Streit um Rosa-Luxemburg-Straße: Die Freiheit der anders Benennenden

Ein Bezirksrat in Hannover beschließt eine Straße nach Rosa Luxemburg zu benennen. CDU und FDP schäumen.

Rote Fahnen mit den Gesichtern Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts bei der jährlichen Demo zu ihrem Todestag in Berlin.

Revolutionskitsch fürs Neubaugebiet ist nicht jedermanns Sache Foto: Joerg Carstensen/dpa

HANNOVER taz | Eigentlich stehen im Stadtbezirksrat Kirchrode-Bemerode-Wülferode sonst ganz bodenständige Dinge auf der Tagesordnung: ein Schulneubau hier, ein Jugendtreff dort, verkehrsberuhigende Maßnahmen, der Recyclinganteil in Hundekotbeuteln (ungelogen).

Das ist ein mühsames, aber hochverdienstvolles Geschäft – da hauen sich Leute ehrenamtlich stundenlang Freizeit um die Ohren, um Dinge zu regeln, die in ihrem Stadtteil wichtig sind.

Selten geht es dabei um die ganz großen historischen Debatten. Es sei denn, es geht um Straßennamen. Normalerweise kommt dann aus dem linken Lager das Ansinnen, Straßennamen zu entnazifizieren oder dekolonialisieren – was Konservative in aller Regel teuer, unbequem und schon deshalb albern und geschichtsvergessen finden.

Dieses Mal war es andersherum: Die Linke machte den Vorschlag eine Straße am großen Neubaugebiet Kronsberg-Nord nach Rosa Luxemburg zu benennen, Bündnispartner von Grünen und SPD zeigte sich aufgeschlossen – und CDU und FDP waren umgehend auf dem Baum.

Diskussion plötzlich umgekehrt

Während es bei anderen Persönlichkeiten (wie beispielsweise Hitlers Steigbügelhalter Hindenburg) ja gerne einmal heißt, man müsse sie als Kind ihrer Zeit verstehen, dürfe sie nicht für spätere Ereignisse haftbar machen und solle die eigene Geschichte nicht verdrängen, gilt das für Rosa Luxemburg natürlich nicht.

Die wird in der Bezirksratsdebatte munter für die Gulag-Toten der Sowjetunion genauso verantwortlich gemacht wie für die Mauer-Toten der DDR – ganz erstaunlich wie weit die kurzen Ärmchen dieser Frau noch reichten, nachdem sie doch schon 1919 von rechten Freikorps in Berlin ermordet wurde.

Ein aus der DDR geflüchteter Bezirksratsherr der CDU argumentiert gar damit, er sei dort ständig mit Rosa-Luxemburg-Kitsch bombardiert worden. Die links-grün-sozialdemokratische Mehrheit lässt sich allerdings auch von so viel persönlicher Betroffenheit nicht erweichen.

CDU würde sogar Sozialdemokratin vorziehen

Die CDU schlug in ihrer Verzweiflung gar Annemarie Renger als Kompromiss-Namensgeberin vor. Deutschlands erste Parlamentspräsidentin war zwar Sozialdemokratin, aber in der eigenen Parteigeschichte fahndete man wohl vergeblich nach einer toten Frau von Rang und Namen.

CDU und FDP argumentierten außerdem damit, die Mehrheit der Bevölkerung in dem eher bürgerlichen Stadtteil wäre für so eine linke Ikone doch gar nicht zu haben.

Das könnte sich allerdings ändern: Unweit der geplanten Rosa-Luxemburg-Straße entsteht das ecovillage, ein ambitioniertes ökologisches Bauprojekt. Auf der anderen Straßenseite soll es einen Acker der Solawi (Solidarischen Landwirtschaft) geben.

Diese neuen Stadtteilbewohner haben bestimmt irgendwo eine hübsche Postkarte mit dem berühmten Luxemburg-Zitat von der Freiheit des Andersdenkenden hängen. Das richtete sich übrigens gegen die Demokratiefeindlichkeit der Bolschewiki. Ein solides Arbeiterviertel hätte sicherlich noch ein bisschen besser gepasst, aber so etwas wird heutzutage ja nicht mehr gebaut.

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