Streit um neuen Diesel-Kraftstoff: Umwelthilfe verklagt Volker Wissing
Neuerdings können Autofahrende HVO100 tanken. Der Verkehrsminister feiert den Kraftstoff als Klimaerfolg. Seinem Ressort droht deshalb ein Skandal.
Bereits Mitte Juni wies die DUH das Verkehrsministerium nach eigenen Tests auf deutlich erhöhte Stickstoffemissionen im Zusammenhang mit dem neuen Dieselkraftstoff HVO100 hin. Die Website des Ministeriums bewarb den Sprit als „sauberer und geruchsärmer“ als herkömmlicher Diesel. Daraufhin erbat die DUH die Herausgabe der vorliegenden Messwerte beim Ministerium – das mauerte jedoch. Die DUH forderte, alle relevanten Unterlagen wie Studien, Besprechungsnotizen und Abgasmessungen bis zum 12. Juli zukommen zu lassen. Laut Umweltinformationsgesetz (UIG) ist das Ministerium ist zur Herausgabe solcher Informationen verpflichtet. Nachdem das Haus unter Wissing auch eine Fristverlängerung verstreichen ließ, klagt die DUH nun vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen den Verkehrsminister.
Damit kommt das Verkehrsministerium diese Woche bereits zum zweiten Mal in Bedrängnis: Die Recherchen von „Frontal“ und dem Verein Lobby Control vom Dienstag legen nahe, dass Lobbyisten der fossilen Ölindustrie Termine bei Minister Wissing und Staatssekretär Luksic in Aussicht gestellt wurden – gegen Geld. Den Berichten zufolge versprach der Automobilklub Mobil in Deutschland, ein Lobbyverband der Ölindustrie mit langjährigen Verbindungen zur FDP, die Treffen mit den einflussreichen Politikern.
Der Verein, der sich den „Erhalt des Verbrenners“ auf die Fahne geschrieben hat, rief die Kampagne „HVO100 goes Germany“ ins Leben. Wissing und Luksic wurden Influencer der Kampagne, der Staatssekretär übernahm sogar die Schirmherrschaft. Mögliche Kooperationspartner der Kampagne mussten knapp 10.000 Euro aufs Kampagnenkonto zahlen, um eine Chance auf Lobbygespräche zu ergattern, und das Image des Dieselersatzes aufpolieren. Das Ministerium ließ verlauten, es nehme die Vorwürfe der Käuflichkeit „sehr ernst“. Der Lobbyverband und Luksic wiesen die Vorwürfe aber zurück. Aktuell lässt Luksic die Schirmherrschaft ruhen.
In Deutschland ist der neue Kraftstoff HVO100 seit Ende Mai an vielen Tankstellen verfügbar. Er wird den Herstellern zufolge aus recycelten Abfällen und Pflanzenölen produziert. Beim DUH-Test eines mit HVO100 betankten VW Touareg stiegen die Stickstoffemissionen um 20 Prozent gegenüber herkömmlichem Diesel. „Allein wegen der hohen Stickstoffdioxidwerte in der Atemluft sterben jedes Jahr über 23.000 Menschen in Deutschland vorzeitig“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am Donnerstag. „Volker Wissing muss aufhören, HVO100 mit falschen Behauptungen zu bewerben.“ Stattdessen solle der Minister für eine wirklich saubere Luft schmutzige Dieselfahrzeuge stilllegen oder nachrüsten.
Angesichts der Recherchen ist die DUH entsprechend gespannt, was die bisher geheim gehaltenen Unterlagen offenbaren. Auch der letzte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erlangte mit einem Skandal europaweit Bekanntheit. Mit Blick auf die Absprachen rund um die LKW-Maut meinte Luksic, damals noch nicht Teil des Ministeriums, es liege auf der Hand, dass das gegen die Rechtsstaatlichkeit gehe: „Zugang zur Politik einzupreisen erweckt den Eindruck käuflicher Politik“, so der Staatssekretär. Der Skandal um den ehemaligen Verkehrsminister Scheuer hatte im November 2019 zu einem Untersuchungsausschuss geführt.
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