Streit um Schützenamt für Frauen: Die geborene Bruchmeisterin
Die Kolumnistin erinnert sich an Zeiten, als Schützenfeste noch wichtig waren. Und fragt sich, was Bruchmeister eigentlich machen.
I ch habe nichts gegen Schützenfeste, wirklich nicht. Einige meiner besten Freunde wurden auf Schützenfesten gezeugt. In dem Schlafdorf im Umland, in dem ich die ersten Jahre meines Lebens verbracht habe, war das Schützenfest noch das gesellschaftliche Großereignis.
Hier passierte einfach alles: Da wurden Ehen angebahnt und Scheidungen auch, es gab den ersten Kuss, den ersten Rausch und das erste Mal richtig auf die Fresse. Das war wichtig für die meisten und die Hölle für die, die eh nie dazugehörten.
Ich erinnere mich, wie mein Vater Schützenkönig wurde. Ich bekam ein neues Kleid und die Erwachsenen machten sich darüber lustig, wie ich mit dem Tablett voller Schnapsgläser einen riesigen Bogen hinter den Pferden des Majors und seiner Adjutanten machte, weil mir jemand gesagt hatte, die treten aus.
Ich erinnere mich an das blasse und panische Gesicht meiner Mutter, während sie versuchte auszurechnen, was uns das jetzt schon wieder kosten würde. Mein Vater war besoffen, selig im Mittelpunkt zu stehen und sorgte bei der Parade für Lacher, weil ihm beim Stechschritt der Schuh vom Fuß flog. Er betrachtete diese ganze Geschichte als äußert sinnvolle Investition in seine Karriere als Versicherungsvertreter und Lokalpolitiker.
Am Ende geht es natürlich ums Geschäft
Womit er nicht so unrecht hatte: Aus irgendeinem Grund macht man in Deutschland (und Russland und China) lieber mit jemandem Geschäfte, mit dem man schon einmal besoffen unterm Tisch gelegen hat. Das ist natürlich auch der eigentliche Grund, warum gewisse Herren dann plötzlich auf Tradition pochen und keine Frauen am Tisch haben wollen, wie jetzt bei der Debatte um das Bruchmeisteramt in Hannover. (Und dem CEO-Treffen am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz.)
Dass es dieses Bruchmeisteramt gibt und dass es sogar vom Oberbürgermeister verliehen wird, war mir bis vor kurzem auch nicht klar. Offenbar besteht es nur noch darin, bei der Parade die schwere Standarte zu schleppen und sich dann als Grüßaugust in Frack und Zylinder bis morgens früh auf dem Schützenplatz herumzutreiben.
Im Mittelalter soll das Ehrenamt einmal dazu gedient haben, auf die Einhaltung der Festregeln zu pochen und Geldstrafen einzutreiben. Nun hat Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) vor ein paar Wochen öffentlich darauf gedrungen, das Amt auch für Frauen zu öffnen. Ungefähr mit dem Argument: „Wir schreiben das Jahr 2022“.
Und einige Schützen prompt so: „Nein! Unverschämtheit! Das hatten wir ja noch nie!“ Schon blöd, wenn man es plötzlich mit einer Verwaltung zu tun hat, die sich tatsächlich an das Grundgesetz gebunden fühlt.
Wer soll das denn sonst machen, wenn nicht die Frauen?
Wobei ich den Verdacht habe, die Kollegen von der Lokalzeitung mussten schon ein bisschen wühlen, bevor sie eine Handvoll seniler Ex-Bruchmeister fanden, die dusselig genug waren, das auch noch unter voller Namensnennung öffentlich zu sagen.
Aber so funktioniert diese Kulturkampf-Nummer halt, wer interessiert sich da schon für die klügere Mehrheit. Der entscheidende Haken an dem Traditionsargument ist ja, dass es einfach so gut wie nie stimmt, weil auch jede noch so eherne Tradition sich im Laufe ihrer Geschichte schon x-mal gewandelt hat.
Wirklich empört hat mich allerdings ein Argument, das einer dieser älteren Ex-Bruchmeister in der HAZ vortrug: Er sehe da großes Gefahrenpotenzial, wenn Bruchmeisterinnen Betrunkene auseinanderbringen wollen.
Bitte, was!?! Wenn Frauen keine betrunkenen Männer handeln können, wer soll das denn bitte sonst machen? Die Kinder vielleicht?!? Es ist doch wohl offensichtlich, dass es keine kluge Idee ist, alkoholisierte Männer aufeinander loszulassen.
Der Mann wird in dem Artikel übrigens als leitender Polizeibeamter vorgestellt. Also nicht, dass das mein Bild von der Truppe nachhaltig beschädigt, aber … Haben die da nicht mittlerweile auch so ein paar Kolleginnen, die den Herren mal zu einem eindringlichen Gespräch hinter dem Festzelt einladen möchten?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!