Streit bei der GDL: Gegenwind für Weselsky
Innergewerkschaftliche Kritiker fordern den Rücktritt von GDL-Chef Claus Weselsky. Exchef Schell spricht von Egoismus.
BERLIN taz | Der harte Arbeitskampfkurs der Lokführergewerkschaft GDL stößt auch innerhalb der Organisation auf Kritik. Der Sprecher einer Initiative für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der GDL, Volker Siewke, warf am Wochenende der Führung um Claus Weselsky im Deutschlandfunk Versäumnisse vor. Zwar habe die GDL grundsätzlich vereinbart, für das gesamte Zugpersonal verhandeln zu wollen. Allerdings habe es die Führung versäumt, den Organisationsgrad unter den Zugbegleitern zu erhöhen. Siewke forderte den Rücktritt des GDL-Chefs.
Die GDL hatte zuletzt am vergangenen Wochenende mit einem 50-stündigen Ausstand den Personen- und Güterverkehr lahmgelegt – obwohl in elf Bundesländern die Herbstferien begannen, endeten oder andauerten. Bis zum 2. November gilt nun erst einmal eine Streikpause. Die Gewerkschaft fordert unter anderem 5 Prozent mehr Lohn und will für das gesamte Fahrpersonal verhandeln. Für andere Beschäftigte, zum Beispiel Schaffner und Speisewagenmitarbeiter, war bislang die konkurrierende Eisenbahnergewerkschaft EVG zuständig.
Während die EVG im DGB organisiert ist, gehört die GDL dem Beamtenbund an. Dieser hat zuletzt zwar das Streikrecht von Lokführern verteidigt, gleichzeitig aber betont, dass es keinen Automatismus gebe, wenn die GDL Hilfen aus dem Streikfonds ihres Dachverbandes beantrage.
„Weselsky lebt nur sein Ego“
Der ehemalige GDL-Chef Manfred Schell, der der Deutschen Bahn 2008 einen eigenständigen Lokführertarifvertrag abtrotzte, wirft Weselsky Selbstherrlichkeit vor. „Weselsky lebt nur sein Ego“, schreibt Schell auf der Internetseite der innergewerkschaftlichen Kritiker. Ein Tarifkompromiss für die DB-Lokführer sei möglich. „Nur kann dies nicht zu einem Ergebnis führen, solange der amtierende GDL-Vorsitzende an seiner derzeit absolut unrealisierbaren Forderung festhält, auch einen Tarifvertrag für Berufsgruppen außerhalb der Lokführer, nämlich für Zugbegleiter, Bordgastronomen und weitere Berufsgruppen zu erlangen.“
Es sei verpatzt worden, den Organisationsgrad des DB-Fahrpersonals auf ein Niveau auszubauen, „welches eine tarifliche Zuständigkeit der GDL unbestreitbar begründet hätte“. Die GDL vertritt nach eigenen Angaben 30 Prozent der Zugbegleiter und Bordgastronomen bei der DB. Laut Schell vertrat seine Gewerkschaft bereits vor sechs Jahren 31 Prozent der Zugbegleiter.
Die GDL hatte in der vergangenen Woche ein Angebot der EVG abgelehnt, die Anzahl der jeweiligen Mitglieder notariell feststellen zu lassen. Weselsky: „Die GDL wird kein Erbsenzählen veranstalten.“ Es gelte das Prinzip der Tarifpluralität, jede Gewerkschaft könne für ihre Mitglieder Tarifforderungen aufstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé