Streit über Zuwanderung: Stimmenfang auf bewährte Art
Der Streit über die Zuwanderung tobt weiter: Seehofer wirft der SPD Heuchelei vor. Die SPD spricht im Gegenzug von Hetzparolen, mit denen die CSU Ängste schüre.
BERLIN rtr | Der Streit in der schwarz-roten Regierungskoalition über die Zuwanderung aus Osteuropa hält an. CSU-Chef Horst Seehofer warf am Wochenende sozialdemokratischen Politikern Heuchelei und Unkenntnis vor. Sein Generalsekretär Andreas Scheuer warnte, Deutschland dürfe nicht die „soziale Reparaturwerkstatt“ Europas werden. Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner sprach von Hetzparolen, mit denen die CSU Ängste schüre.
In der deutschen Wirtschaft wächst angesichts des Schlagabtauschs die Furcht vor negativen Folgen. „Die Zuwanderung insgesamt darf nicht durch eine aufgeheizte politische Diskussion in ein schlechtes Licht gerückt werden“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Industrie- und Handelskammertags. Deutschland werde in den kommenden Jahren bis zu 1,5 Millionen qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigen. Die trügen auch zur Stabilisierung der Sozialsysteme bei.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatten am Freitag versucht, den Konflikt zu entschärfen. Das Kabinett soll am Mittwoch eine Staatssekretärsrunde einsetzen, die klären soll, ob auf gesetzlicher Ebene Nachbesserungen nötig sind, um einen Missbrauch der deutschen Sozialsysteme zu unterbinden.
Ungeachtet dessen griff Seehofer im Münchner Merkur die SPD heftig an, die ein CSU-Papier mit der Forderung „Wer betrügt, der fliegt“ kritisiert hatte. Was die CSU in dem Papier ausdrücke, sei im Koalitionsvertrag ausführlich formuliert. „Ich finde es erschreckend, wie groß die Unkenntnis von SPD-Mitgliedern der Bundesregierung über die von ihnen gefassten Beschlüsse ist“, sagte der CSU-Chef. Generalsekretär Scheuer sagte, die SPD solle „die erhitzten Emotionen jetzt mal wieder auf ein Normalniveau“ absenken.
SPD-Vorstandsmitglied Stegner hielt im Handelsblatt dagegen: „Es ist eine Sache, Probleme zu lösen und beispielsweise die besonders vom Zuzug betroffenen Kommunen zu unterstützen. Es ist etwas völlig anderes, mit Hetzparolen Ängste zu schüren, um bei den bayerischen Kommunalwahlen oder den Europawahlen vermeintlich Wähler davon abzuhalten, AfD oder NPD ihre Stimmen zu geben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind