Streit um Berliner Jahnsportpark: Welches Stadion hätten Sie gern?
Der Senat will das Jahnstadion abreißen, ohne zu wissen, was danach kommt. Das sorgt für Ärger. Grüne wollen zuerst die anderen Flächen sanieren.
Erst das Stadion abreißen und dann den Neubau und den Rest des Geländes planen? Philipp Dittrich findet, dass das gar nicht geht. Der Architekt ist Mitglied in der Bürgerinitiative Jahnsportpark und ärgert sich über eine Online-Umfrage, die der Senat zur Zukunft des Sportgeländes in Prenzlauer Berg in Auftrag gegeben hat. „Das Stadion aber war gar nicht Teil der Befragung“, sagt Dittrich der taz. „Offenbar soll es abgerissen werden, bevor klar ist, was auf dem gesamten Gelände gebaut werden soll.“
Ganz anders sieht das der Landessportbund. Er spricht sich ohne Wenn und Aber für den Abriss aus. „Wir brauchen eine barrierefreie Sportinfrastruktur, in der Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Sport treiben“, sagte LSB-Präsident Thomas Härtel am Dienstag. Nach der Onlinebefragung startete der Verband zusammen mit 15 anderen Vereinen und Sportverbänden eine Onlinepetition. Sportlerinnen und Sportler, aber auch Anwohnerinnen und Anwohner sollen dabei ihr Interesse an einem inklusiven Umbau des Jahnsportparks dokumentieren.
Der Jahnsportpark in Prenzlauer Berg ist in die Jahre gekommen. Das 23 Hektar große Ensemble aus dem 1952 errichteten Stadion, dem kleinen Stadion sowie diversen Sport- und Freizeitflächen muss dringend saniert werden. Der Senat hat sich dabei schon lange auf einen Neubau des Cantianstadions mit seinen 20.000 Plätzen festgelegt. „Für die Sportmetropole Berlin ist der Neubau des Stadions von zentraler Bedeutung“, heißt es in einer Antwort von Sportstaatssekretär Aleksander Dzembritzki auf eine Anfrage an das Abgeordnetenhaus. „Aus Sicht der Verbände benötigt das Stadion moderne, erheblich größere und für Aktive, Betreuer und sonstige Beteiligte barrierefrei zugängliche Funktionsräume.“ 120 Millionen Euro soll das Vorhaben kosten. Weitere 65 Millionen kostet der Umbau des Gesamtareals zum „Inklusionssportpark“.
Dass der Senat mit dem neuen Stadion Großes vorhat, ist kein Geheimnis. Schon zu den Special Olympics World Summer Games für Sportler mit Behinderungen wollte Sportsenator Andreas Geisel (SPD) mit der neuen, modernen Arena antreten. Doch daraus wird nichts. Spätestens 2024 oder 2025 dürfte der Neubau fertig werden, sollte im Herbst oder nächstes Jahr mit dem Abriss begonnen werden können. Am ambitionierten Ziel hält der Senat aber fest, unterstützt auch vom Landessportbund. „Ein Inklusionssportpark ist ein Leuchtturm mit Strahlkraft für die Sportmetropole Berlin und weit darüber hinaus“, sagt LSB-Chef Härtel.
Demgegenüber stehen die Kritiker, und die gibt es sowohl in der Politik, bei Architekten als auch aus dem Sport selbst. Der grüne Abgeordnete Andreas Otto etwa gibt zu bedenken, dass das Stadion derzeit zu zwei Drittel für Fußballspiele genutzt werde, unter anderem spielen dort der BSC Dynamo und die VSG Altglieniecke. Es sei ein offenes Geheimnis, dass sich der Senat für Special Olympics World Summer Games ein zweitligataugliches Stadion wünsche, so Otto. Ist das Inklusionskonzept also nur ein Feigenblatt? Der Grünen-Politiker fordert ein Gesamtkonzept für den Sportpark, das auch den Anforderungen für Freizeitsportler gerecht werden müsse. „Wenn dem Senat der Sportpark als Ganzes wichtig ist, dann soll er erst die übrigen Flächen sanieren und nicht erst das Stadion abreißen“, so Otto zur taz.
Ähnlich argumentieren auch der Bund Deutscher Architekten BDA und der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten bdla: „Berlin besitzt mit dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark und dem angrenzenden Mauerpark eine deutschland-, wenn nicht weltweit einmalige Sport- und Freizeitlandschaft, die Spitzen- und Breitensport vereint und mit der grünen Infrastruktur Berlins verbindet“, erklärte der Landesvorsitzende des bdla, Eike Richter Mitte Juni. „Der wertvolle Baumbestand und die historisch einmalige Anlage von Stadion, denkmalgeschützter Hinterlandmauer und Tribüne für Karaoke-Events im Mauerpark, dies alles muss behutsam saniert und nicht brachial umgestaltet werden.“
Vor allem der Abriss des Stadions ist den Kritikern ein Dorn im Auge. Eine behindertengerechte Sanierung des Stadions wurde nicht ernsthaft geprüft“, kritisiert Philipp Dittrich von der Bürgerinitiative. Er fordert deshalb, „vom Abriss des Stadions Abstand zu nehmen und einen bedarfsgerechten Umbau zu einer inklusiven Sportstätte zu planen“. Andreas Otto verweist auf das Abfallwirtschaftskonzept, das der Senat im Mai verabschiedet hatte. Beschlossen wurde darin, dass Sanierung von Gebäuden den Vorrang vor Abriss und Neubau haben soll.
Außerdem sei von einem Neubau des Stadions auch im Koalitionsvertrag keine Rede. Tatsächlich haben Rot-Rot-Grün vereinbart: „Die zentral verwalteten Sportstätten Olympiapark, Sportforum Hohenschönhausen und Friedrich-Jahn-Sportpark werden zeitnah mit einem Konzept für jeden Standort weiterentwickelt und die Sanierung sichergestellt. Prioritär wird der Friedrich-Jahn-Sportpark zu einer inklusiven Sportanlage entwickelt.“
Genau dagegen aber laufen die Sportverbände Sturm. Bei einer „Tour de Barriere“ genannten Begehung am Dienstag demonstrierten unter anderem Rollstuhlfahrer, wie schwierig es sei, das Stadion zu nutzen. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie dieses Stadion sinnvoll saniert werden soll“, sagte Klaas Brose vom Behindertensportverband der Berliner Morgenpost.
„Der Begriff barrierefrei ist vage, deswegen haben wir diesen Parcours gemacht, um das mal praktisch zu zeigen“, ergänzte Verbandsvizepräsident Stefan Schenck. Allerdings scheinen auch die Behindertensportler dem Senat nicht ganz zu trauen. „Wir wollen von der Politik, dass sie sich beim Umbau klar zur Inklusion bekennt“, so Schenck. „Da kann sie noch eine Schippe zulegen.“
Inzwischen hat sich das rot-rot-grüne Regierungsbündnis in Berlin zu einer ersten Koalitionsrunde getroffen, weitere sollen bis Herbst folgen. Auch wenn Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) dem Bezirk Pankow inzwischen das Genehmigungsverfahren entzogen hat, kann der Senat nicht schalten und walten, wie er will. Die für den Abriss vorgesehenen 14 Millionen Euro zum Beispiel hat der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses vorerst gesperrt. „Und zwar so lange, bis ein Gesamtkonzept vorliegt“, sagt der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto.
Damit der BSC Dynamo und die VSG Altglienicke das Stadion vorerst weiter nutzen können, hat der Senat die Verlängerung de Betriebserlaubnis beantragt. Die derzeitig gültige Genehmigung läuft am 30. Juni aus.
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