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Strategie der Lockdown-LockerungenKinder testen – täglich und überall

Barbara Junge
Kommentar von Barbara Junge

Während viele Eltern mit Betreuung und Homeschooling verzweifeln, spielen die Kul­tus­mi­nis­te­r:in­nen mit wachsender Begeisterung Föderalismus.

Schnelltest muss sein: Schülerin in Magdeburg vor dem Unterricht Foto: Ronny Hartmann/dpa

I n schwierigen Zeiten betont man am besten die frohe Botschaft: Die Kanzlerin und die Länderchef.innen werden am Mittwoch voraussichtlich beschließen, dass es „besonders bedeutend“ ist, jetzt für Kinder, Jugendliche und deren Eltern Planungsperspektiven zu schaffen. Die Länder sollen deshalb im Rahmen von Testkonzepten den Schul- und Kitabetrieb sicherstellen. So weit, so überschaubar.

Aber wie irrwitzig, in der Phase der Mutatio­nen die Schulen länderweise und nach politischem Kalkül zu öffnen, um die Voraussetzungen dafür erst jetzt nachzureichen. Und selbst dann belässt man die Testperspektiven, die Voraussetzungen für Schul- und Kitaöffnungen im Ungefähren der Länderhoheit.

Pro „Präsenzwoche“ soll es ein oder zwei Tests geben. Dafür braucht es noch ein Konzept, das die Länder erstellen sollen. Was heißt „pro Präsenzwoche“, was bedeutet „im Rahmen von Testkonzepten“? Ist geklärt, wer das finanziert, oder scheitert daran alles? Warum gibt es neben der nationalen Teststrategie nicht längst ein einheitliches Testkonzept? Genauso wenig wie die Entwicklung von Impfstoffen ist die Verfügbarkeit dieser Tests schließlich ein Selbstläufer. Das lässt ahnen, wo wir stehen.

Dort, wo viel geredet wird, wo man lange zusammensitzt, haben die Aerosole beste Bedingungen. In einem Museum wird, je nach kulturellem Habitus, aber eher nicht so viel gesprochen und auf engem Raum verweilt. Auch im Gartencenter hält man kaum langatmige Reden ans Volk.

Eltern leisten den Job der Schule

Schulen wie Kitas aber sind qua Sinn und Zweck Orte des Redens, des Beisammensitzens; auch wenn sie nicht Haupttreiber der Pandemie sind. Deshalb war die ganze Debatte über Schulen in den vergangenen 12 Monaten, Verzeihung, par­tiell hirnrissig und streckenweise verlogen. Rechthaberisch haben sich die Experten Studien zur Rolle von Schulen in der Pandemie um die Ohren geschlagen.

Von Konzeptionen für diesen Ort, an dem viele Menschen zusammenkommen, war unterdessen wenig zu erfahren. Seit einem Jahr wird eine Generation ins Off geschickt. Eine flächendeckende Versorgung mit Tablets ist Illusion, immerhin: Bei manchen funktioniert die Lernplattform, manche haben Eltern, die den Job der Schule leisten. Und während viele Eltern unter der Belastung verzweifeln, spielen die Kultusminister.innen mit wachsender Begeisterung Föderalismus.

Wenn die Eingangsformel von Kanzlerin und Länderchef.innen ernst gemeint sein sollte, müssen tägliche Tests an Schulen und Kitas jetzt Priorität vor anderen Einrichtungen haben – auch Prio­rität vor den Feinheiten des Föderalismus.

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Barbara Junge
Chefredakteurin
taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.
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6 Kommentare

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    Die Moderation

    • @Bernd Käpplinger:

      glauben Sie mir, Kinder vertragen mehr als Sie denken und wenn es nur darum geht sich ein Stäbchen in die Nase zu schieben, nehmen sie einfach hin. Wenn man natürlich die ganze Zeit betont, wie schlimm das alles ist, finden Kinder das auch schlimm.



      Meine Tochter würde alles tun, um in die Schule zu gehen. Stäbchen in der Nase sind ihr da egal. Manche Sachen kann man einfach machen ohne sich darüber zu echauffieren.

      • @nutzer:

        Mein Sohn möchte auch wieder endlich in die Schule und zu seinem Sport.

        Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.



        Die Moderation

        • @Bernd Käpplinger:

          wie gesagt, wenn man Kindern erzählt ein Test sei schlimm und Freiheitsberaubung, dann werden sie es größtenteils auch so empfinden.



          Wie sie "Coronatest" und "Was sie nicht tötet, macht sie nur noch härter!" zusammenkriegen kann ich nicht nachvollziehen. Weder geht es annähernd in Richtung lebensgefährdend, noch bagatellisiert es irgendeine Persönlichkeitsverletzung.



          Wenn Sie allerdings auf dem Standpunkt stehen Corona sei nur eine Grippe (nur als Beispiel, ich weiß es ja nicht), dann wäre es natürlich übers Ziel hinausgeschossen, aber wenn man Corona als Krankheit versteht, ist es eine Lapalie solch einen Test zu machen, im Vergleich dazu, was dadurch wieder möglich wird.

  • Politiker die empfehlen, die fordern... ganz polemisch gefragt, wer entscheidet in diesem Land? Wer macht hier was, wenn es nicht die Politiker sind?



    An wen appelliert die Politik, an wen richten sich die täglich zu lesenden Forderungen aus der Politik?



    Spontan fällt mir nur ein Politiker ein, der in letzter Zeit durch den Satzanfang "wir machen..." oder "Wir haben..." aufgefallen ist.

  • Es gibt halt kein Patentrezept, jeder Schritt hat Vor- und Nachteile und es geht nicht anders, als auszzprobieren. Und da kann der Föderalismus seine Stärke zeigen. Man kann unterschiedliche Maßnahmen in unterschiedlichen Ländern probieren und dann vergleichen. Aus Elternsicht gibt es keinen Grund zu verlangen , dass im Nachbarbundesland genau gleich vorgegangen wird, wichtig ist nur, dass das Ziel ist, den Kindern möglichst gute Betreuung und Bildung zukommen zu lassen und dabei ihre Gesundheit zu schützen.