Strom aus Steinkohle: Mehr Kraftwerke, weniger Bedarf
Trotz Überkapazitäten gehen in diesem Jahr neue Kohlekraftwerke ans Netz. So entstehen Anlagen mit einer Leistung von 5300 Megawatt.
FREIBURG taz | In Deutschland werden 2013 voraussichtlich so viele neue Kohlekraftwerke ans Netz gehen wie seit 20 Jahren nicht. Darauf hat das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in Münster unter Berufung auf Daten der Bundesnetzagentur hingewiesen.
In Hamm, Karlsruhe, Hamburg, Wilhelmshaven, Duisburg und Lünen werden Steinkohleblöcke mit zusammen fast 5300 Megawatt ans Netz gehen. Dem stehen lediglich Stilllegungen von knapp 1000 Megawatt gegenüber: in Hamm, Großkrotzenburg, Herne und Datteln. Die zusätzlichen Kapazitäten drängten nun, so das IWR, „auf einen schon jetzt gesättigten Markt“.
Die Kraftwerksbetreiber haben offensichtlich den Ausbau der Ökostromerzeugung grandios unterschätzt und den Bedarf an fossilen Kraftwerken überschätzt. Schließlich liegen die Planungen für die in diesem Jahr ans Netz gehenden Kohlemeiler Jahre zurück. So beschloss EnBW zum Beispiel den Bau des neuen Blocks in Karlsruhe, der 2013 ans Netz geht, bereits Ende 2006.
Selbst die Abschaltung von acht Atomkraftwerken in Deutschland brachte den Kohlekraftwerken keinen spürbaren Mehrabsatz: „Der Zuwachs an erneuerbaren Energien und der Rückgang des Stromverbrauchs haben die Stromlücke durch die acht AKW-Abschaltungen im Jahr 2011 bereits heute vollständig kompensiert“, sagt IWR-Direktor Norbert Allnoch.
Nicht immer rentabel
Die Betreiber haben an ihren Steinkohlemeilern daher inzwischen wenig Freude: Die Megawattstunde Grundlaststrom an der Leipziger Börse zur Lieferung in den Jahren 2014 und 2015 kostet nur noch knapp 42 Euro. Anderthalb Jahre zuvor waren es noch rund 15 Euro mehr. Der neue EnBW-Chef Frank Mastiaux sagte daher kürzlich, mit Kohlekraftwerken sei kaum noch Geld zu verdienen, weshalb er ankündigte, er werde „jeden einzelnen Kraftwerksblock auf seine Rentabilität prüfen“.
Ein Stück weit kompensiert Deutschland seine Überkapazitäten derzeit noch damit, dass das Land Strom exportiert wie nie zuvor. Nach einem Rekord-Exportüberschuss von 23 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2012 geht das Jahr 2013 noch extremer weiter: Mit einem Überschuss von etwa fünf Milliarden Kilowattstunden war der Januar der exportstärkste Monat der Geschichte.
Doch der Export wird sich nicht beliebig steigern lassen. Und da das nächste Atomkraftwerk erst Ende 2015 vom Netz geht und Gaskraftwerke ohnehin kaum noch in Betrieb sind, ist abzusehen, dass bei weiterem Ausbau der Ökostromerzeugung in den nächsten Jahren die Kohle zurückgefahren wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja