Streit um den Radweg in der Kantstraße: Ein bizarres Stöckchen
Ein CDU-Stadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf droht, Wohnungen zu räumen – eine neue, absurde Wende im Konflikt um den Radweg in der Kantstraße.
W enn sich in Berlin Bezirks- und Senatsebene verheddern und vermeintlich naheliegende Lösungen praktischer Probleme ad absurdum führen, hat man als Beobachter kaum noch Lust, über das nächste Stöckchen zu springen, das einem die Beteiligten hinhalten. Im Fall der Charlottenburger Kantstraße ist das Stöckchen allerdings so bizarr und knorrig, dass man es dann doch nicht einfach ignorieren kann.
Stöckchenhalter ist der für Stadtentwicklung zuständige Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU). Er hat einen Brief an die Senatsverkehrsverwaltung geschrieben und „Nutzungsuntersagungen“ für Wohnungen an der Kantstraße angekündigt, die im dritten Stock oder höher liegen. Denn durch den in Coronazeiten angelegten Pop-up-Radweg sei auf der Straße zu wenig Platz für die Aufstellung von Löschfahrzeugen. Wenn’s dann mal brennen sollte – so Brzezinksi Argument –, könnten die rettenden Leitern nicht hoch genug ausgefahren werden.
Die Problembeschreibung ist so alt wie umstritten: Mitte 2020 wurde der Radweg per Farbrolle geschaffen, seitdem wird neben dem Gehweg geradelt, es folgen eine Park- und eine Fahrspur für den motorisierten Verkehr. Die ÖPNV-Lobby kritisiert, dass nun die Busse im Stau stehen und quasi der Mobilitätswende geopfert worden seien, die Radlobby hält dagegen, dass die großen Gelben früher auch nicht mehr Bewegungsfreiheit hatten, weil auf der zweiten Fahrspur zuverlässig falsch geparkt wurde.
Die Sache mit der Feuerwehr beschäftigt Bezirk und Senat ebenfalls von Anfang an, zumal im Hinblick auf die anstehende und immer noch nicht erfolgte „Verstetigung“ der vorläufigen Lösung. Laut den professionellen BrandbekämpferInnen ist ein Aufbocken der Leiterwagen derzeit nicht optimal, aber möglich.
Still ruht der See
Bauliche Lösungen, die allen Seiten zugute kämen, wie die, ein wenig vom begrünten Mittelstreifen abzuknapsen, sind laut Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) erarbeitet, Senatorin Ute Bonde (CDU) handele aber nicht: „Wir haben das vor fünf Monaten eingereicht, und still ruht der See“, so Schruoffeneger zur taz.
Unklar ist, ob Brezinskis – wohl nicht ganz ernst gemeinter – Vorstoß der Senatsverwaltung generell Druck machen soll oder ob es sich einfach nur um ein CDU-Spiel mit verteilten Rollen handelt: Am Ende könnte die Landesebene schließlich entscheiden, dass für den Radweg eben kein Platz ist.
Der Vorschlag von Changing Cities e. V., lieber die Parkplätze zu streichen und wie auf der Schöneberger Hauptstraße eine Busspur mit temporären Haltezonen einzurichten, klingt leider schon fast aus der Zeit gefallen: Die Wende der Verkehrswende schreitet voran.
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