungsländern ist, dass die Idee einer Schonung von Ressourcen zum Zweck des gesamtgesellschaftlichen Überlebens kaum Platz findet und eine unglaubliche Fortschrittshörigkeit besteht. Mehr Industrialisierung, Straßenbau und Waldrodung wird mit einem Anstieg des eigenen Wohlstands gleichgesetzt. Im Grunde wiederholt man die Fehler, die in Europa usw. gemacht wurden erneut. Afrika wird unter den Schäden einer industriellen Revolution und sich vergrößernder Landwirtschaft, als Biotop sehr schnell kollabieren.

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        @Hampelstielz:

        Höre ich da einen gewissen Antichinaismus heraus?

        • @90191 (Profil gelöscht):

          Ab unter die Brücke, husch husch ;)

  • Was ist unter Selbsversorgung Afrikas zu verstehen? Afrika ist ein riesiger Kontinent. Größer als Europa.

    Will man eine steinzeitliche Selbstversorgung, in der sich das "Dorf" selbstversorgt?, Oder pro Region, Staat?

    Und wieso sollte Algerien mit Südafrika Wein handeln, Europa aber nicht. Und frankreich nicht mit Algerien?

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      "Und wieso sollte Algerien mit Südafrika Wein handeln, Europa aber nicht. Und frankreich nicht mit Algerien?"

      Daran erinnere ich Sie, wenn Sie nächstes Mal den Klimawandel bejammern.

      • @90191 (Profil gelöscht):

        Werfen Sie aber zuvor noch einen Blick in den Atlas und checken die Entfernungen bevor Sie sich blamieren.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      "Will man eine steinzeitliche Selbstversorgung, in der sich das "Dorf" selbstversorgt?, Oder pro Region, Staat?"

      Wer ist "man"?

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        @90191 (Profil gelöscht):

        P.S: Übrigens war ein menschengemachter Klimawandel in der Steinzeit völlig unbekannt. Kann also nicht alles ganz falsch gewesen sein, damals.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @90191 (Profil gelöscht):

          Nur dass Sie in der Steinzeit wohl schon tot wären.

  • Echt gut die Idee. Und nachher importieren wir die Bocksprung- Spezialisten um uns bei Dekarbonisierung, E-Mobilität, Wasserstoffwirtschaft, Breitbandausbau, Power to gas, usw. usw, auf die Beine zu helfen.