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Streit um Riesen-StaudammKongos Zukunft ist im Fluss

Chinesen und Europäer zersteiten sich über den geplanten Ausbau der Wasserkraft am Inga-Staudamm am Kongo-Fluss. NGOs rufen zum Neuanfang auf.

Der Fluß Kongo: Archivaufnahme mit dem damals noch nicht funktionsfähigen Inga-Staudamm Foto: rtr

Brüssel taz | Soll China oder Europa zum Zuge kommen, wenn es demnächst in der Demokratischen Republik Kongo um die Realisierung des größten Wasserkraftprojekts der Welt geht? Diese Frage blockiert den seit Jahren geplanten Bau des Wasserkraftwerks Inga III am Unterlauf des Kongo-Flusses, erster Schritt zur Realisierung des pharaonischen Projektes „Grand Inga“, also der kompletten Stauung des riesigen Flusses im Herzen Afrikas zur Generierung einer Stromkapazität von 40.000 MW.

Zwei Firmengruppen sind im Rennen. Die eine ist ein europäisches Konsortium rund um die spanische Firma ACS (Actividades de Construccion y Servicios), gegründet vom Real-Madrid-Präsidenten Florentino Peres. Mit dabei sind der österreichischer Turbinenhersteller Andritz und die australische Project Finance Macquarie. Kontrovers ist dieses Konsortium, weil eine ACS-Tochter an einem umstrittenen Wasserkraftprojekt in Guatemala beteiligt ist, das 30.000 Indigene vertreiben wird.

Die andere Gruppe besteht aus den chinesischen Firmen China Three Gorges International Corporation – der Name erinnert an den berüchtigten Dreischluchtendamm an Chinas Yangtse-Fluss – und Sinhoydro.

Das europäische Inga-Engagement sorgte in Europa selbst in den vergangenen Jahren für Kritik, weil es in einer Zeit vorangetrieben wurde, als die EU gegen Angehörige des Regimes des damaligen kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila Sanktionen verhängte und mehrere europäische Länder ihre Zusammenarbeit mit dem Kongo einstellten. Im Oktober 2018, kurz vor den Wahlen im Kongo, forderte die Kabila-Regierung die beiden rivalisierenden Konsortien dazu auf, sich zusammenzutun und ein gemeinsame Angebot zu unterbreiten, mit dem technischen Know-How aus Europa und der Finanzkraft aus China.

Kongos neue Regierung hat nun ein Problem mehr

Aber ein Jahr später ist daraus nichts geworden, und Kongos neue Regierung unter dem früheren Oppositionsführer Felix Tshisekedi als Präsident hat ein Problem mehr. Wie die beiden Forschungsinstitute „Resource Matters“ und „Congo Research Group“ in einem gemeinsamen Bericht enthülle, hat die China Three Gorges International Corporation am 20. September einen Brief an Kongos Grand-Inga-Behörde geschrieben, wonach die Bildung eines gemeinsamen Konsortiums mit den Europäern an „schwerwiegenden Differenzen“ gescheitert sei.

Das chinesisch-europäische Grand-Inga-Projekt, genannt „ProInga“, habe laut diesem Schreiben das Projekt in eine Planungs- und eine Bauphase aufteilen wollen, was die chinesische Seite ablehnt. Außerdem habe die europäische Seite einen 50-Prozent-Anteil an „ProInga“ und gemeinsame Entscheidungen auf allen Ebenen verlangt, selbst wenn Europas Anteil an der Finanzierung geringer ausfallen sollte – für China inakzeptabel. Gespräche dazuj seien im März geplatzt und neue gebe es nicht.

Nicht zum ersten Mal also behindert Streit um die Realisierung eines Großprojekts, das ohnehin wegen seiner Dimension, seinen Kosten und seinen unvorhersehbaren ökologischen Auswirkungen in der Kritik steht, Fortschritte in kleineren Bereichen – also der Bau von Inga III, der eigentlich längst beschlossene Sache ist.

Denn weil „Grand Inga“ nicht vorankommt, will die spanische ACS Inga III vergrößen – von 4800 auf 11.000 MW und einer Kostensteigerung von 14 auf 20 Milliarden US-Dollar.

Banken wollen nicht einsteigen

Dieses Geld hat die Demokratische Republik Kongo nicht, und weder private noch öffentliche Banken wollen einsteigen. 2016 hatte sich die Weltbank aus Inga III zurükgezogen, weil Aufträge ohne Ausschreibung und ohne fertige Machbarkeitsstudien erteilt worden waren und Kabilas Präsidialamt die Oberhoheit über das Projekt beanspruchte. Solange das so bleibt, steigt kein anderer seriöser Geldgeber ein.

