Studentenproteste in Magdeburg: Kampf um die Uni
Bei Protesten gegen die AfD-nahe Campus Alternative kam es zu Gewalt. Nun wird gestritten, wer angefangen hat. Dabei gibt es sogar Videos.
„Zuerst sind nur Taschentücher geflogen“, sagt Jonas B. Die Studenten hätten gepfiffen, es war brüllend laut im Vorlesungssaal. „Aber dass die Linken zuerst angegriffen hätten, das ist wirklich gelogen.“
Jonas B. berichtet von den Ausschreitungen an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg am Donnerstagabend: Die Campus Alternative, eine AfD-nahe Studentengruppe, hatte zu einer Vorlesung geladen, zu der auch Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef Andé Poggenburg kommen sollte. Dass das nicht ohne Protest ablaufen würde, hätte von Anfang an klar sein müssen.
Etwa 400 Studenten und Aktivisten hatten sich laut Studierendenrat bereits vor der Veranstaltung im Hörsaal versammelt. Bunt gekleidet und mit Transparenten gegen Rassismus und für Gleichberechtigung hatten sie sich gerade eine Vorlesung der Gleichstellungsbeauftragten Sandra Tiefel angehört. Sie referierte über Chancengleichheit in der Bildung und über Gender. Die Veranstaltung war ein Protest gegen die Vorlesung „Gender Mainstreaming – der gesellige Zeitvertreib für Leute ohne Probleme“, welche die Campus Alternative direkt im Anschluss veranstalten wollte. Wollte – aber nicht konnte.
Denn: Als die Studentengruppe Die Campus Alternative ankam, zeichnete sich schnell ab, dass es zur Konfrontation kommen würde, so Jonas B. Der Student der Sozialwissenschaften war überrascht, dass sie es doch in den Vorlesungssaal schafften. „Der war doch schon voll. Das war reine Provokation und hat dann am Ende ja auch zur Eskalation geführt.“ Auch Michael Dick, Dekan der Fakultät für Humanwissenschaften, äußerte sich gegenüber dem MDR ähnlich: „Die Unmutsäußerungen der Studierenden und Besucher waren so eindeutig, dass ich glaube, vernünftige Veranstalter hätten sich zurückgezogen und es dabei belassen“
„Linksesxtreme schlagen auf Veranstaltungsteilnehmer ein“, twitterte dann aber Poggenburg noch während des Vorfalls. Und klagt: Linke hätten die Meinungsfreiheit angegriffen. Jonas B. widerspricht: „Ich habe ja gefilmt, was wirklich geschehen ist.“
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Sein Video, das auch auf twitter zu sehen ist, zeigt: Studenten mit einem Transparent gegen Rassismus, die vor das Pult getreten sind, werden attackiert. In einem Statement der Studierendenschaft heißt es, die Angreifer wären Personenschützer, die gegen die friedlich Protestierenden vorgegangen seien. „Erst danach ist es dann zu Rangeleien und Schubsereien gekommen“, sagt B. „Dann ist noch ein Böller geflogen.“ Später zogen sich die Campus Alternative und ihre Gäste in einen Technikraum zurück, bevor sie von der Polizei nach draußen begleitet wurden.
Laut einem Pressesprecher der Polizei waren zwei bis fünf Beamten im Saal, insgesamt seien 30 Polizisten im Einsatz gewesen. Insgesamt fünf Anzeigen seien bei der Polizei eingegangen. Wer diese stellte und gegen wen sie sich richteten, dazu konnte die Polizei bisher nichts sagen. Eine der Anzeigen bezöge sich jedoch auf Körperverletzung, eine andere auf versuchte Körperverletzung. Wer nun tatsächlich mit der Rangelei begonnen hat, konnte die Polizei am Freitag noch nicht sagen, die Ermittlungen laufen.
Inzwischen gibt es Kritik daran, dass die Veranstaltung der Campus Alternative überhaupt stattfinden durfte. Allerdings handelt es sich bei der Campus Alternative um eine von vielen aktiven politischen Studierendengruppen. Sie alle haben, so die Universität gegenüber dem MDR „dieselben Rechte und Pflichten“. Also eben auch das Recht, eine Veranstaltung zu organisieren.
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Richtigstellung: Wir haben in einer früheren Version geschrieben: „(Ein) Video, das auch auf twitter zu sehen ist, zeigt: Studenten mit einem Transparent gegen Rassismus, die vor das Pult getreten sind, werden attackiert. In einem Statement der Studierendenschaft heißt es, die Angreifer wären Personenschützer, darunter aber auch der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Roi gewesen, die gegen die friedlich Protestierenden vorgegangen seien.“ Die Studierendenschaft hat geirrt. Daniel Roi war überhaupt nicht am Orte. Wir bedauern, dass wir diesen Fehler übernommen haben. Die Redaktion
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