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Streit ums GrundwasserLüneburger gegen Coca-Cola

Coca-Cola will seine Mineralwasserproduktion in Lüneburg verdoppeln. Dagegen regt sich Widerstand.

Auch für Mineralwasser braucht man Wasser – und das soll aus einem neuen Brunnen kommen Foto: Manfred Segerer/imago

Hannover taz | Es ist der dritte Dürresommer in Folge, in manchen Kommunen werden die Bürger aufgefordert, Wasser zu sparen, ihre Pools nicht mehr zu befüllen, ihren Rasen nicht zu sprengen – und in der Nähe von Lüneburg will Coca-Cola einen dritten Brunnen bauen, um 1.000 Jahre altes Tiefengrundwasser anzuzapfen, in Plastikflaschen zu füllen und kreuz und quer durch die Republik zu fahren.

Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich kein Wunder, wenn eine Online-Petition mit dem Titel „Unser Trinkwasser gehört uns – nicht Coca-Cola“ aus dem Stand heraus 69.000 Unterzeichner findet. Gestartet hat diese Petition Karina Timmann, Klimaschutzmanagerin in Uelzen, die hier aber privat agiert, weil sie mit ihrer Familie in Lüneburg lebt. Sie greift mit der Petition ein Anliegen auf, das die Bürgerinitiative „Unser Wasser“ seit Anfang des Jahres mit wachsender Medienresonanz verficht.

Doch so charmant die Erzählung vom Widerstand gegen den global agierenden Konzern ist – das Problem ist ein klein wenig komplexer. Das betonen auch die Gründerinnen der BI, Bettina Schröder-Henning und Cornelia Höllger, immer wieder: „Es geht nicht nur um Coca-Cola.“ Das Problem sind die Bestimmungen zur Wasserentnahme, die nicht mehr zeitgemäß seien.

In Lüneburg hat das für einige Verwerfungen gesorgt. Die Coca-Cola-Tochter Apollinaris Brands hat zunächst einmal eine Probebohrung und einen Pumpversuch beantragt. Der Lebensmittelkonzern betreibt schon zwei Brunnen in Lüneburg, aus denen jährlich 350.000 Kubikmeter Wasser für die Mineralwassermarke Vio, Vio Saftschorlen und Biolimonaden gefördert und abgefüllt werden.

Probebohrung oder Fakten schaffen?

Seit einiger Zeit ist Apollinaris auf der Suche nach einem Standort für einen dritten Brunnen, um die Menge zu verdoppeln. Die Wahl fiel auf Gut Brockwinkel in der Gemeinde Reppenstedt. Auf das Grundwasservorkommen in 200 Meter Tiefe ist Coca Cola auch deshalb so scharf, weil es uralt und praktisch frei von menschlicher Kontamination ist. In den Proben finden sich weder Antibiotika- noch Pestizidrückstände.

Um abschätzen zu können, wie sich die Förderung auf das Grundwasservorkommen in der Gegend auswirken würde, muss Coca Cola nun einen Pumpversuch anstrengen. Die Bedingungen unter denen das passiert, haben aber erst recht für Unmut gesorgt: Um den Betrieb unter realen Bedingungen abbilden zu können, wird der Brunnen gleich komplett gebaut – für die Anwohner sieht das nach „Fakten schaffen“ aus.

Das Gutachten, mit dem die Auswirkungen betrachtet werden, muss von Coca Cola in Auftrag gegeben und bezahlt werden. Und: Das hochgepumpte Wasser, immerhin 118 Millionen Liter im Laufe von 70 Tagen, wird ungenutzt in einem nahe gelegenen Wasserlauf „entsorgt“. Weil das Ganze aber eben nur ein Versuch ist, ist eine Beteiligung der Öffentlichkeit nicht vorgesehen.

Seit die lokale „Landeszeitung“ davon Wind bekam, reißt die öffentliche Debatte aber nicht ab. Und die sehr umtriebige Bürgerinitiative „Unser Wasser“ lässt nichts unversucht, um auf allen zuständigen Ebenen – Rat, Kreistag, Landtag und Landesregierung – für ein klügeres und nachhaltigeres Grundwassermanagement zu werben und den Brunnen doch noch zu verhindern. Für Freitag, 28. August, haben sie in Lüneburg eine große Demonstration angemeldet – mit eigens bedruckten Regenschirmen als Corona-Abstandshalter.

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5 Kommentare

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  • Wenn es nicht demnächst verboten wird, werden private Unternehmer vermutlich auch noch das letzte saubere Trinkwasser des Planeten in Flaschen abfüllen und an den oder die Meistbietenden verkaufen. Wer dann nicht zahlen kann oder will, darf gerne verdursten oder sich vergiften.

