Streit um Rundfunkgebühren: Kulturkampf in Sachsen-Anhalt
Beim Gebührenstreit geht es nicht um 86 Cent. Die AfD und der rechte CDU-Flügel wollen einen vermeintlich linksgrünen Rundfunk schwächen.
E s geht nicht um die 86 Cent. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak legt eine falsche Fährte, wenn er die Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt als Streit über eine „nüchterne Sachfrage“ beschreibt. Worum es wirklich geht, hat der geschasste Innenminister Holger Stahlknecht in einem Interview klar benannt. Der rechte Flügel der Landes-CDU wehrt sich gegen die angebliche Moralapostelei einer intellektuellen, natürlich linksgrünen Minderheit, gegen Gendersprache und politische Korrektheit.
Stahlknechts Offenheit ist erfreulich ehrlich. Teile einer Regierungspartei wollen also den als zu links empfundenen öffentlich-rechtlichen Journalismus maßregeln, indem sie ihm den Geldhahn zudrehen. Das ist eine unverhohlene Drohgebärde gegenüber einer demokratischen Institution.
Es geht um Ideologie, nicht um Strukturen, Stellen oder Repräsentanz. Wer so tut, als streite man hier über die Frage, ob jede Vorabend-Schmonzette im MDR unverzichtbar ist oder das Regionalstudio in Dessau-Roßlau groß genug, der stellt sich absichtlich dumm. Der rechte CDU-Flügel in Sachsen-Anhalt fühlt sich der AfD näher als den mitregierenden Grünen. Er stimmt denselben verächtlichen Tonfall an, den die rechtsextreme AfD setzt: Für sie sind die Öffentlich-Rechtlichen eine linksgrün versiffte Propagandamaschine, die aufrechte BürgerInnen indoktriniert.
Über das Motiv darf man sich keine Illusionen machen. Die AfD hasst kritischen Journalismus, weil er ihre Schwächen offenlegt. Nicht ohne Grund beschimpfen AfD-PolitikerInnen gerne JournalistInnen, werden KollegInnen auf rechten Demos mit Gewalt bedroht oder gar tätlich angegangen. Auf AfD-Parteitagen werden regelmäßig Anträge gestellt, die Medien auszuschließen. Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Ziel einer AfD-Kampagne ist, ist kein Zufall. Ohne ihn würden mehr Menschen ihren Lügen glauben. Die Verächtlichmachung freier Medien ist ein Kernelement rechtspopulistischer Strategielehre.
Darf man der Ansicht sein, die Anstalten brauchten nicht mehr Geld, obwohl die 86 Cent mehr de facto die erste Gebührenerhöhung seit 2009 sind? Selbstverständlich. Aber den Kontext der Debatte so konsequent zu ignorieren, wie es die Bundesspitze der CDU tut, ist gefährlich und falsch. Ziemiak verteidigt faktisch die Idee des rechten CDU-Flügels in Sachsen-Anhalt, eine von 15 Landtagen und mehreren CDU-Ministerpräsidenten unterstützte Reform zu torpedieren. Gegen den erklärten Willen der Koalitionspartner, aber zusammen mit Faschisten.
Bräuchte man noch einen Beleg für die Angst der CDU-Spitze vor den rechten Kräften in ihrem eigenen Laden und ihre Hilflosigkeit: Hier ist er.
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