Ein Problem mit Inga III ist die ungleiche Verteilung der Stromproduktion. Von den 11.000 MW sollen nur 3000 für den Kongo selbst bestimmt sein, obwohl 80 Prozent der 80 Millionen Kongolesen keinen Strom haben. Die Hälfte der Stromproduktion soll nach Südafrika geleitet werden, der Rest an andere Länder wie Angola und sogar Nigeia, die eigentlich eigene Kapazitäten ausbauen könnten. Und selbst der kongolesische Anteil soll hauptsächlich dem Bergbau zugute kommen – der Ausbau industrieller Bergwerke, beispielsweise zur Kobaltförderung, wird derzeit vom Strommangel gebremst.

Zivilgesellschaftliche Gruppen verlangen eine Neukonzeption des gesamten Inga-Projekts und als erste Schritte die Gewährleistung der Konsultation von Betroffenen, Transparenz bei der Erforschung der ökologischen und sozialen Auswirkungen des Projekts und Mitbestimmung bei der nötigen Umsiedlung von Anwohnern der Inga-Baustelle. Das „Aktionskollektiv der Zivilgesellschaft“ (CASC) sammelte bereits im November 2018 dafür 10.000 Unterschriften.

Der neue NGO-Bericht ruft den neuen Präsidenten Tshisekedi auf, sich der Sache dringend anzunehmen und „einen Geist von Offenheit“ walten zu lassen. In Regierungskreisen ist davon die Rede, Inga III wieder auf die ursprünglichen 4800 MW zu verkleinern. Aber da würde ACS nicht mitmachen.

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3 Kommentare

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  • Als Argument gegen das europäische Konsortium anzuführen "Kontrovers ist dieses Konsortium, weil eine ACS-Tochter an einem umstrittenen Wasserkraftprojekt in Guatemala beteiligt ist, das 30.000 Indigene vertreiben wird." ist interessant, weil das nicht einmal "Peanuts" im Vergleich zu den Wasserkraftprojekten in China sind.



    Dagegen müsste die Frage gestellt werden: Ist das Projekt wirklich sinnvoll? Viele dieser Mega-Staudammprojekte haben ledigleich die Korruption angeheizt, aber nie den Nutzen erbracht, der angepeilt war. Wobei ich kein Problem damit habe, wenn über ein Verbundnetz auch andere afrikanische Länder profitieren.



    Länder Aber bedenklich ist doch, dass Weltbank und zivilgesellschaftliche Gruppen das Projekt in der jetzigen Form ablehnen.

  • Zentral oder dezentral.....



    An diesem Beispiel wird das ganze Dilemma unserer Denkstrukturen deutlich. Es geht um gross und um Export, die kleine Leute in den ländlichen Regionen spielen kaum ein Rolle. Kapitalverzinsung statt Entwicklung.



    Höhepunkt: der meiste Strom des einen Modells soll nach Südafrika exportiert werden. Dazu muss man wissen, dass auch Länder die zwischen dem Kongo und Südafrika liegen ihren Eigenbedarf nicht decken können. Mir wurde in Zimbabwe erzählt, dass sie Strom aus Südafrika kaufen, weil die Eigenproduktion bei weiten nicht ausreicht. So leidet zum Beispiel das eigene Kraftwerk am Kariba Staudamm unter Wassermangel da das Einzugsgebiet des Sambesi in einem Bereich liegt in dem die Niederschläge abnehmen bei steigender Bevölkerung...



    Gleichzeitig haben weite Teile von Südafrika und Zimbabwe sowieso knapp 3000 Sonnenstunden im Jahr. Sonnenstrom müsste also die billigste Möglichkeit sein, Strom zu erzeugen, allerdings eher dezentral. Dafür ohne grosse ökologische und soziale Eingriffe. Nebeneffekt: die Landflucht könnte gestoppt oder verlangsamt werden, die ökologischen und sozialen Schäden durch die Grossstädte reduziert. Ein Neuaufbau der notwendigen Stromleitungen, die immer auch anfällig für Unterbrechungen aller Art sind, wäre überflüssig.

    Das wäre für mich Entwicklung.

    • @Heiner Petersen:

      Wem sagen Sie das... Leider ist aber gerade in den armen Ländern, wo die Menschen kaum eine Möglichkeit haben, sich an Entscheidungen zu beteiligen, nur der Profit maßgeblich. Und der wird stets wo anders gemacht und zahlt sich im Lande selbst nur für die aus, die von Korruption profitieren können.