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Stromausfall in BerlinBerlin ist angreifbar

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Das Blackout zeigt, wie fragil auch die deutsche kritische Infrastruktur sein kann. Das ist ein Denkzettel für die Stadtpolitik.

Beim Stromnetz fängt der Bevölkerungsschutz an Foto: Britta Pedersen/dpa

B erlin länger ohne Strom. Kann man sich das vorstellen? Das kommt doch nur in New York oder in Ländern vor, die eine fragile Stromversorgung haben. Doch jetzt ist genau das in der Hauptstadt eingetreten, was die meisten für unmöglich halten: Teile der Stadt sind mehr als 48 Stunden ohne Strom. Das ist der längste Blackout in Berlin seit einem Vierteljahrhundert.

Die mutmaßlichen Brand­stif­te­r:in­nen haben ganze Arbeit geleistet – und vermutlich genau das Ziel erreicht, das sie erreichen wollten: Bevölkerung, Behörden, Energieversorger in Panik versetzt und den Alltag der Betroffenen massiv gestört.

Das wirft Fragen auf: Wie kann es sein, dass in der Hauptstadt Reparaturen an der kritischen Infrastruktur so lange dauern? Was machen wir, wenn es zu noch heftigeren Störungen kommt? Aufgrund der instabilen Lage in Europa und den kriegerischen Bedrohungen sollten wir auf das Schlimmste vorbereitet sein, insbesondere beim Stromnetz.

Nun ist es nicht so, dass Berlin ein instabiles oder unsicheres Stromnetz hätte, im Gegenteil: Ein Großteil der Leitungen verläuft unterirdisch, das Netz funktioniert nach dem sogenannten (n-1)-Prinzip: Die Stromversorgung kann rasch wieder hergestellt oder weiterhin gewährleistet werden, wenn ein Teil im System ausfällt.

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Fürs Sicherheitsgefühl muss Geld da sein

Die Tä­te­r:in­nen haben dieses Prinzip überlistet und aus n-1 – offenbar ganz bewusst – n-2 gemacht, also zwei Punkte gleichzeitig zerstört. Dass die nicht so leicht wieder zu reparieren sind, ist nachvollziehbar. Aber das darf in Zeiten hybrider und direkter Kriegsführung nicht (mehr) sein.

In den vergangenen Jahren haben sich Ber­li­ne­r:in­nen schon an alles Mögliche gewöhnt: an jeder Ecke eine Baustelle (ohne dass es vorangeht), Ausfälle beim ÖPNV, eingeschränkte Stadtreinigung.

Aber der Eindruck, dass die Menschen sich nicht sicher fühlen können, wiegt um einiges schwerer. Zum Sicherheitsgefühl zählt auch, dass sie sich darauf verlassen können, dass Krankenhäuser, Internet, Notrufe zeitnah wieder funktionieren. Ja, das kostet Geld. Aber dafür muss Geld da sein. Sonst macht sich Berlin (noch) angreifbar(er).

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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1 Kommentar

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  • Warum werden die Täter hier nicht benannt?



    Es gibt ein Bekennerschreiben

    Ist es unangenehm, das zu erwähnen ?