Handys katalanischer Politiker gehackt: Einfach mal zuhören
Politiker aus Katalonien sind ausspioniert worden – mit einem Programm, das nur Staaten besitzen. Spaniens Innenministerium will von nichts wissen.
Die Handys der vier Katalanen gehören zu mindestens 1.400 Geräten, auf denen das Programm Pegasus der israelischen Softwareschmiede NSO eingeschleust wurde. Pegasus wird ausschließlich an Regierungen und Sicherheitsbehörden verkauft und darf, so verlangt es NSO, nur zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und von Terrorismus eingesetzt werden. Das Unternehmen weigert sich, die Liste ihrer Kunden bekannt zu geben. Doch El País will herausgefunden haben, dass der spanische Geheimdienst CNI Pegasus besitzt.
Der Verdacht, dass der CNI hinter den Cyberangriffen auf die vier Katalanen steckt, liegt deshalb nahe, auch wenn das Innenministerium der sozialistisch-linksalternativen Koalitionsregierung unter Pedro Sánchez jedweden Zusammenhang leugnet. Der CNI selbst erklärte, „immer in völligem Einvernehmen mit den juristischen Normen und mit völligem Respekt vor der gültigen Legalität“ zu handeln.
Pegasus wurde dank einer Sicherheitslücke beim Messengerdienst WhatsApp auf die Telefone aufgespielt. Dazu war ein Whatsapp-Anruf nötig, der nicht einmal entgegengenommen werden musste. Anschließend haben die Hacker Zugang zu allen Daten und Kommunikationen und können Mikrofon und Kamera jederzeit einschalten.
WhatsApp erstattet Anzeige
Unter den Besitzern infizierter Handys befinden sich – so ergaben die Untersuchungen von Citizen Lab – mindestens 100 politische Aktivisten, Oppositionelle und unbequeme Journalisten aus Ländern wie Saudi Arabien, Mexiko, Marokko, Bahrain, Kasachstan und jetzt auch Spanien. Citizen Lab, das mit WhatsApp eng zusammenarbeitet, hat die Betroffenen verständigt. Der Messengerdienst, der zu Facebook gehört, hat in den USA gegen NSO Strafanzeige erstattet.
Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, und damit auch die linke Partei ERC, die seit 2016 der Koalitionsregierung in Katalonien angehört, stehen seit mindestens fünf Jahren unter geheimdienstlicher Beobachtung wegen „verfassungsfeindlicher Aktivitäten“. Der katalanische Parlamentspräsident Torrent, zweithöchste Amtsperson der autonomen Region im spanischen Nordosten, ist ERC-Mitglied und Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens.
Der Geheimdienst CNI verstärkte seine Aktivitäten im Vorfeld des Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017, das von Madrid verboten worden war. Doch trotz größter Anstrengungen konnten weder CNI noch Polizei verhindern, dass die Stimmzettel und über 5.000 Urnen rechtzeitig in die Wahllokale überall in Katalonien gelangten. 2019 schließlich wurden neun Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten wegen Aufruhrs zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Darunter auch der ERC-Parteichef und ehemalige Vizeregierungspräsident Kataloniens, Oriol Junqueras. Mehrere Politiker rund um den einstigen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont flohen ins Ausland.
In der Zeit, als Torrent abgehört wurde, musste er als Zeuge im Verfahren gegen seinen Parteichef Junqueras und zwölf weitere Angeklagte vor Gericht aussagen, und er nahm an einem Treffen mit der Menschenrechtskomissarin des Europarates in Straßburg, Dunja Mijatvic, teil. Torrent und Maragall wollen jetzt juristische Schritte gegen General Felix Sanz Roldán, der 2019 dem CNI vorstand, einleiten. Zehn Parteien, darunter die kleinere der beiden Regierungsparteien, die linksalternative Unidas Podemos, verlangen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
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