Streit um Syrien-Politik der USA: Eklat im Weißen Haus
Das US-Repräsentantenhaus verurteilt Trumps Rückzug der US-Truppen aus Nordsyrien. Zwischen dem Präsidenten und führenden Demokraten geht es hoch her.
Schimpfkanonaden und Wutanfälle bei Sitzungen zwischen Trump und Kongressanführern – dies gilt inzwischen schon als ein vertrautes Ritual, das am Mittwoch nur um eine neue Anekdote für die politischen Geschichtsbücher ergänzt wurde. Doch diesmal spielte sich die Konfrontation vor der Kulisse fortschreitender Ermittlungen im Repräsentantenhaus zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ab. Mit Pelosi kam also die Top-Politikerin der Demokraten ins Weiße Haus, die Trumps politische Zukunft mitentscheiden könnte.
Die Regierung hatte die Kongressspitzen einbestellt, um über die Lage in Syrien zu beraten. Kurz zuvor hatte das Repräsentantenhaus sich mit 354 zu 60 Stimmen überwältigend klar gegen Trumps Befehl ausgesprochen, die US-Truppen aus dem Norden des Bürgerkriegslands abzuziehen. Dies bedeutete, dass auch viele Republikaner mit den Demokraten stimmten und ihrem Präsidenten so eine seltene Ohrfeige verpassten. Ihnen stößt sauer auf, dass Trump mit der Rückzugsorder eine türkische Militäroffensive gegen syrische Kurdenmilizen möglich gemacht hat, die jahrelang an der Seite der USA gegen die Terrormiliz Islamischer Staat kämpften.
Kurz vor dem Treffen im Weißen Haus waren Vizepräsident Mike Pence, Außenminister Mike Pompeo und Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater Robert C. O'Brien in die Türkei aufgebrochen, um die türkische Regierung zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Doch auch das stieß in Washington auf Kritik. Der republikanische Senator Mitt Romney sagte, das sei wie ein Farmer, der all seine Pferde verloren habe und anschließend losgehe, um das Tor der Koppel zu schließen.
Zum Auftakt: Trump lobt Trump
Trump hatte zuvor gesagt, wenn Syrien und die Türkei Krieg führen wollten, dann sollten sie das halt tun. „Aber was hat es mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu tun, wenn sie um syrische Gebiete kämpfen?“ Er sei angetreten, um die endlosen Kriege der USA zu beenden. „Wenn Russland sich in Syrien einmischen will, dann ist das ihre Sache.“ Er wünsche viel Glück.
Der republikanische Senator Lindsay Graham aus South Carolina schrieb auf Twitter: „Ich hoffe, Präsident Trump hat recht mit seinem Glauben, dass die türkische Invasion in Syrien uns nichts angeht, dass es nicht auf uns zurückfällt, die Kurden alleingelassen zu haben, dass der Islamische Staat nicht wiedererstarkt und das Iran nicht in das Vakuum stößt, das seine Entscheidung hinterlassen hat.“ Er glaube aber, dass solche Aussagen des Präsidenten zu einem Desaster führten, das schlimmer sei als Präsident Obamas Entscheidung, die Truppen aus dem Irak abzuziehen.
Das Treffen im Weißen Haus habe Trump mit reichlich Selbstlob für seinen „fiesen“ Brief an seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan eröffnet, berichtete ein Demokrat. In dem Schreiben warnte der US-Präsident Erdoğan mit Ausrufezeichen davor, die Kurden „abzuschlachten“.
„Sie werden positiv in die Geschichte eingehen, wenn Sie das richtig und human erledigen. Aber Sie werden für immer ein Teufel sein, wenn keine guten Dinge passieren. Seien Sie kein tough guy! Seien Sie kein Narr!“, hatte Trump an Erdogan geschrieben. Trumps Auftaktmonolog beim Treffen im Weißen Haus bezeichnete der Demokrat als langatmig und bombastisch.
Pelosi: „Mit Ihnen führen alle Straßen zu Putin“
Pelosi erwähnte dann aber das jüngste Votum in der Parlamentskammer. Und Chuck Schumer, demokratischer Minderheitsführer im Senat, fing an, dem Präsidenten gegenüber ein Zitat von Ex-Pentagonchef James Mattis zu zitieren. Es handelte davon, wie notwendig es sei, US-Truppen in Syrien zu belassen, um ein Erstarken des IS zu verhindern.
Trump habe Schumer aber das Wort abgeschnitten und Mattis als den „am meisten überschätzten General der Welt“ tituliert. „Wissen Sie warum? Er war nicht taff genug“, schob Trump hinterher. „Ich habe den IS eingefangen.“
Pelosi erklärte Trump, dass Russland schon immer danach strebe, im Nahen Osten Fuß zu fassen. Nun habe Moskau dies durch den US-Rückzug aus Nordsyrien erreicht, berichtete ein ranghoher Demokrat über die Unterredung. Pelosi fügte demnach hinzu: „Mit Ihnen führen alle Straßen zu Putin.“
Dann ging es los. „Ich hasse den IS mehr, als Sie es tun“, sagte Trump der Frontfrau der Demokraten. Pelosi antwortete: „Sie wissen das nicht.“
Trump: Pelosi ist „eine sehr kranke Person!“
Schumer schaltete sich an einem Punkt mit einer Frage an Trump ein: „Ist es Ihr Plan, sich auf die Syrer und Türken zu verlassen?“ Trump entgegnete: „Unser Plan ist es, das amerikanische Volk sicher zu halten.“ Worauf Pelosi sagte: „Das ist kein Plan. Das ist ein Ziel.“
Trump wandte sich Pelosi zu und beklagte sich über die „rote Linie“, die sein Vorgänger Barack Obama einst im Umgang mit der syrischen Führung zog. Nach Angaben Schumers bezeichnete er Pelosi dann als „eine drittklassige Politikerin“.
Dem für vornehme Manieren bekannten Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer, schwoll nun offenbar der Kamm. „Das ist nicht nützlich“, warf er ein. Hoyer und Pelosi erhoben sich und verließen den Raum. Trump rief ihnen noch einen Abschiedsgruße hinterher: „Auf Wiedersehen, wir sehen uns an den Urnen.“
In der Zufahrt zum Weißen Haus sagte Pelosi vor Reportern, dass Trump drinnen eine Art „Ausraster“ gehabt habe. Sie habe gehen müssen, weil der Präsident nicht in der Lage gewesen sei, die Realität der Situation zu durchblicken. Später legte Pelosi noch Wert darauf, klarzustellen, dass Trump sogar seine Beleidigung rhetorisch vermasselt habe. Statt der wohl von ihm beabsichtigten Zuschreibung „third rate“ (drittklassig) habe er „third-grade“ (dritte Klasse) gesagt.
Trump betonte wiederum später auf Twitter, dass Pelosi sich einen „totalen Ausraster“ geleistet habe. Sie sei „eine sehr kranke Person!“ Er twitterte auch Fotos vom Besprechungszimmer. „Glaubt ihr, dass sie mich mögen!“, schreibt er zu einem Bild, auf dem Pelosi und Schumer angeödet und mürrisch wirken.
In einem anderen Foto stellte er Pelosi als „nervöse Nancy“ dar, die sich nicht unter Kontrolle habe. Das Bild zeigt die Top-Demokratin mit ausgestrecktem Finger vor Trump stehen, um sie herum sitzen andere Kongressspitzen und hohe Militärs. Pelosi stellte es als Hintergrundfoto auf ihre Twitter-Seite.
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