piwik no script img

Streit um PflanzengiftzulassungSPD bleibt beim Glyphosat-Veto

Die SPD besteht darauf, dass sich Deutschland bei einem EU-Entscheid über Pflanzengifte enthält – trotz einer angeblich neuen WHO-Entwarnung.

12. Mai: Proteste gegen Glyphosat vor dem Reichstag Foto: dpa

Berlin taz | In der Bundesregierung spitzt sich der Streit über das Pflanzengift Glyhposat weiter zu. Die SPD-geführten Ministerien lehnten die von der EU geplante Verlängerung der Zulassung weiterhin ab, sagte ein Sprecher von Umweltministerin Barbara Hendricks.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bestätigte das: Weil gesundheitliche Risiken nicht abschließend geklärt seien, „bleibt es bei der ablehnenden Haltung“, sagte er. Damit stellen sich die Sozialdemokraten gegen CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der der SPD „Politik nach Beliebigkeit“ vorwarf. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Freitag erklärt, dass sich das Kanzleramt in den Streit eingeschaltet habe, „um eine einheitliche Position innerhalb der Bundesregierung herzustellen“.

Dieser Versuch war offensichtlich erfolglos. Das Umweltministerium geht darum davon aus, dass sich Deutschland am Donnerstag bei der EU-Entscheidung, ob Glyphosat für weitere 15 Jahre zugelassen wird, enthalten wird. In diesem Fall gäbe es voraussichtlich keine Mehrheit. Zusätzlich befeuert wurde der Streit am Dienstag durch Agenturmeldungen über eine angebliche neue Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Glyphosat als nicht krebserregend einstufe.

Eine solche Studie gibt es aber nicht, stellte die WHO auf taz-Anfrage klar. Die Meldungen bezogen sich auf einen Bericht des gemeinsamen Sachverständigenausschusses für Pestizidrückstände von WHO und Welternährungsorganisation (.pdf), für den verschiedene, schon länger bekannte Studien analysiert wurden.

Die Argumente sind nicht neu

In diesem Bericht kamen die Experten zu dem Schluss, es sei „unwahrscheinlich“, dass Menschen durch mit der Nahrung aufgenommenes Glyphosat an Krebs erkrankten. Dies steht nach Auskunft der WHO nicht im Widerspruch zur Einschätzung des WHO-Krebsregisters, das Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ führt, weil diese Einordnung unabhängig von konkreten Aufnahmemengen geschehe.

Der Industrieverband Agrar, in dem die Hersteller von Pflanzengiften zusammengeschlossen sind, forderte die SPD auf, aufgrund des WHO-Berichts ihr Veto gegen Glyphosat zurückzuziehen. Das wies der Umweltverband BUND zurück, der am Mittwoch in Berlin gegen Glyphosat protestierte. Die Argumente des Ausschusses seien nicht neu, sagte Gentechnik-Expertin Heike Moldenhauer.

Für die Grünen verwies Gentechnik-Sprecher Harald Ebner zudem auf Interessenkonflikte innerhalb des Pestizit-Ausschusses: Der Vorsitzende und sein Vertreter arbeiteten fürein Netzwerk, das von Glyphosatherstellern mitfinanziert wird.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 3G
    33731 (Profil gelöscht)

    [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

  • Dagegen sein, aber von Stimmenthaltung ausgehen? Das paßt nicht zusammen. Wer wirklich gegen etwas ist, der stimmt auch klar dagegen.

    Doch was will man von der SPD erwarten? Es ist schließlich die "Bauchschmerzen-Partei", denn bei vielen entscheidenden Dingen, die dem Volk nur Nachteile gebracht haben, hat diese Partei entweder "mit Bauchschmerzen" dafür gestimmt oder sich "mit Bauchschmerzen" der Stimme enthalten.

    • @wxyz:

      Es ist normal, dass wenn ein Koalitionspartner dagegen und der andere dafür ist, sich enthalten wird. Das ist auf Länderebene in D genauso, z.B. bei Abstimmungen im Bundesrat.

  • Stimmt, Herr CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, wo kommen wir denn hin? Wenn plötzlich beim Koalitionspartner völlig überraschend Vernunft und Einsicht einkehren, dass es Wählerstimmen kosten könnte, zugunsten von Konzern-Multis die Volksgesundheit aufs Spiel zu setzen.