Streit in Horn: Halbmonds Nachbarn
Eine muslimische Gemeinde will aus einer Kirche eine Moschee machen. Sie wirbt um die Akzeptanz der Anwohner – zwei Tage vor einer Nazi-Kundgebung.
Seine Stirn glänzt, als Daniel Abdin hinter das Rednerpult tritt. „Heute ist der Frühlingsanfang“, steht auf seinem Zettel. Das ist ein symbolischer Satz. Heute geht es um den Umzug seiner muslimischen Gemeinde in den Stadtteil Horn. Um einen Neustart. Und der muss gut werden.
Eine Kamera ist auf Abdin gerichtet, alle Stühle im Saal der Wichern-Schule in Horn sind am Donnerstagabend besetzt. Viele Anwohner, hinten lehnen sie an den Wänden. Abdin ist der Vorsitzende des islamischen Zentrums al-Nour, im Herbst haben sie die Kapernaum-Kirche gekauft. Diese Rede soll den Menschen im Stadtteil erklären, warum es gut ist, dass aus dem Gotteshaus jetzt eine Moschee werden soll.
Auf den Stühlen sitzen alte Damen mit Strickjacken und Herren mit Schnurbärten und weißem Haar. Vorne halten junge Leute Mikrofone in der Hand. Dazwischen die Männer aus der Gemeinde, die mitgekommen sind aus St. Georg. Sie alle tragen heute ein dunkelblaues Sakko, selbst der Imam. „Guten Tag“, sagt Abdin. Er nimmt einen Schluck Wasser. „Sie müssen mich entschuldigen, meine Stimme geht weg.“ Es ist still im Saal. Mit einem Taschentuch betupft Abdin Stirn, Nase, Oberlippe.
Die Moscheegegner wollen Unter dem Motto „Lasst die Kirche im Dorf“ am Samstag ab 14 Uhr gegen die Umwandlung der ehemaligen Kapernaum-Kirche protestieren. Die Kundgebung verantwortet Stephan Buschendorff von Pro Deutschland. Die „German Defence League - Hamburg Division“ unterstützt die Aktion, 100 Teilnehmer sind angekündigt.
Der Protest dagegen beginnt um 13 Uhr an der U-Bahn Horner Rennbahn: Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ hat eine Kundgebung „Keine rassistische Hetze in Hamburg-Horn“ angemeldet. Der Aufruf, der die Religionsfreiheit betont, bekommt Unterstützung von allen Bürgerschaftsfraktionen, der Bezirksversammlung, der Stadtteilkonferenz und der Schura. AS
Seit bekannt wurde, dass seine muslimische Gemeinde plant, aus ihrem Gebetsraum in einer Tiefgarage in St. Georg umzuziehen in ein leer stehendes Kirchengebäude in Horn, hat Abdin viele Interviews gegeben. Für Samstag ist eine Kundgebung von Neonazis angekündigt. Umso wichtiger, dass die Nachbarn die Muslime akzeptieren.
Zum Freitagsgebet, sagt Abdin, werden 200 bis 300 Menschen erwartet. Ein Mann mit hoher Stirn und eckiger Brille lässt Luft durch seine Zähne fahren. Wo sollen die parken? „Die Muslime sind längst weg, wenn die Nachbarn von der Arbeit heimkehren“, sagt Abdin. Ein paar Leute lachen, der Scherz ist gelungen. Abdin lächelt.
„Kann man denen überhaupt trauen?“, fragt Pastor Kay Kraack von der evangelischen Gemeinde St. Georg. Er ist bereits der Sechste auf der Rednerliste. Vor ihm hat der Architekt erklärt, wie er die Kirche verändert, Pastor Kiersch aus Horn freut sich auf al-Nour. Hansjörg Schmidt von der SPD will einen Dialog „für die Menschen hier“, und der Herr von der Polizei lobt die Zusammenarbeit mit den Muslimen: sehr fruchtbar und konstruktiv. „Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Auf Herrn Abdin und Scheich Samir ist Verlass“, sagt Pastor Kraack.
Der Imam der Gemeinde, Samir El-Rajab, tritt ans Mikrofon. Er spricht Arabisch. „Wie wollen Sie denn mit den jungen Leuten reden?“, fragt eine Frau. „Das ist sein Defizit“, übersetzt Abdin. Der Imam besuche Deutschkurse, neben der Arbeit in der Moschee: „Er macht alles: Trauungen, Gebete.“ Ein Mann räuspert sich. „Hat er wohl keine Zeit, Deutsch zu lernen“, sagt er.
„Ich fände es schade, dass ein Halbmond auf den Kirchturm kommt“, sagt ein Mann mit rundem Bauch. „Da hätte ich mir mehr Toleranz gewünscht.“
Als niemand mehr fragt, sagt Abdin: „Sie haben mir Ängste genommen.“ Vor der Tür standen den ganzen Abend über zwei Streifenwagen. „Kommen Nazis?“, hatte eine Frau einen der Beamten gefragt. „Greifen Sie ein, wenn die die Veranstaltung aufmischen?“ Aber Neonazis haben dann doch nicht gestört.
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