    Mit dem Boden, den Rohstoffen, den Wäldern, den Fischen im Meer und anderen Wildtieren werden ja schon seit Menschengedenken Geschäfte gemacht. Niemand findet was dabei, so lange geht das schon. Und irgendwann gibt’s sehr wahrscheinlich sogar saubere Luft in Flaschen. Ist nur noch eine Frage der Zeit.

    Weltweit gilt: Je knapper ein Gut, um so größer der Profit, der damit erzielt werden kann - und um so rücksichtsloser der Umgang damit. Ressourcenverschwendung, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Artensterben - all das ist vorerst nur für Leute mit wenig Geld ein Risiko. Leute mit viel Geld sehen darin vermutlich eher eine Chance. Kein Wunder, dass der Kampf dagegen so schleppend verläuft.

    Allgemein gilt: Chancen privatisieren, Risiken vergesellschaften. Besonders gern wird das zur Ware gemach, was nie ein Mensch hergestellt hat. Wer es sich nehmen kann, darf es behalten - und verkaufen an Leute, die nicht so leicht Zugang haben dazu, die aber auch gern profitieren würden davon.

    Der Sklavenhandel ist inzwischen außer Mode in Europa. Menschen zu verschleppen, weil man es kann, und sie zu verkaufen an Interessenten, die nicht einmal ein Gewissen beißt, weil sie die „Ware“ ja nicht selber eingefangen haben, und die sie ohne Bedenken ausbeuten, weil das „alle“ tun, gilt mittlerweile als ehrenrührig. Das Prinzip allerdings lebt fröhlich weiter.

    Wasser, Luft, Boden und Tiere wehren sich nicht. Und wenn sie erst einmal ein Preisschild tragen, findet kein Mensch mehr was dabei, sie ganz allein zu konsumieren - mit einem „Ätsch!“

    Kein Wunder, dass so wenig getan wird gegen die großen Gefahren unserer Zeit. „Die Wirtschaft“ hat eben Priorität. Vor allem, wenn sie „too big to fail“ ist.

  • wie schön ...

    ist bottled water endlich auch bei uns angekommen !

    die förderung sollte, wenn überhaupt, von einem staatlichen unternehmen vorgenommen werden dürfen.

    verwendung für die versorgung von kitas, schulen & krankenhäusern.

  • Ich fass' es nicht: "Auf das Grundwasservorkommen in 200 Meter Tiefe ist Coca Cola auch deshalb so scharf, weil es uralt und praktisch frei von menschlicher Kontamination ist."

    Und dann wird es in Plastikflaschen gestopft, auf dass die Weltmeere noch mehr darin ersaufen. Das ist ein so offensichtlich räuberisches Verhalten, dass es eigentlich als kriminell gelten sollte.

    Auch die Verbraucher*innen verstehe ich nicht, die dieses makabre Spiel letzlich finanzieren.

    • @tomás zerolo:

      Ich denke auf Verbraucherebene herrscht hier "don't ask, don't tell".

      Abgesehen davon muss die Gesetzgebung hier endlich eingreifen und die (kapitalistische) Ausbeutung beenden. Die nächsten Dürrejahre kommen und Coce zieht dann einfach weiter wenn dad Wasser in der Heide alle ist und die Bevölkerung kuckt in die Röhre bzw. den leeren Brunnen.

      Vittel sollte die Politik mahnen.

      • @Homunkulus:

        Ja, schon. Nur... wie kommen wir aus dieser Bredouille raus?

        "Die Politik" wird einen Dreck tun, solange "die Mehrheit" wo anders ist (ausser wir haben eine Diktatur, und die machen auch meistens das falsche, nur unfreundlicher).

        Und "das Geld" hat schon lange ausgefeilte Methoden, "die Mehrheit" zu beeinflussen, vulgo "Werbeindustrie" [1], die mit Google, Facebook und Co. in Version 3.0 (oder war das 4.0) geht.

        Und dann sind noch die Lindners dieser Welt, die das Spielfeld von der anderen Seite abdecken (ist jemanden schon aufgefallen, wie nah die FDP und die Werbeindustrie beieinander liegen?).

        Wie kommen wir da raus?

        [1] Mein lieblingsbild ist diese Reklame für Lucky Strike von... 1936:



        en.wikipedia.org/w...E,_GIRL_IN_RED.jpg



        Rauchen bringt den Frauen Freiheit!