piwik no script img

Streit um Berliner WohnungsmarktpolitikHalt wohnen, wohnen, wohnen

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Irgendwie muss die Wohnungsfrage doch in den Griff zu kriegen sein: Häuser werden gekauft, die Entscheidung zur Enteignung kommt.

Das liest sich doch wie eine Strategie Foto: picture alliance/dpa

D ie Mieten sind zu hoch und die Wohnungen zu knapp – darüber herrscht parteiübergreifend Einigkeit. Für mehr Diskussionen sorgt bekanntlich die Frage, wie die Mieten langfristig wieder gesenkt werden können. Dass die wundersamen Kräfte des Marktes für steigende Mieten, nicht aber für mehr Wohnraum sorgen, mussten viele Berliner Mie­te­r:in­nen in den letzten Jahren schmerzlich erfahren. Es braucht also mehr staatliche Einflussmöglichkeiten, zumindest das scheint Konsens in der Koalition.

Ein Lösungsansatz, der sich in der in letzter Zeit wachsender Beliebtheit erfreut, ist wieder mehr Wohnungen in den Landesbesitz zu überführen.

Mit der Parole „Wir kaufen uns die Stadt zurück“ rettete Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt Hunderte Mie­te­r:in­nen vor Verdrängung, indem per Vorkaufsrecht zahlreiche Häuser Spe­ku­lan­t:in­nen vor der Nase weggekauft wurden. Nun wurde diese Woche das erste Mal das Vorkaufsrecht zugunsten eines anderen privaten Investors angewandt. Der Grund: Der Senat stellt nicht mehr genug Geld für den kostspieligen Ankauf zu Marktpreisen bereit.

Umso verwunderlicher ist es, dass die SPD über 2 Milliarden Euro für 20.000 Wohnungen des Wohnungsriesen Vonovia ausgeben will, zumindest wenn der Ende Mai von Oberbürgermeister Michael Müller eingefädelte Deal aufgeht. In einem Beschluss am Donnerstag kritisierte die Linke den Kaufpreis als zu hoch und forderte, das Abgeordnetenhaus möge doch wenigstens über den Kauf entscheiden.

Weitsichtiger als die Landespolitik ist das Enteignungs-Volksbegehren

Über die eigentlichen Beweggründe des Müller-Vonovia-Deals lässt sich spekulieren, deutlich wird aber, dass der Senat keine Strategie hat, wie er die Wohnraumversorgung langfristig politisch gestalten will: Ein bisschen Vorkauf hier, ein bisschen Mietendeckel da, und am besten Neubau, egal ob privat, kommunal oder genossenschaftlich. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass dieses Herumgeeiere in den nächsten 10 bis 20 Jahren wenig Früchte tragen wird. Im Gegenteil, wer garantiert, dass die heute teuer angekauften Wohnungen nicht wieder verscherbelt werden, sobald Berlin wieder mal pleite ist?

Weitsichtiger als die Landespolitik ist hingegen das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen, dem am Donnerstag offiziell bestätigt wurde, dass die benötige Zahl an Unterschriften erreicht wurde. Denn neben der Forderung nach Vergesellschaftung wird hier genau diese langfristige Strategie geliefert. Es ist ein radikaler, aber gangbarer Weg, große Teile des Wohnungsbestandes in die öffentliche Hand zu überführen, ohne sich als Stadt bis zur Handlungsunfähigkeit zu verschulden. Garantieren soll das kein landeseigenes Unternehmen, sondern eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die im Gegensatz zu den Landeseigenen nicht profitorientiert arbeiten muss.

Ob Enteignung nun wirklich der Königsweg ist, das „Recht auf Wohnen“ in Berlin langfristig zu gewährleisten, darüber ließe sich vortrefflich diskutieren. Wird es aber leider viel zu wenig. Schade eigentlich, denn der Volksentscheid wäre schon ein Erfolg, wenn die Geg­ne­r:in­nen anstatt Ängste zu schüren, konstruktive Gegenkonzepte entwickeln würden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Es gibt seit langem konstruktive Gegenkonzepte: Einfach das Geld nehmen und Wohnungen bauen. Aber darum geht es doch überhaupt nicht in Berlin. Es geht nur darum feuchte sozialistische Träume auf Kosten der Steuerzahlenden umzusetzen. Da kann dann eine kleine Minderheit in bester Lage spottbillig wohnen.

  • Bin selber Vermieter und Rentner. Habe eine eigene Idee zur Mietproblematik, ua. in Berlin. Meine, nicht die Stadt Berlin soll Wohnungen in großem Stil zurückkaufen. Das sollen die Mieter in den Mietshäusern selber tun. Was die Mieter von der Stadt dafür brauchen, das benötigte Eigenkapital von 10-20%. Das soll die Stadt Berlin den Mietern Zinsgünstig oder Zinsfrei leihen. Dann können die Mieter ihre Wohnungen selber kaufen und mit ihren Mieten-Kreditraten selber bezahlen.

    • @Manfred Teske:

      Problem ist die Grundlogik hier: erstens, dass man immer nach unten treten sollte, d.h. Leute, die weniger Geld habe als ich und eine Wohnung nicht kaufen können, sollte mein Kapital/Kredit finanzieren.



      Zweitens: wenn man mit eine Wohnung Rendite erzielen dürfe, warum nicht dann auch die Gehwege privatisieren und ein Maut zur Nutzung einführen... und ähliches.



      Berlin hat schon seine Erfahrung mit der Privatisierung der Wasserwerke und (spät) gemerkt wo das hinführt.

      Das einzige was hilft: auf Grundelementen, die jeder zu leben braucht, müssen streng reguliert, um das Profit-Gier zu bändigen.