Streckensperrung Kassel – Hannover: Die Erstverschlimmerung
Die Deutsche Bahn sperrt für zwei Wochen eine wichtige Strecke. Das hat auch etwas Gutes. Eine Betrachtung aus homöopathischer Sicht.
Erhebliche Verspätungen, deutliche Fahrzeitverlängerung, vollständige Streckensperrung – was Bahnreisenden Ende April bevorsteht, klingt nicht gut. Das sind Wortungetüme, die unschöne Szenarien in den Köpfen hervorrufen: Wichtige Geschäftstermine, Familientreffen, Fernbeziehungen, bei allem muss mit „erheblichen Verspätungen“ gerechnet werden.
Die Deutsche Bahn sperrt vom 23. April bis 8. Mai die ICE-Strecke zwischen Kassel und Hannover, eine der meistbefahrenen Verbindungen der Republik. Rund 170 Züge düsen dort täglich entlang, bringen tausende Passagiere von A nach B, verbinden Nord- mit Süddeutschland und Hamburg mit Frankfurt. Der Grund für die Sperrung: Bauarbeiten.
Sechzehn Tage lang wird es für die Bahnreisenden nicht nach Plan laufen. An drei Samstagen, an Walpurgisnacht, am Tag der Arbeit, an Christi Himmelfahrt und Muttertag. Eine gefühlte Ewigkeit. Erst gute drei Wochen vor der Sperrung hat die Bahn ihre Entscheidung nun bekannt gegeben. Das zeugt nicht von besonders viel Voraussicht und einem zuvorkommenden Umgang mit den Reisenden.
Schnell haben sich Empörung und Häme breit und KundInnen ihrem Ärger im Internet Luft gemacht. „Bahnchaos“, „Mittelfinger hoch“, „Danke, Deutsche Bahn“ beschweren sie sich auf Twitter und Facebook. Manche ärgern sich besonders, weil genau in dieser Zeit in Hannover eine große Messe ist.
Schlechtes Timing
Es stimmt: Das Timing und die Informationspolitik der Bahn könnten besser sein. Schon jetzt sind die Fahrten von Kassel-Wilhelmshöhe nach Hannover im Zeitraum der Sperrung auf der Internetseite der Bahn mit einem leuchtend roten Warndreieck gekennzeichnet.
Doch der ganzen Geschichte lässt sich auch Positives abgewinnen, besonders, wenn man sich für eine Betrachtung aus Sicht der Homöopathie entscheidet. Laut dieses alternativmedizinischen Therapieansatzes kann eine „Erstverschlimmerung“ der Krankheitssymptome nämlich ein Zeichen dafür sein, dass eine Behandlung wirkt.
Dass die Deutsche Bahn kränkelt, ist schon lange bekannt. Da gibt es die marode Infrastruktur, die chronische Verspätungen und Züge mit Alterserscheinungen. Deswegen ist derzeit das „größte Modernisierungsprogramm der Bahngeschichte“ im Gange.
Es kostet 28 Milliarden Euro und soll bis 2019 laufen. Im Februar verkündete die Bahn noch stolz, dass man „voll im Plan“ liege mit der „Verjüngungskur von Gleisen, Schwellen, Weichen und Anlagen“.
Sieht man das Modernisierungsprogramm als medizinische Behandlung, ist die Erstverschlimmerung in Form der temporären Streckensperrung ein Grund zur Freude.
Sündenbock
Angenommen die Bahn würde ihre Schienen nicht sanieren, die Technik nicht erneuern, die Züge nicht auf den neusten Stand bringen. Alles bliebe beim Alten und die Bahn der Sündenbock.
Weiterhin hätte fast jeder dritte Zug im Fernverkehr Verspätung, so wie es für das Jahr 2015 in der Unternehmensstatistik steht. Früher oder später käme es zwischen Hannover und Kassel vielleicht sogar zu einem großen Unfall. Wer weiß? Dann wäre das Geschrei groß.
Kritische Kunden, Journalisten, Hinterbliebene: Alle würden fragen: ‚Warum habt Ihr nichts getan?‘ Was sind schon zwei Wochen, in denen die Reisenden ein wenig umdisponieren und flexibel sein müssen, wenn danach alles zuverlässiger und schneller läuft?
Klar, ist es bei einer Therapie zunächst doof, wenn sich das, was geheilt werden soll – ob Rückenschmerzen, Zugverspätungen oder kaputte Gleise – erst einmal verschlechtert. Das demotiviert und macht vielleicht sogar wütend. Aber in der Homöopathie müssen Patienten eine Zeitlang geduldig sein und abwarten, was passiert.
„Bei der Erstverschlechterung werden die von Ihnen geschilderten Beschwerden kurz nach der Einnahme des verordneten Mittels zunächst schlimmer, bevor sie dann langsam besser werden“, steht auf der Fachwebsite homoeopathie.at. Während dieser Phase sollen keine weiteren Mittel eingenommen werden, heißt es weiter. So läuft das manchmal auch im Bahnverkehr.
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